Antibiotika in der Massentierhaltung können Arzneimittel-Resistenzen verursachen
10.07.2013
Antibiotika gehören heute genauso zur Massentierhaltung wie überfüllte Mastanlagen und zu Tode gequälte Tiere. Vor allem Mast-Hähnchen erhalten einer Studie zufolge häufig Antibiotika. Wissenschaftler der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover und der Universität Leipzig haben den Antibiotika-Verbrauch in der Nutztierhaltung untersucht und kamen dabei zu erschreckenden Ergebnissen.
Mast-Hähnchen erhalten durchschnittlich an zehn von 39 Lebenstagen Antibiotika
Im Rahmen des Projekts „VetCAb" (Veterinary Consumption of Antibiotics) haben die Forscher der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover und der Universität Leipzig in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Risikobewertung den Antibiotika-Verbrauch aus über 2000 Nutztierhaltungen für das Jahr 2011 erfasst und ausgewertet. Dabei untersuchten sie, welche Antibiotika welchen Tierarten wie häufig verabreicht wurden. Unter den Tieren waren Mast-Hähnchen, Schweine und Rinder. Die Auswertung ergab, dass der Einsatz von Antibiotika stark zwischen den Tierarten schwankt. Demnach erhalten Mast-Hähnchen durchschnittlich an zehn ihrer 39 Lebenstage Antibiotika. In der Schweinezucht werden derartige Medikamente an vier Tagen der im Schnitt 115-tägigen Mast verabreicht. Bei den Kälbern erhält etwa jedes dritte Tier eine dreitägige Antibiotika-Behandlung pro Jahr.
Der Grund für den massiven Antibiotika-Einsatz bei Mast-Hähnchen könnte sich durch die Art der Haltung der Tiere erklären, sagt Professor Dr. Lothar Kreienbrock vom Institut für Biometrie, Epidemiologie und Informationsverarbeitung an der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover. Denn ein klassischer Geflügelbetrieb habe mehrere tausend Tiere. Wenn ein Tier erkranke, könnten sich in kurzer Zeit auch alle anderen anstecken. Weder in der Schweinemast noch in der Rinderzucht würden so viele Tiere gemeinsam gehalten. Dementsprechend sei die Ansteckungsgefahr geringer, erklärt der Experte.
„Die in VetCAb ermittelten Durchschnittswerte stellen erste Orientierungswerte für die antibiotische Behandlung von Nutztieren in Deutschland dar und müssen noch detailliert weiter bewertet werden", berichten Kreienbrock und sein Kollege Professor Dr. Walther Honscha vom Institut für Pharmakologie, Pharmazie und Toxikologie der Universität Leipzig. „Zukünftig müssen weitere Daten gesammelt werden, um abschätzen zu können, ob dieser Einsatz konstant ist oder ob sich Trends zu einem geringeren Einsatz entwickeln", so die Forscher weiter.
Antibiotika in der Massentierhaltung können auch dem Menschen schaden
„Valide Daten zum Antibiotika-Verbrauch und zur Verbreitung von Resistenzen sind für die Risikobewertung von besonderer Bedeutung“, erläutert Professor Dr. Dr. Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung. „Durch gezielte Maßnahmen muss dann der Einsatz von Antibiotika auf das therapeutisch unbedingt notwendige Maß beschränkt werden."
In der Massentierhaltung werden Antibiotika nicht nur aus medizinischen Gründen sondern vielmehr zur Wachstumssteigerung eingesetzt, so dass sich die Mastzeit der Tiere verkürzt. Ein derartiger Einsatz von Medikamenten ist jedoch seit 2006 EU-weit verboten. Wenn Krankheitserreger ständig mit Antibiotika in Kontakt kommen, können sich leicht Resistenzen entwickeln, indem die Medikamente nur kurzzeitig verabreicht werden und auf diese Weise nicht alle Erreger abtöten. In der Folge entwickeln sich multiresistente Keime, die der Mensch zusammen mit Spuren von Antibiotika beim Verzehr des belasteten Fleisches aufnimmt. Im schlimmsten Fall ist dann bei einer ernsthaften Erkrankung kein Antibiotikum mehr wirksam.
Am 26. Juni 2013 hat der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat deshalb eine Änderung des Arzneimittelgesetzes (AMG) beschlossen. „Mit der Novelle des Arzneimittelgesetzes können wir die Menge der eingesetzten Antibiotika in der Tierhaltung innerhalb weniger Jahre deutlich reduzieren. Die zuständigen Überwachungsbehörden der Länder sollen dazu deutlich mehr Kontrollbefugnisse erhalten. Der Austausch zwischen den Behörden wird verbessert, die Länder können sich künftig einer bundesweiten Datenbank bedienen. So wird Transparenz über den Einsatz von Antibiotika in Mastbetrieben geschaffen“, erklärte Bundesministerin Ilse Aigner. Ob die Gesetzesänderung tatsächlich eine deutliche Absenkung des Antibiotika-Einsatzes bewirkt, bleibt abzuwarten. Denn so lange Fleisch zum Dumping-Preis angeboten wird, ist es höchst unwahrscheinlich, dass sich artgerechte Haltungsbedingungen, die auch mit höheren Kosten verbunden sind, durchsetzen. (ag)
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