Welchen Einfluss hat Stress auf die Alterung?
Wenn es um unsere Langlebigkeit geht, scheint Stress ein wichtiger Faktor zu sein. Die Ergebnisse einer neuen Studie legen nahe, wie Stress die in unseren Chromosomen eingebaute biochemische Körperuhr beeinflussen kann.
Bei der aktuellen Untersuchung der University of Warsaw wurde festgestellt, wie genau sich auftretender Stress auf unsere Alterung auswirkt. Die Ergebnisse der Studie wurden in der englischsprachigen Fachzeitschrift „Ecology Letters“ veröffentlicht.
Zusammenhang zwischen Stress und Langlebigkeit
Altern ist für alle Lebewesen unvermeidlich, aber warum werden manche Menschen wesentlich älter als andere Personen? Wenn ältere Menschen zu Gründen für ihre Langlebigkeit befragt werden, geben sie oft an, dass ihr stressfreier, sorgloser Lebensstil eine wichtige Rolle spielt.
Stress beeinflusst in Chromosomen eingebaute biochemische Körperuhr
Die neue Studie zeigt Faktoren, welche einen der wichtigsten Aspekte des Alterungsprozesses beeinflussen, und zwar auf der grundlegenden Ebene unserer DNA. Die Ergebnisse verdeutlichen, wie genau Stress die in unseren Chromosomen eingebaute biochemische Körperuhr beeinflusst.
Was passiert mit der DNA wenn sich Zellen teilen?
Die DNA schwimmt nicht frei im Zellkern, sondern ist in Chromosomen organisiert. Wenn sich eine Zelle teilt und eine Kopie von sich selbst herstellt, muss sie eine Kopie ihrer DNA anfertigen. Aufgrund der Art und Weise, wie dieser Prozess abläuft, geht allerdings immer ein winziger Teil an einem Ende jedes DNA-Moleküls verloren.
Telomere schützen Chromosomenenden
Um lebenswichtige Teile der DNA davor zu schützen, dass sie bei dem Prozess verloren gehen, sind die Enden der Chromosomen mit sogenannten Telomeren bedeckt. Diese werden bei aufeinanderfolgenden Zellteilungen nach und nach abgebaut.
Wirkt sich der Tod von einzelnen Zellen auf die Langlebigkeit aus?
Dieser allmähliche Verlust der Telomere wirkt wie eine zelluläre Uhr: Mit jeder Replikation werden sie kürzer, ab einem bestimmten Punkt werden sie zu kurz und zwingen die Zelle in einen programmierten Todesprozess. Eine Schlüsselfrage ist, was dieser Prozess, der sich auf zellulärer Ebene abspielt, tatsächlich für unsere Sterblichkeit bedeutet. Ist das Schicksal einzelner Zellen wirklich so wichtig für unsere Langlebigkeit?
Faktoren für das menschliche Altern
Die Zellalterung ist nur eine von vielen Komponenten des Alterns. Der allmähliche Verfall unseres Körpergewebes und das irreversible Absterben unserer Zellen sind für die auffälligsten Folgen des Alterns verantwortlich, wie beispielsweise den Verlust der körperlichen Leistungsfähigkeit und den Verfall des Bindegewebes.
Was beeinflusst den Verlust von Telomeren?
Eine weitere entscheidende Frage ist: Gibt es Faktoren, welche den Verlust unserer Telomere beschleunigen oder verlangsamen? Bislang sind unsere Antworten auf diese Frage unvollständig. Studien haben Einblicke in mögliche Mechanismen gegeben, die darauf hindeuten, dass Dinge wie Infektionen oder die zusätzliche Energieaufwendung für eine Schwangerschaft die Telomerverkürzung und die Zellalterung beschleunigen könnten.
Was führt zu Stress in unseren Zellen?
Faktoren, welche unsere Alterung beeinflussen könnten, scheinen alle eines gemeinsam zu haben: Sie verursachen physiologischen Stress. Anders ausgedrückt: Unsere Zellen werden gestresst, wenn ihre biochemischen Prozesse gestört sind, entweder durch einen Mangel an Ressourcen oder aus einem anderen Grund.
Müdigkeit und Angstgefühle spielen eine wichtige Rolle
Aber auch andere Arten von Stress haben einen Einfluss. Müdigkeit und Überanstrengung führen zu chronischem Stress, ebenso wie das Gefühl von Angstzuständen über längere Zeiträume. Schlafmangel oder emotionaler Stress können die internen Zellbahnen, einschließlich der Telomerfunktion, verändern.
Auswirkungen von Stress auf Alterung bei Tieren wurden untersucht
Vor diesem Hintergrund stellte sich die Frage, ob verschiedene Arten von Stress die Alterungsrate von Menschen tatsächlich beschleunigen. Viele Studien haben sich bereits mit diesem Problem an bestimmten Arten, wie Mäusen, Ratten und verschiedenen Fisch- und Vogelarten beschäftigt.
Telomerverlust wird durch Stress stark beeinflusst
Die vorhandenen Erkenntnisse über alle bisher untersuchten Wirbeltierorganismen wurden nun zusammengefasst. Das sich dabei abzeichnende Bild deutet klar darauf hin, dass der Telomerverlust durch Stress stark beeinflusst wird. Bei ansonsten gleichen Bedingungen beschleunigt Stress tatsächlich den Telomerverlust und die innere Zelluhr, berichten die Forschenden.
Welche Arten von Stress wirken sich besonders stark aus?
Die Art des auftretenden Stresses hat einen wichtigen Einfluss. Die mit Abstand stärkste negative Auswirkung wird durch Infektionen aufgrund von Erregern, Konkurrenz um Ressourcen und intensive Investitionen in die Fortpflanzung verursacht. Andere Stressfaktoren, wie beispielsweise schlechte Ernährung und das Leben in der Stadt beschleunigen ebenfalls die Zellalterung, wenn auch in geringerem Maße.
Oxidativer Stress und seine Auswirkungen
Was bringt Stress dazu, einen so starken Einfluss auf die Zelluhr auszuüben? Gibt es einen einzigen oder viele Mechanismen dafür? Die Forschenden identifizierten oxidativen Stress als einen möglichen Mechanismus. Wenn Zellen gestresst sind, manifestiert sich dies oft durch eine Anhäufung von oxidierenden Molekülen wie zum Beispiel freien Radikalen. An den freiliegenden Enden unserer Chromosomen gelegen, sind Telomere perfekte Angriffspunkte für diese chemisch reaktiven Moleküle.
Ist oxidativer Stress der Auslöser der beschleunigten Alterung?
Die Analyse deutet darauf hin, dass dieser oxidative Stress unabhängig von der Art des erlebten Stresses der eigentliche biochemische Prozess sein könnte, der Stress und Telomerverlust miteinander verbindet. Weitere Forschung zu diesem Thema ist jetzt erforderlich. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Marion Chatelain, Szymon M. Drobniak, Marta Szulkin: The association between stressors and telomeres in non‐human vertebrates: a meta‐analysis, in Ecology Letters (Abfrage: 06.01.2020), Ecology Letters
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.