Kreidezähne: Antibiotika als Auslöser?
Neben Karies ist auch die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH), umgangssprachlich Kreidezähne genannt, ein zunehmendes Problem für Kinderzähne. Fast eine halbe Million Kinder sind davon betroffen. Bei den Ursachen der Kreidezähne bleibt noch einiges im Unklaren. Doch jetzt haben Fachleute einen möglichen Grund gefunden: Antibiotika.
Poröse und fleckige Zähne: Schon im Milchzahnalter schleicht sich die Volkskrankheit „Kreidezähne“ in den Mundraum ein. Mit ihr werden Kauen und Zähneputzen zu schmerzhaften Angelegenheiten, erklärt die Krankenkasse DAK Gesundheit auf ihrer Webseite. Auch wenn Fachleute noch keine konkreten Aussagen über die genauen Ursachen treffen können, gibt es doch Hinweise darauf, dass einige Faktoren ausschlaggebend sind. Einer davon ist die Einnahme von Antibiotika.
Poröse und beim Putzen schmerzende Zähne
Wie die Barmer Krankenkasse in einer aktuellen Mitteilung schreibt, haben mindestens 450.000 Kinder in Deutschland sogenannte Kreidezähne, die behandelt werden müssen. Dies entspricht rund acht Prozent aller Sechs- bis Zwölfjährigen, die unter gelblich oder bräunlich verfärbten, porösen und beim Putzen schmerzenden Zähnen leiden.
Das geht aus dem aktuellen Zahnreport der Barmer hervor, dem zufolge es einen erkennbaren Zusammenhang zwischen Medikamenten und der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH), umgangssprachlich Kreidezähne genannt, gibt.
„Kinder haben häufiger Kreidezähne, wenn sie in den ersten vier Lebensjahren bestimmte Antibiotika erhalten haben. Vor diesem Hintergrund muss erneut auf deren verantwortungsvollen und indikationsgerechten Einsatz hingewiesen werden. Antibiotika sind ohne jeden Zweifel segensreich. Doch die Prämisse lautet auch hier, so viel wie nötig und so wenig wie möglich“, erläuterte der Vorstandsvorsitzende der Barmer, Prof. Dr. Christoph Straub.
Noch wenig über die Entstehung bekannt
Über die Entstehung der Kreidezähne sei bisher nur wenig bekannt. Das mache sie besonders tückisch. Laut der Barmer habe die Ernährung auf deren Entstehung wahrscheinlich keinen Einfluss.
Regelmäßiges Zähneputzen könne Kreidezähne nicht verhindern, weil die Zähne bereits geschädigt durchbrechen. Somit sei Prävention so gut wie unmöglich. Für die Eltern betroffener Kinder sei dies eine wichtige Botschaft. Sie haben nichts falsch gemacht!
Straub zufolge werde über mögliche Ursachen der Kreidezähne viel diskutiert, und es bestünden verschiedene Hypothesen dazu. Hier werde auch das mögliche Zusammenwirken von Medikamenten und Kreidezähnen diskutiert.
Der Zahnreport habe vor diesem Hintergrund unterschiedliche Gruppen von Arzneimittelverordnungen bei Kindern mit und ohne Kreidezähnen untersucht. Dabei seien auch unterschiedliche Antibiotika geprüft worden, die zum Beispiel bei Atem- oder Harnwegsinfekten zum Einsatz kämen.
Hier zeige sich, dass Kinder mit Kreidezähnen in den ersten vier Lebensjahren oft angewendete Antibiotika bis zu etwa zehn Prozent mehr verschrieben bekämen als Gleichaltrige ohne Kreidezähne.
„Die Verordnung von Antibiotika steht in einem erkennbaren Zusammenhang mit dem Auftreten von Kreidezähnen. Allerdings ist noch unklar, wie dieses Zusammenwirken genau funktioniert. Hier sind weitere Untersuchungen erforderlich“, so Straub.
Bei der Antibiotikavergabe sei man laut dem Experten bereits auf einem guten Weg. So habe sich die verordnete Antibiotikagabe bei Kindern bis fünf Jahren zwischen den Jahren 2005 und 2019 mehr als halbiert und im vergangenen Jahr sei die Menge noch einmal deutlich gesunken, wohl auch deswegen, weil die Abstands- und Hygieneregeln während der Corona-Pandemie zu weniger sonstigen Infektionen geführt hätten.
Mädchen sind häufiger betroffen
Neben der Ursachenforschung hat der Barmer-Zahnreport eine Bestandsaufnahme zum Phänomen der Kreidezähne gemacht. Mädchen sind demnach häufiger betroffen als Jungen. Zwischen den Jahren 2012 bis 2019 hatten 9,1 Prozent der Mädchen sowie 7,6 Prozent der Jungen eine so schwere Form der Kreidezähne, dass sie in zahnärztlicher Behandlung waren.
Darüber hinaus bekommen Kinder vergleichsweise selten Kreidezähne, wenn die Mutter zum Zeitpunkt der Geburt noch sehr jung oder bereits älter als 40 Jahre alt war. Barmer-versicherte Mütter haben dagegen gut doppelt so oft Kinder mit Kreidezähnen, wenn sie zum Zeitpunkt der Geburt zwischen 30 und 40 Jahre alt waren.
„Obwohl Kreidezähne neben Karies die häufigste Zahnerkrankung bei Kindern sind, steht die Forschung dazu noch am Anfang“, sagte Prof. Dr. Michael Walter, Autor des Barmer-Zahnreports und Direktor der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik an der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden.
„Wir haben in unseren Analysen verschiedene Zusammenhänge gefunden. Die zugrundeliegenden Mechanismen und Kausalitäten können mit Abrechnungsdaten allein allerdings nicht aufgeklärt werden. Dazu bedarf es weiterer Forschung. In Kenntnis der Ursachen könnten zukünftig dann auch endlich präventive Maßnahmen möglich werden“, so der Mediziner. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Barmer: BARMER-Zahnreport 2021: Kreidezähne – Sind Antibiotika die Ursache?, (Abruf: 05.06.2021), Barmer
- DAK Gesundheit: Kreidezähne bei Kindern, (Abruf: 05.06.2021), DAK Gesundheit
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.