Studien: Fettleibigkeit und Diabetes offenbar vererbbar
Es ist lange bekannt, dass sich werdende Mütter gesund ernähren und nicht rauchen sollen, um gesundheitliche Risiken für das Kind zu vermeiden. Allerdings zeigen wissenschaftliche Studien mittlerweile, dass dies lange nicht ausreicht. Bereits der Lebensstil vor der Zeugung kann die Nachkommen beeinflussen.
Werdende Eltern sollten schon vor der Zeugung gesund leben
Dass werdende Mütter möglichst gesund leben sollen, um ihr Kind nicht zu gefährden, ist lange bekannt. So gibt es Empfehlungen, was in der Schwangerschaft auf den Speiseplan darf oder auch nicht. Zudem gilt grundsätzlich ein Tabak- und Alkohol-Tabu. („https://www.heilpraxisnet.de/naturheilpraxis/fatale-folgen-alkohol-tabu-fuer-muetter-ist-vielen-unbekannt-2015053137364“) Allerdings weisen wissenschaftliche Studien mittlerweile darauf hin, dass das Befolgen dieser Ratschläge nicht ausreicht. Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, schlagen auch das Essverhalten des Vaters vor der Zeugung und der Lebenswandel der Eltern insgesamt auf den Nachwuchs durch. Fettleibigkeit (Adipositas) und Typ-2-Diabetes können demnach vererbt werden. Zudem wird das Asthma-Risiko von Kindern erhöht, wenn die Väter während der Zeugung Raucher waren.
Weitervererbung von Generation zu Generation
Wie es heißt, ändern sich die Gene durch das Rauchen oder durch fette und ungesunde Ernährung zwar vermutlich nicht selbst, doch die Wirkweise und Regulation bestimmter Gensequenzen wird beeinflusst – und diese epigenetischen Faktoren sind ebenfalls erblich. Thomas Meitinger, Leiter des Instituts für Humangenetik am Münchner Uni-Klinikum rechts der Isar, erklärte in der Agenturmeldung: „Es gibt keine Zweifel, dass es von Generation zu Generation eine Weitervererbung nicht nur der reinen Gen-Sequenzen, sondern auch der Gen-Regulationsbandbreite gibt.“ Dies hätten Tierversuche belegt. Studien beim Menschen seien wesentlich schwieriger, nicht zuletzt wegen der langen Generationszeiten.
Mütterlicher Einfluss bei Übergewicht größer
Bisher wurde von Wissenschaftlern vor allem der Einfluss der väterlichen Seite untersucht. Allein schon deshalb, weil Spermien leichter zu gewinnen und untersuchen sind als Eizellen. Eine nun im Fachmagazin „Nature Genetics“ veröffentlichte Studie mit Mäusen weist nach, dass der mütterliche Einfluss bei Übergewicht und ernährungsbedingtem Diabetes noch größer ist als der väterliche. „Was die Eltern zum Zeitpunkt vor der Schwangerschaft für eine Konstitution haben, spielt auf die nächste Generation über“, erläuterte der Initiator der Studie und Direktor des Institut für Experimentelle Genetik (IEG) am Helmholtz Zentrum München, Martin Hrabě de Angelis.
Fettreiche Ernährung des Vaters mit negativen Auswirkungen
Zwar sei die Faustformel „dicke Eltern, dicke Kinder“ bekannt, doch das Argument vieler Dicker, es liege „an den Genen“ wurde allzu oft als Ausrede gewertet. „Jetzt ist klar, dass das auch wirklich über die Keimzellen vermittelt wird“, so Hrabě de Angelis. „Der Effekt ist zumindest im Tierversuch massiv.“ Er sagte weiter: „Das könnte eine weitere Ursache für die epidemieartige Zunahme von Diabetes Typ-2 sein.“ Der Anstieg weltweit lasse sich nämlich durch die Veränderung der DNA selbst kaum erklären. „Dazu schreitet der Anstieg zu schnell voran.“ Erst vor wenigen Monaten hatten US-amerikanische Forscher im Fachjournal „Science“ über eine Untersuchung mit Mäusemännchen berichtet, die zeigte, dass eine fettreiche Ernährung des Vaters den Stoffwechsel der Nachkommen negativ beeinflussen kann. Bereits zuvor hatten Wissenschaftler aus Kopenhagen gezeigt, dass die Anfälligkeit für Übergewicht auch bei Menschen an die nächste Generation weitergegeben werden kann. Die Forscher fanden in beiden Fällen epigenetische Veränderungen in Spermien, die zum Beispiel die Regulierung von Genen zur Steuerung von Appetit betrafen.
Auch Kinder von Ex-Rauchern haben höheres Asthma-Risiko
Des Weiteren zeigte eine Studie der norwegischen Universität in Bergenwies, dass Kinder von Ex-Rauchern ein erheblich höheres Asthma-Risiko haben und zwar selbst dann, wenn die Väter lange vor der Zeugung mit dem Laster aufhörten. Demnach erhöhten diejenigen, die vor der Zeugung über zehn Jahre rauchten, das Asthmarisiko ihrer Kinder um 50 Prozent. Die Wissenschaftler in München verwendeten laut dpa nun Tiere, die aufgrund fettreicher Nahrung übergewichtig geworden waren und einen Typ-2-Diabetes entwickelt hatten. Wie berichtet wird, wurden ihre Nachkommen mit Hilfe der künstlichen Befruchtung gezeugt und von Leihmüttern ausgetragen. So waren Faktoren wie die Ernährung des Embryos in der Gebärmutter einer stoffwechselgestörten dicken Mutter, aber auch deren Verhalten in der Schwangerschaft und beim Säugen ausgeschlossen. „Wir sehen, dass es einen massiven Einfluss in die nächste Generation gibt, der nur über die Keimzellen vermittelt werden kann. Und wir sehen unterschiedliche Effekte, was die mütterliche und die väterliche Seite betrifft“, sagte Hrabě de Angelis.
Guter Lebenswandel zahlt sich für die Nachfahren aus
Der Studienleiter Johannes Beckers meinte, schon Darwin habe in seinen Theorien zu Vererbung und Evolution die Möglichkeit eingeschlossen, dass Eltern im Laufe ihres Lebens erworbene Eigenschaften an ihre Nachkommen weitergeben könnten. Es wird auch angenommen, dass selbst psychische Belastungen wie Kriegstraumata oder Verbrechen über das Erbgut in der nächsten Generation weiterleben. US-Wissenschaftler von der Emory University School of Medicine in Atlanta zeigten vor einigen Jahren an Mäusen, dass Negativ-Erlebnisse von Großeltern auf das Verhalten und zentrale Nervenstrukturen der Enkel wirken. Die tierischen Enkel erben die psychische Belastung.
Per Elektroschock lernten die Nager, dass der Geruch von Acetophenon Ungutes verheißt. Wie die Forscher berichteten, zuckten auch die Enkel bei dem süßlichen Geruch, obwohl sie keine Elektroschocks erhielten. Wirkt sich ungesundes Verhalten der Eltern über die Generationen aus, müsste es im Umkehrschluss ja heißen: Ein guter Lebenswandel zahlt sich für die Nachkommen aus. Epigenetische Vererbung ist anders als genetische Vererbung prinzipiell reversibel. Bei entsprechendem Lebensstil könnten Fettleibigkeit und Diabetes Typ 2 also über die Generationen wieder abnehmen. Hrabě de Angelis meinte: „Das gibt Hoffnung.“ (ad)
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