Von Joggerphimose bis Schaumbad-Zystitis: Urologische Gefahren in Sport und Freizeit
Viel Bewegung und Sport gehören fraglos zu einem gesunden Lebensstil. Doch nicht wenige Kraftsportler riskieren ̶ z. B. durch die Einnahme von Anabolika ̶ Impotenz, Unfruchtbarkeit, Nierenschäden und Brustwachstum. „Die Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) warnt seit Langem vor den Folgen des Dopings in deutschen Fitnessstudios“, sagt Prof. Dr. med. Christian Wülfing, Pressesprecher der DGU. Sport und Freizeit bergen aber auch diesseits verbotener Substanzen ungeahnte Gefahren. Zu denken sei hier an die Folgen ungeeigneter Sportbekleidung, von Wellness-Bädern oder an Trends zu Intim-Piercings und der mittlerweile sehr weit verbreiteten Intimrasur.
Der Medikamentenmissbrauch im Leistungs- und Kraftsportbereich ist nicht neu, doch auch viele Freizeitsportler haben die leistungssteigernden Präparate sowie die schmerzlindernden Medikamente für sich entdeckt. Schätzungsweise zwischen 200.000 und 400.000 Kraftsportler in Deutschland bauen auf Steroide und Anabolika; die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Die Nebenwirkungen können verheerend für den Mann sein. „Steroid-Akne, Missstimmungen bis hin zur Depression sind hier noch die mildesten Folgen des Steroidmissbrauchs“, so Prof. Wülfing.
Männer finden ihren Weg zum Urologen meist erst, wenn ihnen Brüste wachsen (die sogenannte Gynäkomastie) oder wenn Erektionsstörungen auftreten. „Das Problem des Missbrauchs von leistungssteigernden Substanzen im Sport- und Freizeitbereich ist nicht durch die Urologen und deren Aufklärungsbemühungen allein zu lösen. Hier ist vor allem die Politik gefordert, mehr für die Prävention an Schulen zu sorgen sowie die Schwarzmärkte für Anabolika auszutrocknen“, fasst Prof. Wülfing zusammen.
Wenn auch der Anabolika-Missbrauch ganz sicher das aus urologischer Sicht größte Problem im Sport- und Freizeitbereich ist, lauern dort weitere Gefahren. Eine besondere Rolle spielt dabei die Intimpflege. Das Duschen gehört nach dem Sport für die meisten Menschen zum Programm. „Tägliches Duschen mit aggressiven Seifen und die Verwendung von Intimsprays zerstören den Schutzmantel der Haut und reizen die Schleimhäute im Genital- und Analbereich. Bakterien haben so leichtes Spiel und lösen beispielsweise Harnwegsinfekte aus“, gibt PD Dr. med. Frank Oberpenning, Chefarzt der Klinik für Urologie und Kinderurologie am St. Agnes-Hospital Bocholt, zu bedenken.
Auch vor der sogenannten Schaumbad-Zystitis ̶ Blasenentzündung als Folge ausgedehnter Wellness-Bäder bei Frauen ̶ warnt der Urologe.
Ganz ähnlich verhält es sich mit der Intimrasur. Es wirkt optisch alles viel hygienischer im Genitalbereich, doch die Rasur führt zu kleinsten Verletzungen der Haut. Solche Mikroläsionen dienen vielen Viren und Bakterien als Eintrittspforten in den Körper. In der Folge kommt es z. B. sehr viel leichter zu Infektionen mit Herpes-Viren oder Humanen Papillomaviren (HPV), von denen letztere unter anderem die unangenehmen Feigwarzen oder sogar Krebs verursachen können.
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Ebenso bergen Intimpiercings manche Verletzungsgefahr bei Mann und Frau. Es kann zu Blutungen kommen, die das Infektionsrisiko erhöhen. Nerven und Schwellkörper des Penis können geschädigt werden, Kondome reißen. Aus urologischer Sicht ist Intimschmuck nicht zu empfehlen. Wer dennoch nicht darauf verzichten möchte, sollte sich der Verletzungsrisiken für sich selbst und den Partner bewusst sein.
Auch ohne Schmuck kann es beim Sport zu Reibungen und Irritationen im Intimbereich kommen, wie Fälle der sogenannten Joggerphimose zeigen. „Sie ist ein klassischer Fall von falscher Sportbekleidung. Die Joggerphimose tritt zwar lediglich in Einzelfällen auf, ist dann aber umso schmerzhafter“, weiß Dr. Oberpenning. „Nylonhosen sehen sicher trendy aus, doch führt der Stoff auf der Haut zu gesteigerter Reibung. Die Vorhaut des betroffenen Mannes kann sich in der Folge entzünden, anschwellen und die Eichel durch Narbenbildung verengen.“ Vermeidbar ist dieses Krankheitsbild, indem statt Nylon Baumwoll-Bekleidung verwendet wird.
Beim Fahrradfahren haben die meisten Männer kein relevantes Risiko, sagt DGU-Präsident Prof. Dr. med. Kurt Miller. „Wenn beim Radfahren allerdings lange Zeit Druck auf den Damm ausgeübt wird, kann das die Nerven, die auch die Schwellkörper versorgen, beeinträchtigen.“ Das könne vor allem bei Männern ein Problem werden, die länger als drei Stunden pro Woche Fahrrad fahren. Treten Taubheitsgefühle im Dammbereich auf oder strahlen diese in den Penis aus, sollte man definitiv etwas ändern, rät Prof. Miller. Maßgeblich sind etwa der Sattel und die Sitzposition. „Aber, wenn man es richtig macht, hat Fahrradfahren einen positiven Effekt auf die Potenz, denn es fördert die Durchblutung im Beckenbereich.“
Wichtig ist es, bei allen Veränderungen im männlichen Genitalbereich einen Urologen aufzusuchen. Nicht immer sind solche Probleme schmerzhaft, wie im Falle einer Phimose oder einer Hodenprellung durch Stoßverletzungen beim Fußball oder Hockey. „Von Selbstversuchen mit Kühlakkus rät die Deutsche Gesellschaft für Urologie generell ab, denn der Penis und insbesondere die Hoden sind sehr empfindlich gegenüber Temperaturen, sodass selbst mit haushaltsüblichen Eisakkus bereits nach kürzester Zeit Erfrierungserscheinungen drohen können“, ergänzt Prof. Wülfing abschließend und verweist auf die 68. DGU-Jahrestagung, welche vom 28.09. bis 01.10.2016 in Leipzig stattfinden wird. Dort erwarten die Besucher des öffentlichen DGU-Patientenforums am 01.10.2016 zwischen 10:30 Uhr und 12:30 Uhr weitere Informationen zu urologischen Erkrankungen. DGU- und Kongresspräsident Prof. Miller lädt daher bereits heute alle Interessierten herzlich zu dieser Veranstaltung ins Congress Center Leipzig ein. (pm)
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