Warum sich Neandertaler nicht durchsetzen konnten
Zwar lebten Neandertaler und moderne Menschen eine gewisse Zeit lang Seite an Seite und hatten auch gemeinsamen Nachwuchs, doch wie die Geschichte gezeigt hat, konnten sich erstere nicht durchsetzen. Forscher haben nun einen möglichen Grund dafür gefunden. Offenbar hatten sich nur Neandertaler-Frauen erfolgreich fortpflanzen können.
Neandertaler-Gene können Ursache schwerer Krankheiten sein
Laut wissenschaftlichen Untersuchungen trafen unsere Vorfahren und der Neandertaler vermutlich schon vor über 100.000 Jahren aufeinander. Zwischen den beiden Arten gab es wohl so manches Techtelmechtel, was dazu führte, dass Gene des Neandertalers bis heute in unserem Erbgut nachweisbar sind. Noch immer können Neandertaler-Gene Ursache schwerer Krankheiten sein. Sie werden unter anderem mit Depressionen und Herzinfarkten in Verbindung gebracht. Doch die genetischen Überbleibsel haben nicht nur Nachteile für den modernen Menschen: Neandertaler-Gene verstärken auch unser Immunsystem, wie Forscher vom Max-Planck-Institut (MPI) für evolutionäre Anthropologie in Leipzig vor kurzem in einer Mitteilung erklärten. US-amerikanische Wissenschaftler berichteten nun, dass sie einen möglichen Grund dafür gefunden haben, warum sich Neandertaler trotzdem nicht durchsetzen konnten.
Immunsystem von Schwangeren hat sich gewehrt
So sind laut einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa womöglich Neandertaler-Männer schuld daran, dass es trotz einiger Liebeleien mit modernen Menschen nicht zu mehr Nachwuchs gereicht hat. Wie ein Forscherteam um Fernando Mendez von der Universität Stanford (USA) im Fachblatt „American Journal of Human Genetics“ berichtet, könnten bestimmte Erbanlagen auf dem männlichen Geschlechtschromosom eine erfolgreiche Fortpflanzung mit dem Homo sapiens verhindert haben. Demnach hat sich möglicherweise das Immunsystem der Schwangeren unter den modernen Menschen gegen männliche Föten mit diesen Neandertaler-Genen gewehrt – mit Fehlgeburten und weniger überlebensfähigen oder fruchtbaren Nachkommen als Folge. Allerdings hat die gelegentliche Vermischung Spuren hinterlassen. Untersuchungen zufolge tragen Menschen mit Wurzeln außerhalb Afrikas noch immer zwischen etwa einem und vier Prozent Neandertaler-DNA in sich. Der Neandertaler (wissenschaftlich: „Homo neanderthalensis“) gilt seit etwa 30.000 Jahren als ausgestorben.
Erstmals Y-Geschlechtschromosom eines Neandertalers ausführlich analysiert
Während Frauen zwei X-Chromosomen besitzen, haben Männer jeweils ein X- und ein Y-Chromosom in ihrem Erbgut. Laut dpa sei in der Studie zum ersten Mal das Y-Geschlechtschromosom eines Neandertalers ausführlich analysiert worden. Wie es heißt, hatte der Mann vor 49.000 Jahren im heutigen Spanien gelebt. Der Uni Stanford zufolge sei DNA des Neandertaler-Geschlechtschromosoms nie im modernen Menschen nachgewiesen worden. Der Grund dafür seien möglicherweise die Unverträglichkeiten, wie Ko-Autor Sergi Castellano vom Leipziger Max-Planck-Institut (MPI) für evolutionäre Anthropologie erklärte. „Wegen der genetischen Unvereinbarkeiten könnte die Fortpflanzung zwischen Neandertalern und frühen Menschen weniger erfolgreich gewesen sein als innerhalb der beiden Gruppen.“ Die Folge könnten Fehlgeburten und weniger überlebensfähige oder fruchtbare männliche Nachkommen von Neandertaler und Homo sapiens gewesen sein. Castellano hob hervor, dass in diesem Bereich mehr Forschung nötig sei.
Letzte gemeinsamen Vorfahren lebten vor rund 600.000 Jahren
Nach Studienangaben lebten die letzten gemeinsamen Vorfahren vor rund 590.000 Jahren. Laut Castellano stehe dies im Einklang mit den bisherigen Angaben zwischen 400.000 und 800.000 Jahren. Wahrscheinlich seien die Veränderungen im Y-Chromosom der Neandertaler in der langen Zeit entstanden, in der die Gruppen getrennt waren. Als sie schließlich wieder aufeinander trafen, zeugten sie mehrere Male fruchtbare Nachkommen. „Jetzt müssen wir ins Labor, um den Einfluss der Mutationen auf die Fortpflanzung besser verstehen zu können“, so Castellano.
Moderner Mensch hinterließ Spuren beim Neandertaler
Eine Studie von MPI-Forschern, die vor kurzem im Fachjournal „Nature“ veröffentlicht wurde, zeigte, dass nicht nur der Neandertaler seine Gene im modernen Menschen hinterließ, sondern auch umgekehrt. So entdeckten Wissenschaftler im Genom eines Neandertalers aus dem Altaigebirge in Zentralasien Erbgutstückchen von modernen Menschen. Anhand des Alters der untersuchten Knochen und der Beschaffenheit des Erbguts konnte nachgewiesen werden, dass Neandertaler und moderne Menschen bereits vor etwa 100.000 Jahren gemeinsame Kinder hatten. (ad)
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