Hautkrankheit: Krätze in Deutschland weit verbreitet
22.02.2014
Die Redewendung: „Ich krieg´die Krätze!“ kennt hierzulande fast jeder. Für viele Menschen ist die einfach dahingesagte Floskel leider unangenehme Realität. Die durch Milben verursachte Hautkrankheit wird immer häufiger diagnostiziert. Die juckende Krankheit hat jedoch nichts mit mangelnder Hygiene zu tun, wie oft vermutet wird.
Krätze befällt Obdachlose und Gutsituierte
Viele Menschen hierzulande halten die Krätze für eine ausgerottete Krankheit. Doch dass dem nicht so ist, zeigt unter anderem, dass in letzter Zeit Ärzte immer häufiger Medikamente gegen die Hautkrankheit verschreiben. Auch die Berliner Ärztin Jenny De la Torre findet fast täglich kleine Bläschen und Pusteln auf der Haut eines Patienten oder hört Klagen über starken Juckreiz. In ihrer Praxis ist Krätze, medizinisch Skabies genannt, Alltag. „Neben Läusen und der Schleppe ist sie für meine Patienten das häufigste Problem“, so die Ärztin die ausschließlich Obdachlose behandelt. Da diese oft in Gemeinschaftseinrichtungen schlafen, gelten sie als besonders gefährdet. Das Vermutung, die juckende Krankheit betreffe nur arme Leute mit mangelnder Hygiene, sei falsch. Auch Gutsituierte sind betroffen. „Die Krätze gab es immer und in allen sozialen Schichten. Auch eine sonnenbankverschmorte ‘Schöne’ kann sie bekommen", so der Hannoveraner Hautarzt Wolfgang Lensing.
Aktuelle Warnung aus Leverkusen
In Deutschland gibt es immer wieder Meldungen über Krätzeausbrüche. So etwa im Januar, als im nordrhein-westfälischen Lemgo vier Jugendliche erkrankten. Oder in der Uckermark, wo 2013 mehrere Erkrankungen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen bekannt wurden. Und ganz aktuell ist eine Warnung aus Leverkusen. Dort wurden von Räude befallene Füchse gefunden. Bei Tieren wird Krätze umgangssprachlich Räude genannt.Die Stadt warnt, dass diese Krankheit auch andere Tiere und auch Menschen befallen kann. Man wisse nicht, ob die Krätze heute häufiger auftritt als früher, da es keine belastbaren Zahlen gebe, so Prof. Hermann Feldmeier vom Institut für Mikrobiologie und Hygiene an der Charité Berlin und Mitautor eines Krätze-Ratgebers des Robert Koch-Instituts (RKI). Die durch Krätzemilben ausgelöste, ansteckende Krankheit ist in Deutschland nicht meldepflichtig. Allerdings gilt nach dem Infektionsschutzgesetz für befallene Patienten bereits bei Verdacht ein Verbot des Aufenthalts und Arbeitens in Gemeinschaftseinrichtungen.
Zunahme der Verordnungen von Krätze-Medikament feststellbar
Wenn man die Verschreibungszahlen für das Krätze-Mittel Infectoscab bei gesetzlich Krankenversicherten betrachtet, kann man zu dem Schluss kommen, dass Skabies mittlerweile sehr wohl häufiger auftritt. Im Jahr 2007 wurde die Creme 56.000 Mal verordnet, 2012 bereits 79.000 Mal. Dies geht aus Daten des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) hervor. Das WidO veröffentlicht jährlich den Arzneiverordnungs-Report. Dessen Mitarbeiter Carsten Telschow berichtet: „In den vergangenen Jahren lässt sich offenbar eine Zunahme der Verordnungen feststellen. Infectoscab war 2012 unter den meistverordneten Arzneimitteln auf Platz 1.340, im Jahr 2007 belegte es noch Rang 1.898.“ Die Creme ist demnach nicht das einzige, jedoch das am häufigsten verordnete Skabies-Medikament. Manche Betroffene würden zudem mit individuell angefertigten Rezepturen behandelt, die in der Statistik fehlten.
