Risiko für tödliche Spätfolgen bei Masern laut Wissenschaftlern höher als zuvor angenommen
17.07.2013
Angesichts einer steigenden Zahl von Masern-Fällen in Deutschland will die Diskussion um die Einführung einer Impfpflicht nicht abreißen. Jetzt haben Wissenschaftler der Universität Würzburg und des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) herausgefunden, dass das Risiko für tödliche Spätfolgen einer Masern-Infektion deutlich höher ist als bisher angenommen. Vor allem unter einjährige Kinder seien gefährdet, da sie noch zu jung für eine Impfung seien, heißt es in der Studie. Deshalb müssten alle Erwachsenen und Kinder geimpft werden, um auch die Menschen, für die eine Impfung aus medizinischen Gründen nicht möglich ist, zu schützen, fordern die Wissenschaftler. Zu den besonders dramatischen Spätfolgen einer Masern-Infektion gehört die sogenannte sklerosierende Panenzephalitis (SSPE), eine schwere Gehirnentzündung, die immer tödlich verläuft.
Gehirnentzündung als tödliche Spätfolge der Masern
Das Risiko für tödliche Spätfolgen von Masern ist viel höher als bisher angenommen. Das zeigt eine Studie der Universität Würzburg und des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), die in der Fachzeitschrift „Plos One" veröffentlicht wurde. Demnach sind vor allem Babys gefährdet, die noch zu jung für eine Impfung sind.
Noch Jahre nach dem eigentlichen Ausbruch der Masern kann sich eine gefährliche Entzündung des Gehirns entwickeln, die sklerosierende Panenzephalitis (SSPE), die für den Betroffenen tödlich verläuft. „Die SSPE betrifft vor allem Kinder und tritt in der Regel erst mehrere Jahre nach der akuten Masern-Erkrankung auf. Sie führt zu einem schleichenden Verlust aller geistigen Fähigkeiten und endet im Wachkoma, in dem die Betroffenen nach wenigen Monaten oder auch Jahren versterben. Eine Behandlung der SSPE ist nicht möglich“, erläuterte Benedikt Weißbrich, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Virologie und Immunbiologie der Universität Würzburg.
Risiko für gefährliche Gehirnentzündung durch Masern liegt bei unter fünfjährigen Kindern bei 1 zu 1.330
Bisher gingen Experten davon aus, dass diese Spätfolge von Masern nur bei einem von 100.000 Patienten auftritt. „Neuere Studien aus Großbritannien und den USA legten jedoch nahe, dass das Risiko deutlich größer ist“, erklärte Weißbrich. Die deutschen Forscher berechneten ein durchschnittliches Risiko für Kinder unter fünf Jahren von 1 zu 1.330. Damit tritt die gefürchtete Gehirnentzündung weitaus häufiger auf als bisher angenommen.
„Wir haben SSPE-Fälle bei Kindern erfasst, die im Zeitraum zwischen 2003 bis 2009 in deutschen Kliniken behandelt worden waren“, berichtete Weißbrich. Alle Patienten waren jünger als fünf Jahre, als die Masern bei ihnen ausbrachen. Im gleichen Zeitraum wurden 42.600 Masern-Infektionen erfasst. „Unsere Studie liefert zum ersten Mal Daten zur Häufigkeit von SSPE-Fällen in Deutschland und zeigt, dass das Risiko einer SSPE bei Masern-Infektionen in den ersten Lebensjahren beträchtlich und keinesfalls zu vernachlässigen ist“, betonte der Forscher.
Eine Impfung gegen Masern hält Weißbrich deshalb für unumgänglich. Doch eine Impfung ist bei Kindern erst nach Vollendung des elften Lebensmonats möglich. „Gerade Kinder im ersten Lebensjahr, für die das SSPE-Risiko am höchsten ist, können somit durch eine Masern-Impfung nicht vor der SSPE geschützt werden“, erläuterte der Experte und ruft Eltern dazu auf, ihre Kinder unbedingt impfen lassen. „Nur wenn so viele Menschen wie möglich gegen Masern immun sind, ist es möglich, die Krankheit zu eliminieren, und damit Kinder im ersten Lebensjahr vor einer schrecklichen Krankheit zu schützen.“
Diskussion um Einführung einer Impfpflicht reißt nicht ab
Bislang wurden in Deutschland in diesem Jahr 1.040 Fälle von Masern registriert. Die Forderung nach einer Impfpflicht wird unter Gesundheitsexperten, Fachleuten und Politikern immer lauter. Eine Umfrage der Krankenkasse DAK-Gesundheit ergab zudem, dass knapp 80 Prozent der Teilnehmer die Einführung einer Pflicht zur Impfung begrüßen würden.
Experten wie Jan Leidel, Leiter der ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch.-Instituts (RKI), und Jens Ackermann, Obmann der FDP im Gesundheitsausschuss, sprechen sich jedoch gegen eine Impfpflicht aus. Es sei vor allem auch eine Frage der Konsequenzen, die den Eltern bei Nichteinhaltung drohten. Gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ fragte sich Ackermann, ob diese Eltern dann ins Gefängnis gesperrt werden sollten. Statt einer Impfpflicht befürwortet Leidel bessere Aufklärung und die Ausschöpfung anderer bestehender Maßnahmen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich zum Ziel gesetzt, die Masern bis zum Jahr 2015 in Europa auszurotten. (ag)
Bild: Sebastian Karkus / pixelio.de
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