„Jungbrunnen für das Immunsystem“ entdeckt
Wie die Corona-Pandemie, aber auch frühere Grippe-Wellen gezeigt haben, sind ältere Menschen besonders anfällig für Infektionskrankheiten und haben ein höheres Risiko für schwere Verläufe. Nun fand ein amerikanisches Forschungsteam heraus, warum die Immunreaktionen im Alter nachlassen. Gleichzeitig eröffnen die Erkenntnisse neue Ansätze zur Verjüngung des Immunsystems.
Forschende der University of California – Irvine (USA) haben im Rahmen einer aktuellen Studie herausgefunden, warum das Immunsystem mit zunehmendem Alter anfälliger für Infektionskrankheiten wird und wie es gelingen kann, das Immunsystem zu verjüngen und das Risiko für Infektionen zu senken. Die Ergebnisse wurden in dem hochrenommierten Fachjournal „Nature Aging“ vorgestellt.
T-Zellen verlieren im Alter an Effektivität
T-Zellen (T-Leukozyten) sind das Rückgrat unseres Immunsystems. Sie koordinieren die Immunreaktionen zur Abwehr von Infektionen. Doch ihre Effektivität nimmt mit fortschreitendem Alter ab, wodurch die Anfälligkeit gegenüber Infektionskrankheiten steigt und das Risiko für schwere Verläufe erhöht ist.
Wie die Forschungsgruppe berichtet, steigt das Risiko für schwere Auswirkungen von Infektionen ab einem Alter von 65 Jahren drastisch an. In den USA sind beispielsweise fast 90 Prozent der jährlichen Grippetoten mindestens 65 Jahre alt, obwohl diese Altersgruppe nur etwa 15 Prozent der Gesamtbevölkerung des Landes ausmacht.
Die genaue Ursache, warum sich das Immunsystem im Alter nicht mehr so gut gegen Infektionen wehren kann, war bislang im Detail unklar. Die Arbeitsgruppe der University of California konnte nun die zugrundeliegenden Prozesse aufklären, die dazu führen, dass T-Zellen im fortgeschrittenem Alter ihre Funktion nicht mehr im vollen Umfang ausüben können.
Immunsystem könnte dauerhaft jung gehalten werden
„Durch diese Studie haben wir ein neues Verständnis dafür gewonnen, warum ältere Erwachsene anfälliger für Infektionskrankheiten sind, was uns in die Lage versetzen wird, potenzielle neue Behandlungen zu identifizieren“, erläutert Studienerstautor und Neurologie-Professor Michael Demetriou. Ihm zufolge hat sein Team einen potenziellen Jungbrunnen für das Immunsystem entdeckt.
Stoffwechselprozesse verändern sich im Alter
Den Forschenden zufolge sorgen bestimmte Prozesse, die mit der Alterung in Verbindung stehen, dafür, dass komplex-verzweigte Kohlenhydratketten, sogenannte Glykane, an Proteine angehängt werden, wodurch letztendlich die Funktion der T-Zellen gehemmt wird.
Die Zunahme solcher Glykane ist laut der Studie wiederum darauf zurückzuführen, dass sich der Stoffwechsel im Alter ändert. Ein wichtiger Zuckermetabolit namens N-Acetylglucosamin ist im Alter häufiger vorhanden. Dieser Metabolit beeinflusst den Signalweg des T-Zell-Zytokins Interleukin-7.
Interleukin-7 ist das wichtigste Zytokin
Zytokine sind vom Immunsystem gebildete Botenstoffe. Sie sind die Abwehrreaktion auf Entzündungsprozesse, Erreger wie Bakterien und Viren sowie auf entartete Zellen, die zu Krebs führen können. Die Interleukine sind eine Untergruppe der Zytokine. Sie sind an zahlreichen Immunreaktionen beteiligt und ermöglichen unter anderem die Kommunikation zwischen Leukozyten.
Nach derzeitigem Wissensstand ist Interleukin-7 das wichtigste und am umfassendsten untersuchte Zytokin. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Erhaltung der Gesundheit und der Vorbeugung von Krankheiten. Immunschwächen sind häufig auf einen angeborenen Mangel an Interleukin-7 zurückzuführen.
Mehrere neue Ansätze zur Verjüngung des Immunsystems
Die Arbeitsgruppe konnte unter anderem belegen, dass die verzweigten Glykane mit dem Alter bei Frauen stärker zunehmen als bei Männern. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sehen in der Hemmung dieses Prozesses eine Möglichkeit, das Immunsystem jung zu halten.
Bei Mäusen ist dies bereits gelungen. Eine Umkehrung des Glykane-Anstiegs führte bei älteren weiblichen Mäusen dazu, dass Salmonellen-Infektion bei den Tieren weniger schwer verliefen. „Dies deutet auf mehrere potenzielle neue therapeutische Ziele hin, um alte T-Zellen zu revitalisieren“, folgert Professor Demetriou.
Zum einen könne beispielsweise eine Veränderung der verzweigten Glykane herbeigeführt oder zum anderen auf die altersbedingte Erhöhung von N-Acetylglucosamin sowie auf die Interleukin-7-Signalisierung eingewirkt werden. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Mkhikian, H., Hayama, K.L., Khachikyan, K. et al. Age-associated impairment of T cell immunity is linked to sex-dimorphic elevation of N-glycan branching. Nat Aging 2, 231–242 (2022). https://doi.org/10.1038/s43587-022-00187-y, nature.com
- UCI: New study from UCI reveals how to rejuvenate the immune system of elderly people and reduce their risk of infectious disease (veröffentlicht: 11.04.2022), som.uci.edu
- Deng Chen, Ting-Xuan Tang, Hai Deng, et al.: Interleukin-7 Biology and Its Effects on Immune Cells: Mediator of Generation, Differentiation, Survival, and Homeostasis; in: Frontiers in Immunology (2021), frontiersin.org
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.