Post-Covid-Syndrom: immer noch ein mysteriöses Krankheitsbild
Unter Long-Covid oder Post-Covid werden Langzeitbeschwerden zusammengefasst, die nach einer Infektion mit dem Coronaviurs SARS-COV-2 auftreten können. Bislang ist wenig darüber bekannt, welche Personengruppen besonders gefährdet sind, welche Symptome zu dem Syndrom gehören oder wie lange die Beschwerden anhalten. Ein belgisch-österreichisches Forschungsteam hat nun die aktuell verfügbaren Erkenntnisse zusammengetragen, um das Krankheitsbild genauer abzugrenzen.
Forschende des Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) analysierten in Zusammenarbeit mit dem Belgian Health Care Knowledge Center (KCE) die aktuelle Datenlage zu Long-Covid. Dabei wertete die Arbeitsgruppe 28 Studien zu dem Thema aus. Die Metaanalyse soll ein deutlicheres Krankheitsbild zeichnen. Zum Beispiel zeigte sich, dass vor allem Menschen mit schweren COVID-19-Verläufen dazu neigen, Long-Covid zu entwickeln. Der vollständige Projektbericht kann auf der Webseite des AIHTA eingesehen werden.
Was ist Long-Covid?
Die meisten Menschen überstehen COVID-19 in rund zwei Wochen. Einige Patientinnen und Patienten klagen nach einer überstandenen Infektion jedoch Monate später noch über Beschwerden wie Erschöpfung, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Bluthochdruck, Geruchs- und Geschmacksstörungen oder Atemwegsprobleme. Diese Langzeitbeschwerden werden unter dem Namen Long-Covid zusammengefasst.
Um das Krankheitsbild genau einzugrenzen haben die Forschenden 28 Studien zu dem Thema analysiert und die Erkenntnisse zusammengefasst. Die Übersichtsarbeit soll verdeutlichen, wie hoch die Prävalenz von Long-Covid ist, welche Symptome wie häufig vorkommen und welche Risikofaktoren das Auftreten begünstigen.
Schwere COVID-19-Verläufe begünstigen Long-Covid
„Schwere COVID-19-Verläufe gehen den Studien zufolge häufiger mit Long-Covid einher“, berichtet Studienleiterin Sarah Wolf vom AIHTA. In den verfügbaren Studien traten bei 39 bis 72 Prozent der stationär aufgenommen COVID-19-Betroffenen Langzeitbeschwerden nach der Genesung auf. Die Patientinnen und Patienten bemerkten die Symptome ein bis drei Monate nach der akuten SARS-COV-2-Infektion.
Langzeitbeschwerden bei milden Verläufen seltener
Bei ambulant behandelten COVID-19-Betroffenen kam es deutlich seltener zu Langzeitbeschwerden. Je nach Studie schwankte die Prävalenz zwischen fünf und 36 Prozent. Zudem scheinen die Nachwirkungen der milden Verläufe schneller abzuklingen.
Während 60 Prozent der hospitalisierten COVID-19-Betroffenen mit Langzeitbeschwerden auch sechs Monate nach der Infektion noch unter Müdigkeit, Erschöpfung, kognitiven Beeinträchtigungen und/oder Atemwegsproblemen leiden, berichten nur 13 bis 25 Prozent der ambulant behandelten COVID-19-Betroffenen mit Langzeitbeschwerden über Symptome, die über sechs Monate hinaus anhalten.
Long-Covid: Welche Symptome treten am häufigsten auf?
Innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der akuten SARS-COV-2-Infektion berichten die meisten Patientinnen und Patienten mit Langzeitbeschwerden von
- Müdigkeit und Erschöpfung (bis zu 98 Prozent),
- Kurzatmigkeit (bis zu 93 Prozent),
- Kopfschmerzen (bis zu 91 Prozent),
- Brustschmerzen (bis zu 89 Prozent),
- kognitiven Schwierigkeiten (bis zu 86 Prozent),
- Husten (bis zu 34 Prozent)
Drei bis sechs Monate nach der akuten SARS-COV-2-Infektion berichten die meisten Personen mit anhaltenden Langzeitbeschwerden über
- Müdigkeit und Erschöpfung (bis zu 78 Prozent),
- kognitive Beeinträchtigungen (bis zu 55 Prozent),
- Atemwegsproblemen (bis zu 21 Prozent).
Potenzielle Risikofaktoren für Long-Covid
Das weibliche Geschlecht ist einigen Studien zufolge möglicherweise ein Risikofaktor für Long-Covid. Frauen scheinen häufiger unter Langzeitbeschwerden nach einer SARS-COV-2 zu leiden. „Der Unterschied der Erkrankungshäufigkeit zwischen Männern und Frauen könnte aber auch andere Gründe als das biologische Geschlecht und die damit im Zusammenhang stehende Immunantwort haben“, gibt Studienleiterin Sarah Wolf zu bedenken. Sie verweist auf andere Studien, die gezeigt haben, dass Frauen häufiger einen schlechten Gesundheitszustand angeben als Männer.
Zudem scheint das Auftreten einer hohen Anzahl von Symptomen während der akuten Krankheitsphase die Wahrscheinlichkeit für Langzeitbeschwerden zu erhöhen. Bei Patientinnen und Patienten, die während der Behandlung beatmet werden mussten, traten Langzeitbeschwerden im Schnitt häufiger auf. Auch das Alter könnte Long-Covid begünstigen. Dies muss aber per se nicht der Fall sein, betont die Arbeitsgruppe.
Krankheitsbild immer noch nicht eindeutig
Die genauen Ursachen und Risikofaktoren, welche zur Entwicklung von Long-Covid-Symptomen führen, sind laut dem aktuellen KCE- und AIHTA-Bericht nicht bekannt. „In den Studien wird nicht zwischen Long-Covid-Symptomen aufgrund von Organschäden und anderen Ursachen unterschieden“, verdeutlicht Wolf. In zukünftigen Studien müsse daher eine genauere Charakterisierung und Klassifizierung von Long-Covid-Symptomen und deren Ursachen erfolgen. Dies sei die Grundlage, um effizientere Behandlungsstrategien und -richtlinien zu gestalten.
Bessere Abgrenzung muss erfolgen
Darüber hinaus sei es derzeit noch nicht möglich Long-Covid von ähnlichen Krankheitsbilder wie dem „Post-Intensive-Care-Syndrom“ abzugrenzen oder von psychischen Problemen, die beispielsweise als Folgewirkung der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung wie dem Lockdown auftreten. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Austrian Institute for Health Technology Assessment GmbH: Was bislang über Long-Covid bekannt ist (veröffentlicht: 06.08.2021), idw-online.de
- Wolf, S. und Erdös, J. for the Belgian Health Care Knowledge Center (KCE). Epidemiology of long COVID: a premilinary report. Deutsche Kurzfassung zum gleichnamigen KCE-Bericht. AIHTA Projektbericht Nr. 135a; 2021., eprints.aihta.at
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.