Experten streiten über Für und Wider des Screening-Programms
29.07.2014
Sollten Frauen im Rahmen der Früherkennung von Brustkrebs eine Mammografie durchführen lassen, oder besser nicht? Die Untersuchung, welche an speziellen Röntgengeräten erfolgt, galt jahrelang als das Nonplusultra in der Brustkrebsvorsorge. Doch mittlerweile herrscht eine kontroverse Diskussion über das Für und Wider des Screening-Programms zur Früherkennung, welches sich an alle Frauen zwischen 50 und 69 Jahren richtet: Während die einen weiterhin der Ansicht sind, das das Screening Leben retten könne, befürchten die anderen, dass es am Ende Frauen sogar eher schaden könne.
Deutschen Krebshilfe empfiehlt Mammografie als sinnvolle Maßnahme zur Früherkennung
Mammografie – ja oder nein? Diese Frage ist bereits seit längerem Gegenstand kontroverser Diskussionen. Im Juni 2002 hatte der Deutsche Bundestag einstimmig beschlossen, in Deutschland ein qualitätsgesichertes Mammographie-Screening-Programm für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren einzuführen – auf Basis der „Europäischen Leitlinien für die Qualitätssicherung des Mammographie-Screenings". Laut der Deutschen Krebshilfe stelle die Röntgenuntersuchung der Brust „nach allen derzeit vorliegenden Daten […] für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren eine sinnvolle Maßnahme zur Brustkrebs-Früherkennung“ und werde daher neben der regelmäßigen Abtastung empfohlen. Doch Experten zweifeln den Nutzen des Screenings immer weiter an – eine schwierige Situation für Frauen, denn diese wissen am Ende oft nicht, ob sie sich für oder gegen die Untersuchung entscheiden sollen. „Viele Frauen sind momentan verunsichert“, so Gabriele Plettner von der Deutschen Krebshilfe gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“. Daher seien in erster Linie neutrale und sachliche Informationen über das Screening erforderlich, durch die sich Frauen ein umfassendes Bild über die Vor- und Nachteile machen könnten.
Weniger Werbung, mehr Information
Zu diesem Zweck plant der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) nun, die Einladung und das Merkblatt zum Mammographie-Screening vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) überarbeiten zu lassen. Dabei gehe es vor allem darum, weniger für das Screening zu werben, sondern es stattdessen jeder Frau selbst zu überlassen, zwischen den Vor- und Nachteilen der Methode abzuwägen. Ein offenbar wichtiger Schritt, denn der Kenntnisstand über das Screening scheint hierzulande bei den meisten Frauen eher gering. So hatte der aktuelle Gesundheitsmonitor der Barmer GEK und der Bertelsmann-Stiftung beispielsweise gezeigt, dass 30 Prozent der knapp 2000 befragten Frauen davon ausgingen, dass eine Mammografie vor Brustkrebs schützen könne.
„Inhalte müssen an den aktuellen medizinischen Kenntnisstand angepasst werden“
Dementsprechend hatte der Unterausschuss Methodenbewertung bereits Ende Mai 2014 beschlossen, dass das IQWiG mit der Überarbeitung beauftragt werden solle. „Der G-BA überprüft regelmäßig, welche Auswirkungen seine Entscheidungen haben und muss begründeten Hinweisen nachgehen, dass sie nicht mehr mit dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse übereinstimmen. Dabei hat sich gezeigt, dass die Inhalte des Merkblatts zum Mammographie-Screening an den aktuellen medizinischen Kenntnisstand angepasst werden müssen“, so Dr. Harald Deisler, unparteiisches Mitglied des G-BA und Vorsitzender des zuständigen Unterausschusses.
