In Berlin und Bayern grassiert Masern-Epidemie
28.06.2013
Deutschland wird derzeit von einer Masern-Epidemie heimgesucht. Vor allem in Bayern und Berlin grassiert die Virusinfektion, an der nicht nur Kinder erkranken können. In diesem Jahr haben sich auffallend viele Erwachsene mit den Masern angesteckt. Eine Ursache ist der fehlende Impfschutz vieler Menschen. Dass die Erkrankung einen sehr schweren Verlauf nehmen kann, scheinen viele nicht wissen.
Immer mehr Erwachsene erkranken an Masern
„Masern gehören zu den Kinderkrankheiten“ denken viele. Doch die Erkrankung kann auch Erwachsene betreffen und nimmt nicht selten einen schweren Verlauf. Im schlimmsten Fall kann die Virusinfektion tödlich für den Patienten enden. Viele Experten raten deshalb zur Masern-Impfung.
Was passiert, wenn sich Menschen nicht impfen lassen, zeigt sich derzeit in Deutschland. Seit Januar diesen Jahres haben sich 686 mehr Patienten mit Masern angesteckt als im Vorjahr. Vor allem Berlin und Bayern haben mit der Epidemie zu kämpfen. Mehr als 82 Prozent der Masern-Fälle sind bislang in den beiden Bundesländern aufgetreten. In Berlin wurden 323 Fälle registriert, während es 2011 nur 160 waren. Im Jahr 2002 erkrankten lediglich zwei Patienten an Masern.
„Dieses Jahr haben sich auch besonders viele Erwachsene mit dem Masernvirus infiziert", berichtete Regina Kneiding von der Pressestelle der Berliner Senatsgesundheitsverwaltung gegenüber der „Berliner Morgenpost“. Der Senat reagierte mit einer Ausweitung seiner Impfempfehlung. Alle Berliner sollen ihren Impfschutz unabhängig vom Alter überprüfen und sich gegebenenfalls immunisieren lassen. Die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts (RKI) bezieht sich auf Erwachsene, die nach 1970 geboren wurden. Bei früheren Jahrgängen sei es wahrscheinlich, dass sie bereits an Masern erkrankt und deshalb immun seien.
Arzt könnte Baby mit Masern angesteckt haben
Jüngst machte ein Masern-Fall in der Berliner Charité Schlagzeilen. Ein Arzt könnte ein kleines Mädchen mit dem Virus ansteckt haben. Der Arzt hatte das zehn Monate alte Baby behandelt. Einige Tage später bemerkte er, dass er an Masern und nicht an einer Erkältung wie zuvor vermutet litt. Auch das Mädchen erkrankte daraufhin an der Infektionserkrankung. „Zwischen dem Kontakt mit dem betroffenen Kind und der Masern-Diagnose des Mitarbeiters lagen neun Tage. Es ist daher nicht auszuschließen, dass sich das Kind durch eine andere Person außerhalb des Krankenhauses angesteckt haben könnte“, erklärte Manuela Zingl, Sprecherin der Charité, gegenüber der Zeitung.
Dennoch stellt sich unweigerlich die Frage, wie es überhaupt dazu kommen kann, dass ein Arzt einen Patienten mit einer Infektionskrankheit ansteckt, für die ein Impfschutz verfügbar ist. Entgegen der Annahme vieler Patienten besteht in Deutschlang im Gegensatz zu vielen anderen Ländern in Europa keine Impfpflicht – auch nicht für Ärzte und Pflegepersonal. Dennoch gibt die STIKO eine Impfempfehlung für diese Berufsgruppen. „Die STIKO empfiehlt bei gegebener beruflicher Exposition allen nach 1970 Geborenen, die nicht oder nur einmal in der Kindheit gegen Masern geimpft wurden oder deren Impfstatus unklar ist, eine einmalige Impfung gegen Masern – vorzugsweise sollte ein MMR-Kombinationsimpfstoff verwendet werden. Eine berufliche Exposition kann vermutet werden bei Personen, die im Gesundheitsdienst und bei der Betreuung von Immundefizienten sowie in Gemeinschaftseinrichtungen beschäftigt sind“, heißt es in der Empfehlung. Warum der Charité-Arzt offensichtlich dennoch auf eine Schutzimpfung verzichtet hat, ist nicht bekannt.
