Im Oktober 1918 lud die Vereinigung für Angewandte Botanik in Hamburg zu einem ungewöhnlichen Festessen ein. Auf Tischdecken aus Lupinenfaser wurden gereicht: Lupinensuppe, Lupinenbeefsteak in Lupinenöl gebraten gefolgt von Lupinenkäse und einem kräftigen Lupinenschnaps zum Abschluss. Dieses schwer lupinenlastige Menü war ein dezenter Hinweis an die Politik, dass in der hübschen gelb-, weiß- und blau-blühenden Pflanze ein gigantisches Potenzial steckt. Doch der Nachkriegsmangel an Lebensmitteln und Rohstoffen war so schnell behoben, dass es nichts wurde aus dem großflächigen Anbau in Deutschland, auf den die Botaniker gehofft hatten.
Dabei besitzen die bohnenähnlichen Samen der Lupine absolute Starqualitäten, die eigentlich locker für den großen Durchbruch reichen müssten. Ihr Eiweißgehalt reicht mit 35 Prozent und mehr fast an den der Sojabohne heran, sie enthält bis zu 10 Prozent Öl und dazu beachtliche Mengen an den Vitaminen A1, B1 und B2. Lupineneiweiß kann sogar die Cholesterinwerte verbessern, zumindest, wenn man es in großen Mengen isst. Auch im Anbau ist sie pflegeleicht. Den benötigten Stickstoff sammelt sie aus der Luft und sie wächst problemlos auf leichten Sandböden, auch in kühlen Klimaten.
Dass die Lupine dennoch eher als hübsche Blume an Autobahnauffahrten auffällt, als durch großflächigen Anbau, hat mit einigen speziellen Eigenschaften zu tun, die bei Landwirten nicht gut ankommen. So fallen die Erträge meist recht bescheiden aus und sind dazu noch sehr schwankend. Noch gravierender ist ihre Anfälligkeit für die sogenannte Brennfleckenkrankheit, durch die sich die ohnehin bescheidenen Erträge nochmals halbieren können. Dennoch basteln Agrarwissenschaftler weiter an der Karriere der anspruchslosen Hülsenfrucht.
So gelang es inzwischen, Süßlupinen ohne Bitterstoffe zu züchten, die früher durch aufwändige Verfahren entfernt werden mussten. Auch im Kampf gegen die Brennfleckenkrankheit war man erfolgreich, zumindest für die Blaue Lupine gibt es mittlerweile resistente Sorten. Das ist auch der Grund, warum heute fast ausschließlich Blaue Lupinen angebaut werden.
Vielversprechend sind auch Entwicklungen der Lebensmittelindustrie. Das hochwertige Eiweiß eignet sich ideal als Fleischersatz, etwa für Wiener Würstchen, Leberwurst oder Lyoner und könnte theoretisch auch Soja als Grundlage für Tofu ersetzen. Sogar ein Lupinen-Eis hat es in die Tiefkühltruhen deutscher Supermärkte geschafft. Bei anderen Produkten wartet man allerdings noch auf eine stärke Nachfrage durch die Verbraucher, obwohl Experten dem Eiweiß einen hervorragenden Geschmack bescheinigen.
Aber offensichtlich ist in den letzten Jahren etwas in Gang gekommen. Nach jahrzehntelangem Rückgang der Anbauflächen setzen Landwirte seit zwei Jahren wieder auf die Lupine, vor allem in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Allein im letzten Jahr stiegen die Anbauflächen um fast 40 Prozent im Vergleich zu 2014 auf etwa 30.000 Hektar. Das ist im Vergleich zu Weizen oder Mais nicht viel, aber vielleicht der Anfang des großen Durchbruchs der Lupine. Verdient hätte sie es. Jürgen Beckhoff, aid
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