Vergeben nach einem Seitensprung oder anderen Vertrauensbrüchen hilft beiden Seiten
07.11.2014
Nach einer tiefen Verletzung der eigenen Gefühl zu vergeben, fällt vielen Menschen äußerst schwer. Sie können dem Gegenüber sein Fehlverhalten nicht verzeihen, was wiederum die eigene Seele anhaltend belastet. Dies gilt auch für das Beziehungsleben. Kränkungen, Lügen und Seitensprünge führen hier oftmals zu derartigen Gefühlsverletzungen und Vertrauensbrüchen, dass eine Trennung nicht mehr zu verhindern scheint. Vergebung ist an dieser Stelle ein entscheidender Faktor, um auch die Krisen einer Beziehung zu bewältigen.
Vor allem die Folgen einer Affäre sind für die betroffenen Paare in der Regel extrem weitreichend. „Das Vertrauen ist zerstört“ und die Paare zeigen häufig Symptome, wie sie auch nach einem Verkehrsunfall auftreten, berichtet der Leiter der Psychotherapieambulanz der Technischen Universität Braunschweig, Christoph Kröger gegenüber „Welt Online“. Die grundsätzlichen Annahmen über die Beziehung, den Partner und die eigene Rolle seien plötzlich zerfallen. Vergebung falle schwer, der Alltag ist vergiftet und dem Seitensprung folge häufig die Trennung oder Scheidung.
Reden und Gesten als Basis für Vergebung
Um aus tiefer Überzeugung heraus zu vergeben, braucht es „Zeit und den Willen, sich den Verletzungen aktiv zu stellen“, wird der Leiter der evangelischen Lebensberatung in Bremen, Ulrich Leube, zitiert. In seiner Einrichtung ist Leube relativ häufig mit ehelicher Untreue konfrontiert. Ein erster Schritt auf dem Weg zum Verzeihen, sei hier das Gespräch selbst, um der Verletzung Raum zu geben. „Doch vor dem Vergeben steht die echte Veränderung, nicht nur das Reden darüber“, zitiert „Welt Online“ den Bremer Lebensberater weiter. Gesten und Handlungen, die zeigen, dass es ernst gemeint ist, seien hier ein wichtiges unausgesprochenes Signal. Auch in der Psychotherapieambulanz der Technischen Universität Braunschweig versuchen Christoph Kröger und Kollegen Paaren in Krisenzeiten bei deren Bewältigung zu helfen. Im Gespräch werde zum Beispiel ermittelt, welche Gründe für Kränkungen vorliegen oder warum jemand auch nach Jahren noch Rachegefühle hat, berichtet Kröger.
Vergebung nicht immer möglich
Paare, die sich konsequent auf die Therapie einlassen, können auf diesem Wege wieder Vertrauen aufbauen, so Kröger. Auch Leube betont, dass die seelischen Wunden verheilen können, wenn die Betroffenen mit dem Geschehenen abschließen. Dies helfe beiden Seiten. Denn Vergebung entlaste sowohl denjenigen, der die Verletzung verursacht hat, als auch die Betroffenen. „Vergebung ist eine große Stärke und heißt auch: Ich werde selbst frei von dem Einfluss, den die Verletzung auf mich hat“, zitiert „Welt Online“ den Lebensberater. Allerdings sei dies manchmal nicht möglich, denn „Vergebung kann es nicht immer und nicht um jeden Preis geben“, so Leube weiter. Als Beispiel für solche Fälle nennt er unter anderem seelische und sexuelle Gewalt.
Vergebung im christlichen Glauben fest verankert
Im christlichen Glauben spielen Schuld und deren Vergebung eine zentrale Rolle. Dies spiegelt sich auch in dem bekanntesten Gebet des Christentums, dem Vaterunser, wider. „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“, so die Formulierung. Hierzu wird der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Renke Brahms, von „Welt Online“ mit der Aussage zitiert, dass Vergebung möglich sei, „in der Familie genauso wie in der Gesellschaft.“ Der Weg dahin bleibe zuweilen jedoch lang und die Beteiligten müssten sich vorab zunächst besinnen. Als besonderer Tag solcher Besinnung diene in der evangelischen Kirche der Buß- und Bettag, an dem eine „kritische Lebensbilanz und Neuorientierung“ erfolgen sollen, „die nötig sind, um sich aussöhnen zu können“, zitiert „Welt Online“ den EKD-Friedensbeauftragten. Für die Versöhnung seien schließlich Gesten von besonderer Bedeutung. Beispielsweise habe der Kniefall von Willy Brandt in Warschau mehr zur Versöhnung beigetragen, als Worte es gekonnt hätten. Als weiteres Beispiel nennt der Theologe die Wahrheits- und Versöhnungskommission, die nach dem Ende der Apartheid in Südafrika installiert wurde und erstmals einen Raum bot, um über die Verbrechen während der Apartheid zu sprechen.
Vergebungskompetenz erlernen?
Auch bestimmte Rituale sind bei der Überwindung von Verletzungen laut Lebensberater Leube mitunter hilfreich. Beispielweise habe er Klienten schon geraten, das Verletzende auf einem Zettel in Worte zu fassen, wird Leube von „Welt Online“ zitiert. Das Nachrichtenportal berichtet unter Berufung auf eine Umfrage von TNS Emnid weiter, dass der christliche Glaube offenbar einen positiven Einfluss auf die Fähigkeit zur Vergebung habe. Bei der Befragung von 1.400 Männern und Frauen habe sich gezeigt, dass ein gemeinsam gelebter Glaube im Alltag mit einem guten psychischen Wohlbefinden und einem ausgeprägten Wohlwollen dem Partner gegenüber einhergehe. Allerdings sei „Vergebungskompetenz“ noch kein Allgemeingut, weshalb Vergebung als Unterrichtsstoff in der Erwachsenenbildung oder in Kursen zur Ehevorbereitung eingeplant werden sollte, zitiert „Welt Online“ das Fazit der Studienautoren. Denn letztlich verspricht die Vergebung auch Erleichterung für die eigene Seele. (fp)
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