Neuartiges Antibiotikum gegen resistente Erreger
Zahlreiche der heute verwendeten Antibiotika wurden auf der Basis von Naturstoffen entwickelt. Forschende berichten jetzt, dass optimierte Naturstoffe gegen resistente Erreger, die zu Lungenerkrankungen führen können, helfen könnten.
Forschende der Pädiatrischen Infektiologie des LMU Klinikums München haben zusammen mit Kolleginnen und Kollegen der Justus-Liebig-Universität Gießen sowie des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie (IME), Institutsteil Bioressourcen, die hervorragende Wirksamkeit eines weiter optimierten, neuartigen Antibiotikums gegen resistente gramnegative Erreger gezeigt. Ihre Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Microbiology Spectrum“ veröffentlicht.
Antibiotika verfehlen immer öfter ihre Wirkung
Wie es in einer Mitteilung des LMU Klinikums München heißt, verfehlen Antibiotika immer öfter ihre Wirkung.
Das Problem der antimikrobiellen Resistenz (AMR) bei Bakterien stellt die Gesundheitssysteme weltweit vor enorme Herausforderungen, zumal es längst nicht mehr nur herkömmliche Antibiotika betrifft.
Das zeigt sich auch am Beispiel chronischer Lungenerkrankungen: Selbst neue Medikamente sind häufig wirkungslos für die Behandlung von Infektionen, die von sogenannten gramnegativen Erregern wie Pseudomonas aeruginosa, einem relevanten Erreger der Lungenentzündung, verursacht werden – eine erhebliche Gefahr insbesondere für immunsupprimierte Patientinnen und Patienten.
Um Betroffenen helfen zu können, müssen innovative Antibiotika mit einem neuen Wirkmechanismus entwickelt werden.
Antibiotikum gegen gramnegative Erreger
Einem Forschungsteam der Pädiatrischen Infektiologie des LMU Klinikums München, der Justus-Liebig-Universität (JLU) und des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie (IME), Institutsteil Bioressourcen in Gießen, ist es gelungen, ein neuartiges Antibiotikum zu entwickeln, das gezielt gramnegative Erreger angreift. Diese Substanzen sind aktiv gegen multiresistente Pseudomonas-Stämme.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Institut für Insektenbiotechnologie der JLU und des Gießener Fraunhofer-Instituts IME unter der Federführung von Prof. Dr. Till Schäberle haben im Rahmen der aktuellen Studie die Naturstoffklasse der Darobactine, an deren Entdeckung sie im Jahr 2019 beteiligt waren, weiter optimiert.
„Es handelt sich um neuartige Peptide, die gramnegative Bakterien an einem bislang klinisch nicht genutzten Wirkort angreifen“, erklärt Prof. Schäberle. „Bisher zeigen die Darobactine, bei sehr guter antimikrobieller Aktivität in-vivo, keine Zelltoxizität – eine Kernvoraussetzung für den Einsatz als Antibiotikum“, sagt Schäberle.
Durch biotechnologische Arbeiten im Bereich der Naturstoffforschung wurde die Produktion dieser Substanz verbessert. Vor allem sei es jetzt gelungen, neue Analoga zu generieren.
Biotechnologische Plattform
Die Gießener Forscherinnen und Forscher haben eine biotechnologische Plattform entwickelt, um die Substanzen aus der Naturstoffklasse der Darobactine herzustellen und entsprechend zu verändern.
Sie optimierten die Substanzen und testeten die Moleküle zusammen mit einem Team im Dr. von Haunerschen Kinderspital am LMU Klinikum München gegen multiresistente Erreger, die von Patientinnen und Patienten mit Cystischer Fibrose (CF) stammen.
PD Dr. Ulrich von Both, pädiatrischer Infektiologe und Wissenschaftler am LMU Klinikum München, der nach neuen Behandlungsoptionen bei teils schwerstkranken Patientinnen und Patienten sucht, erklärt:
„Gegen multiresistente gramnegative (MRGN) Erreger wirken nur noch die letzten Reserveantibiotika. Insbesondere bei der wichtigen unterstützenden antibiotischen Behandlung von Cystischer Fibrose bedeutet dies oft ein deutlich erhöhtes Risiko an toxischen Nebenwirkungen für die Patientinnen und Patienten.“
Hoffnung auf eine erfolgreiche Behandlung
Laut von Both könnten die neuen Forschungsergebnisse ein wichtiger Schritt sein, der langfristig Hoffnung auf eine erfolgreiche Behandlung auch von Patientinnen und Patienten mit CF macht. Bei der Mukoviszidose, so der geläufigere Krankheitsname, handelt sich um eine angeborene Stoffwechselkrankheit, die zu den häufigsten Erbkrankheiten zählt.
„Jeder zweite hier untersuchte von CF-Patientinnen und -Patienten isolierte Pseudomonas-Keim ist bereits gegen die neuen Reserveantibiotika-Kombinationspräparate Ceftazidim/Avibactam und Ceftolozan /Tazobactam resistent. Der Wirkstoff Cefiderocol war nur noch gegen zwei Drittel der Isolate in vitro wirksam“, erläutert Mitautorin Laura Kolberg aus München.
Dr. Michael Marner aus Gießen ist dennoch zuversichtlich: „Dahingegen ist die neue Substanzklasse der Darobactine sehr vielversprechend, da sie nicht nur gegen Pseudomonas-Erreger, sondern auch gegen weitere klinisch relevante Erreger wie Klebsiella pneumoniae und Acinetobacter baumannii wirksam ist.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- LMU Klinikum München: Optimierte Naturstoffe als Schlüssel zur Behandlung bei chronischer Lungenerkrankung?, (Abruf: 06.02.2023), LMU Klinikum München
- Marner M, Kolberg L, Horst J, Böhringer N, Hübner J, Kresna ID, Liu Y, Mettal U, Wang L, Meyer-Bühn M, Mihajlovic S, Kappler M, Schäberle TF, von Both U: Antimicrobial Activity of Ceftazidime-Avibactam, Ceftolozane-Tazobactam, Cefiderocol, and Novel Darobactin Analogs against Multidrug-Resistant Pseudomonas aeruginosa Isolates from Pediatric and Adolescent Cystic Fibrosis Patients; in: Microbiology Spectrum, (veröffentlicht: 24.01.2023), Microbiology Spectrum
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.