Experten betrachten jährliche Zunahme an Neuinfektionen mit Sorge
Das HI-Virus lässt sich heutzutage dank moderner Medikamente normalerweise gut kontrollieren, sodass die Lebensqualität und die Lebenserwartung durch eine Infektion in vielen Fällen nur kaum beeinträchtigt sind. Doch bei allen positiven Aspekten betrachten Experten diese Entwicklung auch kritisch. Denn durch die vermeintlichen „Sicherheiten“ kommt es schnell zu leichtsinnigem Verhalten – und in der Folge zu immer mehr Neuerkrankungen.
Erste Fälle von AIDS vor mehr als 30 Jahren
Anfang der 1980er Jahre wurden die ersten Fälle einer neuen, tödlich verlaufenden Krankheit beschrieben, die durch eine massive Schwächung des körpereigenen Abwehrsystems gekennzeichnet war. Betroffene wurden wehrlos gegenüber Krankheitserregern wie Bakterien oder Viren, die von einem gesunden Immunsystem normalerweise leicht abgewehrt werden können. Mediziner nannten das Krankheitsbild „Aquired Immune Deficiency Syndrom“ (abgekürzt: AIDS) und identifizierten kurze Zeit später das Humane Immundefekt Virus (HI-Virus) als Erreger der Krankheit.
Zuerst galt Aids als Krankheit der Homosexuellen und wurde in den ersten Jahren abwertend als “Schwulen-Pest” bezeichnet. Doch da das HI-Virus durch Blut und Sperma übertragen wird, wurde relativ schnell klar, dass eine Ansteckung jeden treffen kann. Doch die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema war lange von Vorurteilen geprägt und Betroffene wurden mit Diskriminierungen, Ausgrenzung und Stigmatisierung konfrontiert. Auch heute noch ist HIV bzw. AIDS in vielen Bereichen ein Tabu, zuletzt zeigte das Beispiel des Schauspielers Charlie Sheen, wie schwer sich Betroffene nach wie vor damit tun, ihre Erkrankung öffentlich einzugestehen. Die Begriffe sorgen bei vielen Menschen schnell für Angst und Sorge, in vielen Fällen herrscht zudem Unsicherheit und Unkenntnis über mögliche Ansteckungswege.
Neue Medikamente verhindern die Vermehrung des Virus
Dabei hat sich seit den 1980er Jahren eine Menge verändert. Das Hi-Virus ist weitreichend erforscht und dank des medizinischen Fortschritts konnte die Lebensqualität der Betroffenen erheblich verbessert werden. Denn heute helfen neue Medikamente, die Vermehrung des Virus im Körper zu verhindern, wodurch das Auftreten von AIDS hinausgezögert und Symptome gelindert werden können. Die Erkrankung ist für Außenstehende meist gar nicht erkennbar, wodurch Menschen mit HIV oft ein nahezu ganz „normales“ Leben ohne große Einschränkungen leben können.
Jährlich etwa 800 AIDS-Diagnosen
Dennoch ist eine HIV-Infektion auch mehr als 30 Jahre nach ihrer Entdeckung weiterhin potenziell lebensbedrohlich. Denn geht die HV-Infektion in die chronische Erkrankung AIDS über, ist diese zwar behandelbar – aber nach wie vor nicht heilbar. Die Patienten leiden durch das immer schwächer werdende Immunsystem oft an verschiedenen, schwerwiegenden Infektionskrankheiten wie Tuberkulose oder wiederholten Lungenentzündungen, zudem steigt das Risiko für bösartige Erkrankungen wie z.B. Non-Hodgkin-Lymphome oder Gebärmutterhalskrebs. AIDS gilt dementsprechend auch heute noch als tödliche Krankheit, welche nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) hierzulande jedes Jahr etwa 800 Mal diagnostiziert wird.
Welt-Aids-Tag findet bereits zum 28. Mal statt
Umso wichtiger ist es also, die Immunschwächekrankheit immer wieder ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken und auf die Gefahr einer HIV-Infektion aufmerksam zu machen. Genau hier setzt auch der heutige „Welt-Aids-Tag“ an, der dieses Jahr bereits zum 28. Mal stattfindet. Denn weltweit leben den Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) nach etwa 35 Millionen Menschen mit HIV, von denen noch lange nicht alle Zugang zu den lebensnotwendigen Medikamenten haben und viele weiterhin Ausgrenzung und Stigmatisierung erfahren. Ein Problem, mit dem auch hierzulande Betroffene nach wie vor konfrontiert werden.
„In Deutschland leben mehr als 80.000 Menschen mit HIV/AIDS. Dank moderner Medikamente haben die meisten von ihnen mittlerweile eine fast normale Lebenserwartung. Sie können in jedem Beruf arbeiten und ihre Freizeit gestalten, wie andere auch. Man kann also heute in der Regel mit HIV gut leben – aber nicht mit Diskriminierung, die leider noch immer vorkommt“, erklärte die Leiterin der BZgA, Dr. Heidrun Thaiss anlässlich des Welt-Aids-Tags.
Doppelt so viele Neudiagnosen
Zudem scheint es, als würde in vielen westlichen Ländern immer fahrlässiger mit der Erkrankung umgegangen. Zwar haben die meisten Menschen Angst vor einer Ansteckung mit HIV, dennoch hat die Erkrankung durch die neuen Behandlungsmöglichkeiten offenbar an Schrecken verloren – was dazu führt, dass häufig nicht auf ausreichenden Schutz geachtet wird. In der Folge treten immer mehr Neuerkrankungen auf. Wie ein aktueller Bericht des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) zeigt, seien in der Europäischen Region 2014 insgesamt 142.197 Neudiagnosen gemeldet worden – die höchste Zahl neuer HIV-Fälle seit Beginn der Berichterstattung in den 1980er Jahren. Deutschland verzeichnet hier zwar mit „nur“ 3500 positiven Fällen in 2014 die niedrigste Infektionsrate in Europa, dennoch ist die Zahl doppelt so hoch wie noch um die Jahrtausendwende.
Dies zeigt wie wichtig es ist, sich vor einer Infektion zu schützen. Die größte Ansteckungsgefahr besteht beim ungeschützten Sex, denn hier kann das Virus vor allem über Blut und Sperma, aber auch über Scheidenflüssigkeit in den Körper des anderen Menschen gelangen. „Kondome bleiben die einfachste Möglichkeit sich vor HIV zu schützen, die jeder selbst anwenden kann“, so Manuel Izdebski, Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe. (nr)
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