Rückenmark sendet trotz Querschnittlähmung Impulse an Beine
14.01.2015
Bei Querschnittslähmung sendet das Rückenmark trotz der unterbrochenen Verbindung zur Kommandozentrale Gehirn Impulse an die Beinmuskeln. Die Abläufe funktionieren dabei ähnlich wie beim kopflosen Huhn, das im Hof herumläuft. Forscher am Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik der MedUni Wien entdeckten jüngst die Aktivierungsmuster im Rückenmark, die für das Gehen verantwortlich sind. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im renommierten Fachjournal „Brain“.
Nervenbände Rückenmark aktivieren Muskeln in den Beinen
Bei Menschen, die an einer Querschnittslähmung leiden, können trotz der fehlenden Verbindung zwischen Rückenmark und Gehirn durch elektrische Impulse eines Stimulators die Beinmuskeln aktiviert und rhythmische Bewegungen ausgelöst werden. Dafür sind Nervenbände, sogenannte Lokomotionszentren, verantwortlich. „Mittels statistischer Verfahren konnten wir eine kleine Zahl von Grundmustern identifizieren, die bewegungsbezogenen Muskelaktivitäten in den Beinen zugrunde liegen und die eine periodische Aktivierung beziehungsweise Inaktivierung der Muskeln steuern, wodurch zyklische Bewegungen wie beim Gehen erfolgen“, erläutert Studienautor Simon Danner. „Ähnlich einem Baukastensystem kombiniert das Nervennetzwerk im Rückenmark diese Grundmuster flexibel je nach Bewegungsanforderung.“
Der Hirnstamm bildet dabei die „Kommandozentrale“, die komplexen motorischen Erregungsmuster werden jedoch von Nervennetzwerken im Rückenmark erzeugt. Die meisten Wirbeltiere verfügen über solche Lokomotionszentren. Zu beobachten ist das Prinzip, dass das Rückenmark auch dann noch Impulse aussendet, wenn das Gehirn nicht mehr daran beteiligt ist, beispielsweise beim kopflosen Huhn, das auf dem Hof herumläuft. „Das Rückenmark sendet auch nach Verlust der Steuerung durch das Gehirn noch motorische Signale aus, die in Lauf- und Flügelbewegungen umgesetzt werden“, berichtet die MedUni in einer Mitteilung zur Studie.
Querschnittsgelähmte könnten von Erkenntnissen über Aktivierungsmuster für das Gehen im Rückenmark profitieren
Die Erkenntnisse der Forscher sollen unter anderem in die Rehabilitationsmedizin einfließen. Denn davon könnten Patienten profitieren, die nach einem Unfall Querschnittsgelähmt sind, indem die Nervenverbände, die nicht beschädigt sind, weiterhin durch elektrische Reize nutzbar gemacht werden. Dadurch könnten verlorene rhythmische Bewegungsmöglichkeiten teilweise wieder aktiviert werden.
In weiteren Studien soll untersucht werden, wie die Nervenverbände genau stimuliert werden müssen. Das sei unter anderem vom individuellen Verletzungsprofil abhängig, teilt die MedUni mit. Die Forscher entwickelten dafür eine weltweit einzigartige, nicht-invasive Methode zur Stimulation des Rückenmarks, die über Oberflächenelektroden funktioniert, die auf der Haut angebracht werden. „Diese Methode erlaubt einen vereinfachten Zugang zu den Nervenverbänden im Rückenmark unterhalb einer Querschnittverletzung und kann somit ohne besondere medizinische Risiken und Belastungen Querschnittsgelähmten zur Verfügung gestellt werden“, so Karen Minassian, Seniorautor der Studie. (ag)
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