Verbindung zwischen Gleichgewichtssinn und Lebenserwartung
Wenn Menschen ab dem mittleren Alter nicht mehr für einen Zeitraum von zehn Sekunden auf einem Bein stehen können, ist dies laut einer aktuellen Studie mit einem fast doppelt so hohen Risiko für einen Tod innerhalb der nächste zehn Jahre verbunden.
In der Studie unter Beteiligung von Fachleuten der University of Sydney wurde untersucht, ob sich aus dem Stehen auf einem Bein über einen Zeitraum von zehn Sekunden Rückschlüsse auf die Mortalität ziehen lassen. Die Ergebnisse wurden in dem „British Journal of Sports Medicine“ veröffentlicht.
Über 1.700 Menschen nahmen an der Studie teil
Die Analyse der Forschenden umfasste 1.702 Teilnehmende, welche bei ihrer ersten Kontrolluntersuchung zwischen Februar 2009 und Dezember 2020 im Alter von 51 bis 75 Jahren waren, wobei das durchschnittliche Alter bei 61 Jahren lag. 68 Prozent der teilnehmenden Personen waren Männer.
Das Team führte an den Teilnehmenden Messungen des Gewichts, der Hautfaltendicke und des Taillenumfangs durch. Zusätzlich machten die teilnehmenden Personen auch Angaben zur ihrer Krankengeschichte. Letztendlich wurden nur Menschen in die Studie mitaufgenommen, welche einen stabilen Gang aufwiesen.
Wie wurde der Gleichgewichtstest durchgeführt?
Die Fachleute baten die Teilnehmenden innerhalb der Untersuchung darum, dass diese sich zehn Sekunden auf ein Bein stellen.
Zur besseren Standardisierung des Tests wurden die Teilnehmenden gebeten, die Vorderseite des freien Fußes auf die Rückseite des gegenüberliegenden Unterschenkels zu platzieren, während die Arme an der Seite gehalten und der Blick geradeaus gerichtet sein sollte. Insgesamt hatten alle Teilnehmenden drei Versuche pro Fuß.
Gleichgewichtssinn bleibt lange erhalten
Anders als die aerobe Fitness, die Muskelkraft und die Beweglichkeit bleibt das Gleichgewicht bis zum sechsten Lebensjahrzehnt relativ gut erhalten, bevor es relativ schnell nachlässt, erläutern die Forschenden in einer Pressemitteilung.
In der Untersuchung zeigte sich, dass etwa einer von fünf Teilnehmenden (20,5 Prozent) nicht in der Lage war den Gleichgewichtstest zu bestehen. Dabei nahm die Unfähigkeit zum erfolgreichen Abschließen des Tests mit dem Alter zu und verdoppelte sich etwa im Abstand von fünf Jahren ab dem Alter von 51 bis 55 Jahren, berichtet das Team.
Insgesamt konnten knapp fünf Prozent der 51- bis 55-jährigen Teilnehmenden nicht zehn Sekunden auf einem Bein stehen. Dies betraf auch acht Prozent der 56- bis 60-jährigen Teilnehmenden, 18 Prozent der 61- bis 65-Jährigen und knapp 37 Prozent der 66- bis 70-Jährigen.
Mehr als die Hälfte (etwa 54 Prozent) der Menschen im Alter von 71 bis 75 Jahren war nicht in der Lage den Test erfolgreich zu absolvieren, berichten die Forschenden weiter. Anders ausgedrückt sei in dieser Altersgruppe die Wahrscheinlichkeit, den Test nicht zu bestehen, mehr als elf mal so hoch wie bei 20 Jahre jüngeren Personen gewesen.
Ursachen für vorzeitigen Tod der Teilnehmenden
Während des durchschnittlichen Beobachtungszeitraums von sieben Jahren verstarben 123 Teilnehmende (sieben Prozent). Die Ursache für den Tod war laut den Forschenden bei 32 Prozent Krebs, bei 30 Prozent eine Herz-Kreislauf-Erkrankung, bei neun Prozent Atemwegserkrankungen und bei sieben Prozent COVID-19-Komplikationen.
Bei den Todesursachen der Teilnehmenden zeigten sich keine Unterschiede zwischen denjenigen, die den Test absolvieren konnten, und Personen, welche nicht dazu in der Lage waren. Es gab auch keine klaren zeitlichen Trends bei den auftretenden Todesfällen, fügt das Team hinzu.
Allerdings war der Anteil der Todesfälle bei Menschen, welche den Test nicht bestanden, deutlich erhöht. 17,5 Prozent dieser Personen verstarben, während lediglich 4,5 Prozent der Teilnehmenden verstarben, welche den Test bestanden, berichten die Fachleute.
Vorliegende gesundheitliche Probleme in der Studie
Teilnehmende, die den Test nicht abschließen konnten, wiesen laut den Forschenden im Allgemeinen eine schlechtere Gesundheit auf. So sei beispielsweise ein höherer Anteil fettleibig gewesen und/oder habe unter Herzkrankheiten, Bluthochdruck gelitten und ungesunde Blutfettprofile aufgewiesen.
Außerdem litten die Teilnehmenden, welche nicht auf einem Bein stehen konnten, rund dreimal so häufig an Typ-2-Diabetes (38 Prozent gegenüber 13 Prozent), so das Forschungsteam.
84 Prozent erhöhtes Risiko für Tod innerhalb von zehn Jahren
Letztendlich zeigte sich in der Untersuchung, dass die Unfähigkeit, zehn Sekunden lang ohne Unterstützung auf einem Bein zu stehen, mit einem um 84 Prozent erhöhten Risiko verbunden ist, innerhalb des nächsten Jahrzehnts an einer beliebigen Ursache zu versterben, erläutert das Team.
Gleichgewichtstest als Standarduntersuchung
Die Forschenden betonen, dass der Gleichgewichtstest über zehn Sekunden ein schnelles und objektives Feedback für Menschen und medizinisches Fachpersonal in Bezug auf das statische Gleichgewicht liefere. Zusätzlich biete der Test auch nützliche Informationen in Bezug auf das Mortalitätsrisiko bei Männern und Frauen mittleren und höheren Alters. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Claudio Gil Araujo1, Christina Grüne de Souza e Silva, Jari Antero Laukkanen, Maria Fiatarone Singh, Setor Kunutsor, et al.: Successful 10-second one-legged stance performance predicts survival in middle-aged and older individuals; in: British Journal of Sports Medicine (veröffentlicht 21.06.2022), British Journal of Sports Medicine
- BMJ: Inability to stand on one leg for 10 seconds in mid to later life linked to near doubling in risk of death (veröffentlicht 21.06.2022), BMJ
Wichtiger Hinweis:
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