Schwer erkennbare Erkrankung
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gelten weltweit 300 Millionen Menschen als an der Krätze erkrankt. In Mitteleuropa kommt die Hautkrankheit dem RKI-Ratgeber zufolge als sporadische Krankheit bei Kindern, Müttern, Personen mit schwachem Immunsystem oder sexuell aktiven Erwachsenen vor. Lensing erläuterte, dass es für Ärzte, selbst in Hautkliniken, oft schwer sei, Skabies zu erkennen. Die Symptome würden oft mit Ekzemen verwechselt. Um nachzuweisen, dass nicht ein anderer Juckender Hautausschlag, sondern Krätze das Problem ist, müsse man den Körper Millimeter für Millimeter nach den kaum sichtbaren Parasiten absuchen, sie abschaben und mikroskopisch identifizieren. „Das ist in einer normalen Sprechstunde lebensfremd“, so Lensing.
Trockene Haut ist ein Risiko
Vor allem würden Milben durch engen Hautkontakt übertragen. Allerdings müsse dieser einige Minuten dauern. Wenn auch selten, sei auch eine indirekte Übertragung durch Kleidung, Bettwäsche oder Handtücher möglich. Auch Betten in Gemeinschaftsunterkünften, oder Hotels mit schnellem Nutzerwechsel könnten Krätze verbreiten. Wie Lensing mitteilte, sei auch trockene Haut ein Risiko: „Die Milben müssen eine Möglichkeit finden, sich in die obere Schicht der Hornzellen hinein zu bohren. Das ist bei trockener Haut viel einfacher.“ Wenn die Spinnentiere den Weg in die Oberhaut geschafft haben, legen die weiblichen Milben ihre Eier oder auch Kot ab. Dies löst dann den starken Juckreiz aus, welcher der Krankheit den Namen gab, die schon Napoleon geplagt haben soll.
Ursache mangelnde Hygiene ist ein Vorurteil
Die Ursache für Krätze in mangelnder Hygiene zu sehen, ist Experten zufolge ein Vorurteil. Wie es in dem RKI-Ratgeber heißt, entspreche der vermutete Zusammenhang zwischen schlechter Körperhygiene und Skabies vermutlich nicht der Wirklichkeit. Das Gegenteil könne der Fall sein: „Das größte Problem sind Leute, die eine sogenannte gepflegte Skabies haben“, so Lensing. Diese Patienten ebneten die Symptome oft mit Cremes so weit ein, dass sie kaum mehr als Krätze erkennbar seien. Bei dem anderen Extrem, der Skabies crustosa, seien die Patienten von Tausenden Milben befallen – üblicherweise fänden sich kaum mehr als zehn Tierchen irgendwo auf der Haut.
Kratzen kann zu weiteren Infektionen führen
Der Hautarzt erläuterte, dass die Krätze zwar nicht direkt gefährlich ist, aber problematische Folgen haben könne: „Beim Kratzen kann man Bakterien in die Haut eintragen, das kann zu weiteren Infektionen führen.“ Die Krankheit lässt sich gut mit Medikamenten bekämpfen. Um ein möglichst milbenfreies Umfeld zu schaffen, muss man aber nicht gleich die ganze Wohnung desinfizieren. Oft reiche es bereits, das Bettzeug abzuziehen, bei 60 Grad zu waschen und das Zimmer für einige Tage auszukühlen. „Die Milbe braucht Wärme und Nahrung, wenn man ihr das entzieht, mag sie das nicht.“ Jenny De la Torre gibt ihren Patienten neben Medikamenten zudem frische Kleidung und die Möglichkeit, sich zu duschen. „So haben wir die Krankheit meist in wenigen Tagen im Griff“, so die Obdachlosen-Ärztin. (ad)
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