Abnahme der kompletten Brust kann durch Früherkennung verhindert werden
Doch die Überarbeitung des Merkblatts hilft nicht darüber hinweg, dass unter Experten schon länger kontrovers über die Vor- und Nachteile der Methode diskutiert wird. Als Vorteil wird häufig angeführt, dass durch regelmäßige Röntgenuntersuchungen unter höchsten Qualitätskriterien Brustkrebs in einem früheren Stadium entdeckt werden könne als durch das bislang übliche Abtasten bzw. durch Mammografien, welche keiner Qualitätskontrolle unterliegen. Würde der Krebs früh entdeckt, hätte dies wiederum zur Folge, dass häufig die Abnahme der kompletten Brust verhindert werden könne. Zudem würden sich die Heilungschancen insgesamt verbessern, denn laut der Kooperationsgemeinschaft Mammographie hätten Studien gezeigt, dass die Sterblichkeit bei den zum Screening eingeladenen Frauen um rund 20 Prozent niedriger lag als bei denen, die nicht eingeladen waren. „Bei rund 1000 Teilnehmerinnen werden durch die regelmäßige Inanspruchnahme der qualitätsgesicherten Mammographie folglich 5 Leben gerettet – und nicht 1 Leben oder gar kein Leben, wie immer wieder behauptet wird“, so Prof. Sylvia Heywang-Köbrunner, Leiterin des Referenzzentrums Mammographie München.
Mammographie kann Frauen in unnötige Angst versetzen
Dennoch kann eine Screening-Methode natürlich keine Garantie geben, dass jeder Krebs frühzeitig erkannt und geheilt wird. Stattdessen kann ein aggressiver Tumor auch trotz Erkennung durch eine Mammografie tödlich enden, ebenso besteht die Möglichkeit, dass sich ein Krebs zwischen den zweijährigen Checks entwickelt und dadurch am Ende doch erst (zu) spät entdeckt wird. Neben dem weisen Experten aber auch immer wieder auf die Nachteile der Screening-Mammographie hin, indem beispielsweise Verdachtsfälle, die sich als unbegründet herausstellen, zu unnötigen Sorgen bei den betroffenen Frauen führen. Problematisch sei es der Deutschen Krebshilfe zudem, dass manche Tumoren bei der Mammographie gar nicht entdeckt werden, zudem „werden auch Tumoren gefunden und behandelt, die nie auffällig geworden wären und deshalb auch keine Probleme bereitet hätten“, so die Krebshilfe in einer Broschüre zum Thema.
Jährlich 220 Millionen Euro Kosten
Auch die Kosten für das Screening sind für Kritiker ein wichtiges Thema, dementsprechend wird immer wieder die Frage gestellt: „Wie viel Geld dürfen Früherkennungsmaßnahmen kosten?“. Da die Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen vollständig übernommen werden, zahlen diese jährlich 220 Millionen Euro – was umgerechnet 80€ pro untersuchter Frau alle zwei Jahre bedeutet: „Für mich ist nicht mehr die Frage, ob wir die Brustkrebs-Sterblichkeit durch das Screening senken, sondern um wie viel“, so Tatjana Heinen-Kammerer, Geschäftsführerin der Kooperationsgemeinschaft Mammografie gegenüber der „dpa“.
Übertragung von Studien-Ergebnissen aus dem Ausland nicht ohne Weiteres möglich
Doch genau hier werden immer wieder andere Zahlen veröffentlicht, um entweder die Pro- oder aber die Contra-Position in der Diskussion um das Brustkrebs-Screening zu stärken. Laut dem Robert-Koch-Institut könne hierzulande von 2000 geretteten Leben im Jahr ausgegangen werden – doch gesicherte Daten gibt es dazu bislang nicht, da das Screeningprogramm erst zwischen 2005 und 2009 schrittweise flächendeckend für gesetzlich Versicherte eingeführt wurde. Auch eine Übertragung von Studien-Ergebnissen aus dem Ausland könne problematisch werden, denn die Screening-Methoden würden beispielsweise von Land zu Land teilweise stark variieren, so Tatjana Heinen-Kammerer weiter. Dementsprechend sollten sich Frauen laut der Leiterin des Krebsinformationsdienstes, Susanne Weg-Remers, von den aktuelle Interpretationen von Studie aus dem Ausland nicht verwirren lassen: „Es ist sinnvoll abzuwarten, was in rund fünf Jahren beim deutschem Mammografieprogramm rauskommt“, so die Expertin. (nr)
Autoren- und Quelleninformationen
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