Was Musik mit unserem Gehirn macht
Viele kennen diesen Moment, wenn wir im Auto oder auf dem Sofa sitzen oder ein Konzert besuchen und dann plötzlich unser Lieblingslied gespielt wird. Die Musik lässt die Nackenhaare zu Berge stehen, löst Gänsehaut aus, ein angenehmer Schauer läuft uns den Rücken herunter und Erinnerungen an vergangene Erlebnisse springen in den Kopf. Neurowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler untersuchten kürzlich, was es mit diesem Phänomen auf sich hat.
Forschende der französischen Université de Bourgogne Franche-Comté in Besançon haben festgestellt, dass die jeweilige Lieblingsmusik bei rund jeder zweiten Person regelmäßig eine Art Schüttelfrost auslöst, der das Belohnungssysteme im Gehirn aktiviert. Die Ergebnisse wurden kürzlich im Fachjournal „Frontiers in Neuroscience“ präsentiert.
Musik löst einen messbaren Schauer aus
Das Forschungsteam um Thibault Chabin hat die Gehirne von 18 französischen Teilnehmenden mithilfe einer Elektroenzephalografie (EEG) untersucht. Alle Probandinnen und Probanden gaben zuvor an, regelmäßig eine Art von Schauer zu empfinden, wenn ihre Lieblingsmusik gespielt wird. Während die Probandinnen und Probanden an das EEG angeschlossen waren, wurde die jeweilige Lieblingsmusik vorgespielt.
Das Durchschnittsalter der 11 weiblichen und 7 männlichen Teilnehmenden betrug 40 Jahre. Allen Probandinnen und Probanden wurden 15 Minuten lang Auszüge aus den Lieblingsliedern vorgespielt. Insgesamt wurden 305 „Schüttelfrostgefühle“ dokumentiert, die im Durchschnitt 8,75 Sekunden anhielten.
Musik stimuliert zahlreiche Hirnregionen
Jedes mal, wenn die Teilnehmenden den von der Musik ausgelösten Schauer empfanden, konnten die Forschenden eine elektrische Aktivität im sogenannten orbitofrontalen Kortex dokumentierten. Die Gehirnregion ist maßgeblich an der Verarbeitung von Emotionen beteiligt. Zusätzlich wurden durch das Hören eine Region im Mittelhirn, die an der motorischen Bewegungskontrolle beteiligt ist, sowie der rechte Temporallappen stimuliert, der für die auditorische Verarbeitung und die musikalische Wahrnehmung verantwortlich ist.
Die Kombination führt zu einem Glücksrausch
Wie die Forschenden berichten, führt die gemeinsame Aktivierung dieser Hirnregionen zu einer Ausschüttung von Dopamin – einem Hormon und Neurotransmitter, der ein Wohlgefühl erzeugt. „Die Tatsache, dass wir dieses Phänomen mit dem EEG messen können, bringt Möglichkeiten für Studien in anderen Zusammenhängen, in natürlicheren Szenarien und innerhalb von Gruppen mit sich“, erläutert Forschungsleiter Chabin. Dies sei eine gute Perspektive für die kommende Erforschung von an Musik gekoppelten Emotionen.
Musik löst tief verwurzelte Mechanismen aus
„Das Faszinierendste ist, dass Musik für uns keinen biologischen Nutzen zu haben scheint“, kommentiert das Forschungsteam. Dennoch lasse der Einschluss des Belohnungssystems bei der Verarbeitung von Musik auf eine angestammte Funktion im Gehirn schließen. „Musikvergnügen ist ein sehr interessantes Phänomen, das es verdient, weiter erforscht zu werden, um zu verstehen, warum Musik so lohnend ist, und um herauszufinden, warum Musik im menschlichen Leben unentbehrlich ist“, resümiert Chabin. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Université de Bourgogne Franche-Comté: Your favorite music can send your brain into a pleasure overload (veröffentlicht: 03.11.2020), eurekalert.org
- Thibault Chabin, Damien Gabriel, Tanawat Chansophonkul, et al: Cortical Patterns of Pleasurable Musical Chills Revealed by High-Density EEG; in: Frontiers in Neuroscience, 2020, frontiersin.org
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.