Masern gehören zu den gefährlichsten Infektionskrankheiten
„Die Masern gehören zu den gefährlichsten Virusinfektionen, die wir überhaupt in Deutschland kennen. Deshalb sollte sich jeder impfen lassen, der keinen nachgewiesenen Impfschutz oder eine dokumentierte Maserninfektion in der Vergangenheit hat", erklärte Ulrich Fegeler, Pressesprecher des Berufsverbandes der Kinderärzte, gegenüber der Zeitung. Impfgegner „handeln aus irrationalen Gesichtspunkten. Komplikationen kann es theoretisch immer geben, doch es gibt keinen stichhaltigen Nachweis, der diese speziell für die Masern-Impfung zeigt", fügte Fegeler hinzu. „Von einem Blitzschlag getroffen zu werden oder von einem Verkehrsunfall betroffen zu sein, ist wesentlich wahrscheinlicher.“
Die Masern-Impfung erfolgt normalerweise mit einem Kombinationsimpfstoff (MMR-Impfstoff). Die erste Impfung erhalten Kinder im Alter von 12 bis 14 Monaten, die zweite im Alter von 15 bis 23 Monaten. Wie der Berufsverband der Kinderärzte informiert, hätten Schuleingangsuntersuchungen zwar gezeigt, „dass die Impfquoten gegen Masern in den letzten Jahren deutlich angestiegen sind, bisher haben aber nur die fünf- und sechsjährigen Schüler aus Mecklenburg-Vorpommern die notwendige Impfquote von über 95 Prozent für beide Impfungen gegen Masern erreicht“. Die Impfung im Kindesalter sei sehr wichtig, „denn jeder Erwachsene, der sich infiziert, kann auch zum Beispiel Säuglinge anstecken, die wir noch nicht impfen können. Und für diese kleinen Kinder können die Masern schwere Spätfolgen haben“, erläuterte Dr. Martin Lang, Vorsitzender des Landesverbandes Bayern im Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte.
Masern können schwere Krankheitsverläufe verursachen
Während Nebenwirkungen einer Masern-Impfung nur selten auftreten, kann es vor allem bei älteren und abwehrgeschwächten Patienten zu schweren Krankheitsverläufen bei Masern beispielsweise mit Lungenentzündungen kommen. Doch auch bei zuvor gesunden, jüngeren Menschen, können Masern sogar tödlich verlaufen. Die sogenannte subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE), eine generalisierte Entzündung des Gehirns mit Nerven-Entmarkung, verursacht schwerste Schäden und endet immer tödlich. Sie tritt bei etwa einem von 10.000 Patienten als Spätfolge auf. Einer von 1.000 Patienten erleidet eine Gehirnentzündung, die ebenfalls einen tödlichen Verlauf nehmen kann.
SSPE hat eine lange Inkubationszeit hat, die mehrere Jahre dauern kann. Bei Betroffenen kommt es zum Verlust der Gehirnnervenzellen, die sich in psychischen und intellektuellen Veränderungen bemerkbar machen. Im weiteren Verlauf treten epileptische Anfälle und Ausfälle wichtiger Nervenfunktionen auf bis der Patient verstirbt.
Der Fall eines kürzlich an SSPE verstorbenen 14-Jährigen aus Nordrhein-Westfalen zeigt, wie wichtig eine Masern-Schutzimpfung ist. Der Junge hatte sich im Alter von fünf Monaten im Wartezimmer eines Kinderarztes mit dem Virus angesteckt. Zu diesem Zeitpunkt war das Kind aber noch zu jung für eine Impfung. Vor allem Babys sind darauf angewiesen, dass ihre Kontaktpersonen über einen Impfschutz verfügen. „Wir wissen, dass insbesondere Säuglinge, die sich mit Masern anstecken, ein erhöhtes Risiko haben, an SSPE zu erkranken. Vermutlich ist das Immunsystem im ersten Lebensjahr noch nicht ausreichend dazu in der Lage, die gefährlichen Viren abzuwehren und ein Eindringen der Erreger ins Gehirn zu verhindern“, erläuterte Dr. Martin Terhardt vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. (ag)
Bild: seedo / pixelio.de
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