BGH: 97-jährige kann trotz Beleidigungen vorerst in Wohnung bleiben
Karlsruhe (jur). Beleidigt ein Betreuer einer pflegebedürftigen Frau deren Vermieterin als „Terroristen“ und „nazi-ähnlichen braunen Misthaufen“, kann dies Grund für eine fristlose Mietkündigung sein. Drohen allerdings mit der Kündigung der Wohnung „schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Lebensgefahr“, liegt ein Härtefall vor, so dass für die fristlose Kündigung nicht mehr der erforderliche wichtige Grund besteht, urteilte am Mittwoch, 9. November 2016, der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe (Az.: VIII ZR 73/16).
Im konkreten Fall wollte eine Vermieterin eine 97-jährige demente und bettlägrige Mieterin auf die Straße setzen. Die Frau wohnt bereits seit über 60 Jahren in ihrer Dreizimmerwohnung in München-Schwabing zur Miete. 1963 hatte sie zusammen mit ihrem verstorbenen Ehemann im gleichen Haus und Stockwerk zusätzlich noch eine Einzimmerwohnung angemietet.
Mit Einverständnis der Vermieterin durfte der Betreuer der dementen Frau im Jahr 2000 in der Einzimmerwohnung wohnen. Dieser kümmert sich nicht nur um die rechtlichen Angelegenheiten der bettlägrigen Frau, er pflegt sie auch ganztägig. Bedenken gegen den Mann hatte das Betreuungsgericht abgewiesen, da dieser die alte Frau „hingebungsvoll versorge“.
Doch als es immer wieder zu unpünktlichen Mietzahlungen und Lärmstörungen kam, kündigte die Vermieterin mehrfach das Mietverhältnis, ohne dies zunächst weiter zu verfolgen. Auf eine Mietkündigung aus dem Jahr 2015 reagierte der Betreuer jedoch mit einer E-Mail an die Hausverwaltung erbost und unter der Gürtellinie. Wörtlich schrieb er: „terroristen landen mindestens im knast! und ihr seid sehr feindselige und sehr gefährliche terroristen nazi ähnliche braune mist haufen auf eigener art!!!“ Die Vermieterin sei ein „schlangenkopf …, sie macht sich langsam lächerlich wie ein Affe“.
Die Vermieterin wollte sich dies nicht mehr bieten lassen. Da die 97-jährige demente Frau die Mieterin ist, erhielt sie wegen der Beleidigungen ihres Betreuers die fristlose Kündigung.
Das Landgericht München I urteilte, dass die Vermieterin sich die Beleidigungen nicht gefallen lassen muss. Die demente alte Frau müsse sich die Aussagen ihres Betreuers zurechnen lassen.
Der BGH urteilte, dass dies grundsätzlich zwar so sei. Allerdings habe das Landgericht nicht geprüft, ob mit der fristlosen Kündigung der 97-Jährigen „schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Lebensgefahr“ drohen, wenn sie nicht mehr in ihrer vertrauten Umgebung bleiben kann. Dann habe das im Grundgesetz verankerte Recht auf körperliche Unversehrtheit Vorrang.
Zwar könne die Vermieterin bei einem wichtigen Grund auch die Zustimmung widerrufen, dass die Betreuungsperson in der Einzimmerwohnung der 97-Jährigen weiter wohnt. Aber auch hier müsse geprüft werden, ob mit dem Auszug der Pflegeperson schwere Gesundheitsnachteile verbunden sind. Sei dies der Fall, könne der Auszug aus Härtefallgründen nicht verlangt werden. Dies alles muss nun das Landgericht noch einmal prüfen. fle
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