Manipulationen im großen Stil: Krankenkassen lassen Ärzte bei Abrechnungen schummeln
Korruption und Betrug im Gesundheitswesen sind nicht wirklich neu. Doch was der Chef der größten deutschen Krankenkasse nun berichtet, ist kaum zu glauben. Offenbar schummeln die Kassen in großem Stil. Sie drängen Ärzte, bei Patienten mehr Diagnosen zu stellen.
Schummeleien bei Diagnosen in großem Stil
Erst vor wenigen Monaten war berichtet worden, dass wegen millionenschwerem Rezeptbetrug von Apothekern ermittelt wird. Und im Sommer hatte die AOK Bayern einen Millionenschaden durch Betrug aufgedeckt. Betrug im Gesundheitswesen ist also nichts wirklich Neues. Doch nur wird über Manipulationen in ganz großem Stil berichtet. Einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS) zufolge versuchen die deutschen Krankenkassen, über Schummeleien bei Diagnosen an mehr Geld zu kommen.
Mehr Geld aus dem Risikostrukturausgleich
Laut einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa räumte der Chef der größten deutschen Krankenkasse TK, Jens Baas, im Interview mit der FAS ein: „Es ist ein Wettbewerb zwischen den Kassen darüber entstanden, wer es schafft, die Ärzte dazu zu bringen, für die Patienten möglichst viele Diagnosen zu dokumentieren.“
Wie es heißt, gebe es dann mehr Geld aus dem Risikostrukturausgleich. „Die Kassen bezahlen zum Beispiel Prämien von zehn Euro je Fall für Ärzte, wenn sie den Patienten auf dem Papier kränker machen.“ Den Angaben zufolge gebe es sogar Verträge mit Ärztevereinigungen, die mehr und schwerwiegendere Diagnosen zum Ziel hätten.
Außerdem ließen sich die Kassen in dieser Richtung von Unternehmensberatern beraten. Dafür hätten sie seit 2014 eine Milliarde Euro ausgeben, die für die Behandlung der Patienten fehle.
Besonders intensiv schummeln regionale Kassen
Laut Baas würde diese Schummelei besonders intensiv von den regionalen Kassen betrieben. „Sie bekommen 2016 voraussichtlich eine Milliarde Euro mehr als sie für die Versorgung ihrer Versicherten benötigen“, sagte der TK-Chef der „FAS“. Der Zeitung zufolge seien dabei offenbar die Kassen der AOK gemeint.
Kassenchef nimmt TK nicht aus
Doch auch seine Kasse könne sich dem nicht entziehen. Trotzdem bekämen die Ersatzkassen, zu denen die TK zählt, in diesem Jahr 700 Millionen Euro weniger als sie ausgeben müssen. Wie es heißt, könnte der Beitragssatz der TK ohne die Manipulationen 0,3 Prozentpunkte niedriger liegen.
„Ich möchte, dass das System manipulationsresistent gemacht wird“, so Baas zur Begründung, warum er die Schummeleien seiner und der anderen Kassen nun öffentlich macht.
Regierung schürt unnötig Ressentiments
Baas kritisierte in dem Interview auch die schwarz-rote Bundesregierung, die die Beiträge im Wahljahr 2017 stabil halten wolle und den Kassen deshalb 1,5 Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfonds überweise.
Begründet werde die Milliarden-Finanzspritze mit den Kosten für die Behandlung von Flüchtlingen. Doch Baas sieht das anders: „Die Flüchtlinge sind ein vorgeschobener Grund. Das ist unverantwortlich, weil es unnötig Ressentiments gegenüber Migranten schürt“, erklärte der TK-Chef. Die Kassen hätten bislang noch fast keine Zusatzkosten, da derzeit meist noch die Kommunen die Behandlung bezahlten. (ad)
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