Menschen mit Übergewicht haben zu wenig Zellen mit Sättigungshormonen
Bei der Entwicklung von Übergewicht spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, zu denen auch ein vermindertes Sättigungsgefühl bei Menschen mit starkem Übergewicht zählt. Betroffene können deutlich mehr essen als ihre normalgewichtigen Mitmenschen, ohne satt zu werden. Wissenschaftler der Universität Basel haben nun den Grund hierfür entdeckt: Den Übergewichtigen fehlen Sättigungshormone.
Die Forscher berichten, dass bei den Übergewichtigen viel weniger Sättigungshormone freigesetzt werden als bei Normalgewichtigen, da die hierfür verantwortlichen Zellen im Magen-Darm-Trakt von Übergewichtigen massiv reduziert seien. Durch eine gewichtsreduzierende Operation könne diese Störung behoben werden, erläutern die Mediziner. Ihre aktuellen Studienergebnisse haben die Forscher in dem Fachmagazin „Scientific Reports“ veröffentlicht.
Enteroendokrine Zellen von entscheidender Bedeutung
Die sogenannten enteroendokrinen Zellen sitzen in der Schleimhaut des oberen Magen-Darm-Trakts und analysieren fortlaufend den Darminhalt, erläutern die Forscher. Während eines Essens werden von diesen hochspezialisierten Zellen die Sättigungshormone ins Blut freigesetzt, womit der Körper signalisiere, „dass genügend Nahrung zugeführt wurde und die Mahlzeit beendet werden kann“, erläutern die Experten. Das Gefühl, satt zu sein, entstehe im zentralen Nervensystem.
Verminderte Freisetzung von Sättigungsbotenstoffen
Doch bei stark übergewichtigen Menschen ist laut Aussage der Forscher die Freisetzung der Sättigungsbotenstoffe im Vergleich zu normalgewichtigen Menschen vermindert. Der Ursache hierfür ist das Forscherteam um Dr. Bettina Wölnerhanssen vom Departement Biomedizin der Universität und des Universitätsspital Basel gemeinsam mit Kollegen des Claraspitals Basel und der University of Liverpool nun nachgegangen. „Mittels Magenspiegelung wurden hierfür Gewebeproben aus dem Magen-Darm-Trakt von 24 Normalgewichtigen und 30 stark übergewichtigen Patienten vor und nach einem gewichtsreduzierendem Eingriff entnommen“, berichtet die Universität Basel
Zahl der enteroendokrinen Zellen reduziert
Die Analyse habe gezeigt, dass die Zahl der enteroendokrinen Zellen bei den Übergewichtigen signifikant niedriger war als bei Normalgewichtigen, weshalb es es zu einer verminderten Ausschüttung von Sättigungshormonen und damit zu einem veränderten Appetitverhalten komme, berichten die Forscher. Bei Übergewichtigen sei auch die Zusammensetzung der sogenannten Transkriptionsfaktoren verändert gewesen, welche für die Bildung der enteroendokrinen Zellen aus Stammzellen verantwortlich sind.
Veränderungen im Stoffwechsel bei Übergewicht
„Leider werden übergewichtige Patienten oft stigmatisiert, indem man ihnen fehlende Selbstkontrolle und mangelnde Essdisziplin nachsagt“, betont Dr. Wölnerhanssen. Die aktuellen Studienergebnisse seien jedoch ein Beleg dafür, dass Veränderungen im Stoffwechsel bei Übergewicht zweifellos ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Laut Aussage der Expertin, konnte die aktuelle Studie zeigen, dass es strukturelle Unterschiede zwischen Normalgewichtigen und Übergewichtigen gibt, die das fehlende Sättigungsgefühl von Übergewichtigen erklären könnten.
Das Schicksal der Betroffenen ist jedoch keinesfalls festgeschrieben, denn den Angaben der Forscher zufolge hat sich die Anzahl enteroendokriner Zellen und die Zusammensetzung der Transkriptionsfaktoren nach einer gewichtsreduzierenden Operation wie beispielsweise einer Magenbypass-Operation oder einer Schlauchmagen-Operation beinahe vollständig erholt. (fp)
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