Die Regierung von Hugo Chávez versprach medizinische Versorgung für alle Menschen als ein Ziel des “Sozialismus im 21. Jahrhundert”. Unter Chavéz Nachfolger Nicolás Maduro steht das Land jetzt vor dem medizinischen Zusammenbruch.
Medikamente fehlen
Acht von zehn Medikamenten gibt es auf dem offiziellen Markt nicht mehr, darunter Mittel gegen Bluthochdruck, Krebs, Schmerzen, Diabetes und Erkältung.
Absehbare Katastrophe?
Der Pharmaverband des Landes warnt seit Monaten vor einer absehbaren Katastrophe. Es fehlt an medizinischen Geräten, an Krankenhausbetten, und Babys sterben an behandelbaren Krankheiten.
Auf Facebook bitten Venezolaner um Antibiotika und Dialyse-Katheder, um Schutzmasken und Medikamente der Chemotherapie gegen Krebs.
Vermeidbarer Kindstod?
Aufsehen erregte der Fall des kleinen Oliver Sánchez. Der Junge litt am Hodgin-Lymphon, einem Krebs, der das menschliche Lymphsystem befällt. Im Februar demonstrierte er mit einem Schild, das auf seine Notlage verwies. Darauf stand: “Ich möchte geheilt werden. Frieden. Gesundheit.”
Krankenhäuser lehnten es ab, den Jungen aufzunehmen, weil sie keine Medikamente und keine freien Plätze gehabt hätten. Seine Mutter sagte, sie hätten in Venezuela keine Medikamente wie Epamin und Antibiotika bekommen.
Das Bild von Oliver ging durch die sozialen Netzwerke, und private Spenden ermöglichten eine Chemotherapie. Doch die kam zu spät; der Achtjährige starb nach zehn Tagen in der Klinik “Clinica Loira”.
Das Hodgin-Lymphon
Das Hodgin-Lymphon gehört zu den Krebsen mit guter Heilungschance. Eine Therapie, die Chemo-Behandlung und Bestrahlung verbindet, bringt sehr gute Ergebnisse bei Kindern.
Unklar ist, ob der Junge bei einer einer frühzeitigen Behandlung seines Tumors noch leben würde. Die Opposition nutzt seinen Tod jedenfalls, um gegen die Regierung zu polemisieren.
Mediziner spricht von “Holocaust der Gesundheit”
Douglas León Natera steht der Vereinigung für Mediziner in Venezuela vor. Er bezeichnet die medizinische Situation als “Holocaust der Gesundheit” und “Verbrechen gegen die Menschlichkeit”. Die Regierung Maduro hätte eine “tiefe Verachtung für die Bedürftigsten.”
Chávez Gesundheitsreform
Dabei war die Sorge um die Bedürftigsten im Fokus des Programms der „bolivarischen Revolution“: Die venezolanischen Ärzte kümmerten sich um die Jahrtausendwende kaum um die Armen in den Barrios der Großstädte.
Die Regierung Chávez schloss deshalb ein bilaterales Abkommen mit Kuba. Die Misión Médica Cubana schickte mehr als 10.000 Ärzte nach Venezuela, die in Volkspraxen, den Consultoris Poulares arbeiteten. Ziel war es, diese kubanischen Ärzte auf Dauer durch venezolanische „Volksärzte“ zu ersetzen – mittels eines neuen Studiengangs Medicina Integral Comunitaria, MIC.
Humanitäre Hilfe zwischen den Fronten
Die Opposition verstärkt den Druck auf die Regierung Maduro mit täglichen Demonstrationen. Maduro sieht die Gefahr eines Putsches und rief den Ausnahmezustand aus; die Regierung darf somit mittels Dekreten agieren.
Die Nebenwirkung: NGOs,die medizinische Hilfe leisten, kann die Regierung jederzeit des Landes verweisen, wenn Maduro sie verdächtigt, den Staat zu unterwandern. Die Aufklärung über die medizinische Notlage vor Ort lässt sich leicht als “Staatsgefährdung” definieren.
Abhängig vom Ölpreis
Hintergrund des jetzigen Not- und vorherigen Wohlstandes ist der Ölpreis: Venezuela hat die weltweit größten Ölreserven nach den Golfstaaten, ist also vom Rohstoff her das reichste Land Lateinamerikas, und der Wohlfahrtsstaat der „bolivarischen Revolution“ funktionierte in der Zeit hoher Ölpreise. Seit der Ölpreis sinkt, bricht das soziale System zusammen – Venezuela hat heute weltweit mit die höchste Inflation und steht unmittelbar vor dem Staatsbankrott.
Verschwörungstheorien
Regierung wie Opposition entwickeln Verschwörungstheorien darüber, wer am humanitären Elend schuld ist: Das “korrupte Regime” oder der “geheime Krieg der CIA”? Beides enthält vermutlich eine Teilwahrheit, die aber Kranken, denen Medikamente fehlen, gleich gültig sein dürfte.
Hilfe die Caritas?
Die Caritas Venezuela fordert jetzt, Hilfsgüter verteilen zu dürfen. Auch die Bischöfe im Grenzgebiet zu Kolumbien diskutieren mit den staatlichen Behörden, um die hier besonders leidenden Menschen versorgen zu können.
Caritas international appelliert an Regierung und Opposition, internationale humanitäre Hilfe zuzulassen. Philipp Lang, der Venezuela-Beauftragte der NGO sagt:
“Die Lebensmittel-Vorräte im Land sind weitgehend aufgebraucht, der Großteil der Bevölkerung ist dramatisch unterversorgt.”
Humanitäre Katastrophe in Sicht??
Lang befürchtet das Schlimmste: “Der Präsident muss Hilfe von außen so schnell wie möglich zulassen. Regierung und Opposition müssen in einen Dialog eintreten, um die Eskalation der Gewalt und Militarisierung zu durchbrechen. Andernfalls wird es zu einer humanitären Katastrophe kommen.” (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.