Ein 13-jähriges Mädchen stirbt nach zwölf Jahren an Masern-Folgeerkrankung
21.10.2011
Im Nordrhein-Westfälischen Bad Salzuflen ist ein 13jähriges Mädchen an der Folgen einer Masern-Infektion verstorben. Im Alter von nicht mal einem Jahr hatte sich das Mädchen nach Angaben der behandelnden Ärzte mit den Masern-Viren infiziert und litt in Folge an einer chronischen Masern-Gehirnentzündung (SSPE). Die subakute sklerosierende Panenzephalitis, wie die Folgekrankheit heißt, ist eine seltene Komplikation nach einer Maserninfektion, die Entzündungen des Hirns mit schwersten Schäden an den Nervenbahnen nach sich zieht. Bis heute ist die genaue Entstehung der Folgeerkrankung nicht abschließend geklärt. Vermutet wird, dass Mutationen der Viren eine gewichtige Rolle spielen.
Spätfolge einer Masern-Infektion
Die Erkrankung tritt meist erst Monate oder Jahre nach einer Maserninfektion auf. Die durchschnittliche Erkrankungsrate beträgt sieben Jahre. Allerdings ist der Verlauf bis dahin schleppend, weshalb die Infektionskrankheit zu den „Slow Virus Infekten“ gehört. Im ersten Stadium sind Demenz-ähnliche Zustände zu beobachten. In der zweiten Phase kommen Muskelkrämpfe und epileptische Anfälle hinzu. Im dritten Erkrankungsstadium ist das Gehirn bereits stark geschädigt, die Betroffen fallen dann meist in ein Koma. Die Krankheit gilt als unheilbar und endet fast immer tödlich. Die Häufigkeit des Auftretens ist allerdings sehr selten. In der medizinischen Literatur wird eine ungefähre Komplikationsrate von 1 zu 10.000 Masern-Infekten angegeben. Die Fälle haben allerdings nach der Einführung der Masern-Impfungen seit 1980 stark abgenommen, da insgesamt die Infektionsrate sank
Der Leidensweg der kleinen Patientin begann bereits im Jahre 1999. Im Alter von sechs Monaten steckte sich das Mädchen nach Angaben der Eltern in einer Kinderarztpraxis an. „Ein Junge war dort aufgrund einer Masern-Erkrankung in Behandlung“, so die Mutter gegenüber der Presse. Im Verlauf der Krankheit entwickelte sich die gefürchtete Masern-Gehirnentzündung. „Eines Tages hatte Natalie Fieber und Husten. Dann war sie wieder gesund, ein normales, fröhliches Kind“, berichtete die Mutter. In der dritten Schulklasse litt das Mädchen plötzlich an Konzentrationsschwierigkeiten. Die Ärzte in der Klinik sagten zu den Eltern, sie können dem Kind nicht mehr helfen, es gebe keine Behandlungsmöglichkeiten mehr. Also nahmen sie das Kind mit nach Hause. Im späteren Verlauf wurde das kleine Mädchen immer schwächer und fiel schließlich in ein Wachkoma. Vor einigen Tagen verstarb sie an schwerem Organversagen.
Folgeerkrankung tritt meistens bei Kindern und Jugendlichen auf
Die SSPE tritt am häufigsten bei Kinder und Jugendlichen auf, die bereits vor ihrem zweiten Lebensjahr an Masern erkrankten. "Einziger Schutz ist die vorbeugende Impfung", erklärte Martin Terhardt vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. Der Arzt ist auch Mitglied der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (RKI), die in Deutschland Impfempfehlungen an Eltern und Ärzte aussprechen. Allerdings können Kinder erst am dem 12. Lebensmonat gegen Masern geimpft werden. Um Babys zu schützen, sollten sie bis dahin in einer sogenannten „durch-geimpften“ Umgebung aufwachsen. Das bedeutet, dass Eltern und Geschwister bereits geimpft sein sollten.
Infektionsrate in Deutschland
Die Ansteckungsrate in Deutschland schwankt von Jahr zu Jahr. Im vergangenen Jahr 2010 wurden dem Robert-Koch-Institut insgesamt 780 Masern-Fälle gemeldet. Bis zum September haben sich im laufenden Jahr 2011 bereits 1564 Kinder und Erwachsene mit dem viralen Infekt infiziert. Eine besonders hohe Erkrankungsrate wird derzeit in dem Bundesland Baden-Württemberg vermeldet. Masern sind eine hochansteckende Krankheit, betont der Kindermediziner Günther Dettweiler. "Wenn ein Infizierter spricht, hustet oder niest und eine ungeimpfte Person mit den Tröpfchen in Kontakt kommt, ist eine Infektion sehr wahrscheinlich“. Eine deutliche Absage erteilt der Arzt den sogenannten „Masern-Partys“: Solche Zusammenkünfte von Eltern und Kindern sind „absolut verantwortungslos“. Eltern richten solche „Partys“ aus, damit sich die Kinder gegenseitig anstecken und frühzeitig die Masern durchleben. Solche Treffen werden meist von Impf-Gegner veranstaltet, die vor allem mögliche Impfrisiken kritisieren und eine Imunität auf „natürliche Weise“ herstellen wollen. Denn Masern im Erwachsenenalter zeigen häufig schwerere Beschwerdebilder.
Kinderhilfe fordert weitreichende Impfgesetze
Angesichts des tragischen Falls der verstorbenen Nathalie fordert die Deutsche Kinderhilfe eine gesetzliche Pflicht zum impfen der Kinder. Kindergärten und Schulen sollten nach Meinung des Vereins nur Kinder aufnehmen, wenn diese eine Impfung nachweisen können. Der tragische Fall „widerlegt ideologische Impfgegner, Anthroposophen und Vertreter einer natürlichen Kinderheilkunde, die Masern als eine harmlose Kinderkrankheit abtun", sagte der Vorsitzende der Kinderhilfe, Georg Ehrmann.
Bis heute werden Masern-Impfungen aufgrund der möglichen Nebenwirkungen kontrovers diskutiert. Als allgemein bewiesen gilt, dass nach Impfungen Fieber, Müdigkeit, Kopfschmerzen und bei der Einstichstelle Rötungen, Schmerzen und Schwellungen auftreten können. In Einzelfällen können sich aber auch schwerwiegende Impfkomplikationen wie ausgeprägte allergische Reaktionen zeigen. Vermutet wird, dass es auch zu einer Gehirnentzündung oder einem Abfall der Blutplättchenzahl kommen kann. Die beobachteten Fälle sind jedoch sehr selten und eine Kausalität wird unter Forschern und Medizinern heftig diskutiert.
Die Todes- und damit die Komplikationsrate ist im Verhältnis gering. In Deutschland sind in diesem Jahr insgesamt zwei Menschen an Masern verstorben. Neben dem Mädchen erlag ein 26jähriger in einer Münchener Klinik an den Folgen der Krankheit. Das statistische Bundesamt berichtet, dass im Schnitt etwa ein bis zwei Todesfälle in Deutschland pro Jahr auftreten. (sb)
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Autoren- und Quelleninformationen
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