Durchbruch bei der Behandlung von Lungenkrebs in Aussicht
Rauchen kann bekanntlich Lungenkrebs verursachen, aber es gibt auch viele Menschen, die Lungentumore entwickeln, obwohl sie niemals im Leben geraucht haben. Jetzt wurden neue Möglichkeiten zur Behandlung des Lungekrebs bei nicht rauchenden Personen identifiziert, die dazu führen könnten, dass bis zu 92 Prozent der Fälle mit Präzisionsmedikamenten behandelbar sind.
Eine aktuelle Analyse unter Beteiligung der Washington University School of Medicine in St. Louis deutet darauf hin, dass 78 Prozent bis 92 Prozent der Lungenkrebsfälle bei Menschen, die nie geraucht haben, mit Präzisionsmedikamenten behandelt werden können, die auf bestimmte Mutationen im Tumor abzielen. Die Ergebnisse sind in der englischsprachigen Fachzeitschrift „Journal of Clinical Oncology“ nachzulesen.
Rolle von Treibermutationen?
Die Fachleute stellten fest, dass die meisten Lungentumore von niemals rauchenden Personen sogenannte Treibermutationen aufwiesen (spezifische Fehler in der DNA), welche das Tumorwachstum antreiben und die mit einer Reihe von Medikamenten blockiert werden können. Zum Vergleich: Bei rauchenden Menschen weist nur etwa die Hälfte der Tumore solche Treibermutationen auf.
„Die meisten genomischen Studien über Lungenkrebs haben sich auf Patienten konzentriert, die in der Vergangenheit geraucht haben. Und selbst Studien, die die Krankheit bei Patienten untersuchten, die nie geraucht haben, haben nicht systematisch nach spezifischen, verwertbaren Mutationen in diesen Tumoren gesucht. Wir haben festgestellt, dass die große Mehrheit dieser Patienten genetische Veränderungen aufweist, die Ärzte heute mit bereits zugelassenen Medikamenten behandeln können“, erläutert Studienautor Professor Dr. Ramaswamy Govindan in einer Pressemitteilung.
Schlüsselmutationen mit hochwertiger Biopsie feststellen
Betroffene Personen müssen nach Ansicht des Experten eine qualitativ hochwertige Biopsie erhalten, um sicherzustellen, dass genügend genetisches Material vorhanden ist, um Schlüsselmutationen zu identifizieren. Die Wahrscheinlichkeit sei groß, dass diese Personen eine verwertbare Mutation aufweisen, welche mit spezifischen Therapien behandelt werden kann.
Unterschiede in den Lungentumoren festgestellt
Die Forschenden analysierten die Lungentumore von 160 Menschen mit Lungenadenokarzinom, welche in der Vergangenheit nicht geraucht hatten. Außerdem verglichen sie die Daten dieser Personen mit den Daten von rauchenden und nicht rauchenden Teilnehmenden aus dem Cancer Genome Atlas und dem Clinical Proteomic Tumor Analysis Consortium.
Der Nichtraucherstatus wurde überprüft, indem die Mutationsmuster bei diesen Menschen untersucht und mit Mutationsmustern in Lungenkrebs von Personen verglichen wurde, die geraucht hatten. In der Vergangenheit hatte sich bereits in Studien gezeigt, dass die Lungentumore von Rauchern etwa zehnmal so viele Mutationen aufweisen wie die Lungentumore von Menschen, die niemals geraucht hatten.
Rauchen verändert Tumorzellen
„Tabakrauchen führt zu charakteristischen Veränderungen in den Tumorzellen, so dass wir nach verräterischen Anzeichen für das Rauchen oder Anzeichen für eine starke Belastung durch Passivrauchen suchen können”, erläutert Professor Dr. Govindan.
„Aber nur sehr wenige Tumore dieser Patienten wiesen diese Anzeichen auf, so dass wir überprüfen konnten, ob es sich wirklich um eine Stichprobe von Lungenkrebstumoren bei Patienten handelte, die nie geraucht hatten oder stark dem Tabakrauch ausgesetzt waren“, fügt der Mediziner hinzu.
Mutationen von Geburt an?
Das Team stellte fest, dass nur etwa sieben Prozent dieser Personen Anzeichen dafür aufwiesen, dass bei ihrer Geburt Mutationen vorhanden waren, welche das Krebsrisiko erhöhten – entweder vererbt oder zufällig entstanden.
„Es scheint etwas Einzigartiges an Lungenkrebs bei Menschen zu geben, die nie geraucht haben. Wir haben keine größere Rolle für vererbte Mutationen gefunden, und wir sehen keine Hinweise auf eine große Anzahl von Mutationen, die auf eine Belastung durch Passivrauchen hindeuten würden“, erläutert Professor Dr. Govindan.
Krebs betrifft häufiger Männer
Etwa 60 Prozent dieser Tumore würden bei Frauen und 40 Prozent bei Männern auftreten. Krebs betreffe im Allgemeinen häufiger Männer, trotzdem trete Lungenkrebs bei niemals rauchenden Menschen aus ungeklärten Gründen häufiger bei Frauen auf. Es sei möglich, dass weitere Gene an der Veranlagung zu dieser Art von Krebs beteiligt sind, aber bisher sei einfach noch nicht bekannt, welche das sind.
Die neue Studie wirft auch ein Licht auf die Immunprofile dieser Tumore, was erklären könnte, warum die meisten von ihnen nicht gut auf eine Art von Immuntherapie mit sogenannten Checkpoint-Inhibitoren ansprechen. Im Gegensatz zu den untersuchten Lungentumoren der rauchenden Menschen enthielten die Tumore der niemals rauchenden Menschen nur sehr wenige Immunzellen oder Immun-Checkpoint-Moleküle, welche diese Medikamente zur Krebsbekämpfung anregen.
„Die wichtigste Erkenntnis ist, dass wir bei der überwiegenden Mehrheit dieser Patienten – zwischen 80 und 90 Prozent – verwertbare Mutationen identifiziert haben. Unsere Studie unterstreicht die Notwendigkeit, bei diesen Patienten qualitativ hochwertige Tumorbiopsien für klinische Genomtests zu gewinnen, damit wir die besten zielgerichteten Therapien für ihre individuellen Tumore identifizieren können“, fügt Professor Dr. Govindan hinzu. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Siddhartha Devarakonda, Yize Li, Fernanda Martins Rodrigues, Sumithra Sankararaman, Humam Kadara, et al.: Genomic Profiling of Lung Adenocarcinoma in Never-Smokers; in: Journal of Clinical Oncology (abgefragt 01.10.2021), Journal of Clinical Oncology
- Washington University School of Medicine: Most cases of never-smokers’ lung cancer treatable with mutation-targeting drugs (veröffentlicht 30.09.2021), Washington University School of Medicine
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.