BGH: Detailliertes Lärmprotokoll muss nicht vorgelegt werden
Kinder dürfen nicht ständig in der Wohnung lärmen. Auch wenn Kinderlärm als „sozialadäquat“ anzusehen ist, gilt „das Gebot zumutbarer gegenseitiger Rücksichtnahme“, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Dienstag, 12. September 2017, veröffentlichten Beschluss (Az.: VIII ZR 226/16). Klagen Mieter iom Haus über anhaltenden wiederholten Lärm von Kindern und ihren Eltern, müsse als Beleg für eine Mietminderung auch kein detailliertes Lärm-Protokoll vorgelegt werden.
Im konkreten Fall gaben die Karlsruher Richter der Nichtzulassungsbeschwerde einer Berliner Mieterin statt. Sie ist seit 2004 Mieterin einer Dreizimmerwohnung in einem Achtfamilienhaus in Berlin-Tiergarten. Als Ende 2012 eine Familie mit zwei noch nicht schulpflichtigen Kindern in die Wohnung über ihr einzog, war es mit der Ruhe vorbei.
Die Frau beklagte, dass die kleinen Kinder seitdem fast jeden Tag und auch zu den Ruhezeiten ein bis vier Stunden lang massiven Lärm verursachten. Sie würden stundenlang stampfen, springen, poltern oder schreien. Werde es den Eltern zu viel, würde diese regelmäßig ebenfalls schreiend zur Ruhe mahnen.
Die Lärmbeeinträchtigungen und die damit einhergehenden Erschütterungen seien so stark, dass die Töpfe im Regal sich bewegten. Betroffen von dem Lärm sei aber die ganze Wohnung. Besucher würden bei ihr wegen des Lärms nicht mehr übernachten. Selbst eine schwerhörige Nachbarin bekomme den Lärm ohne Hörgerät mit.
Die Klägerin minderte wegen der Lärmbeeinträchtigung die Miete um 50 Prozent und zahlte diese nur noch unter Vorbehalt. Vor Gericht verlangte sie nun auch gut 9.000 Euro der unter Vorbehalt gezahlten Miete von der Vermieterin zurück.
Das Landgericht Berlin stellte zwar fest, dass auch Kinderlärm nicht grenzenlos ertragen werden muss. Hier sei aber das zumutbare Maß noch nicht überschritten. Es gehöre zur normalen Entwicklung, dass Kinder Wege „ablaufen“ und sich in „lauter Sprache“ verständigen. Dass die Eltern zur Ruhe mahnen, sei ein Beleg für Rücksichtnahme.
Kleinkinder seien auch nicht zu differenzierten verbalen Auseinandersetzungen fähig, so das Landgericht. Daher sei es durchaus normal und üblich, dass diese sich lauter bemerkbar machen. Die Lärmangaben der Klägerin seien auch zu ungenau. Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen.
Der BGH entschied in seinem Beschluss vom 22. August 2017, dass sich eine andere Kammer des Landgerichts noch einmal mit dem Fall beschäftigen muss. Auch wenn Kinderlärm als sozialadäquat gelte, müssten sich Nachbarn nicht alles bieten lassen. Es gelte das Gebot der zumutbaren gegenseitigen Rücksichtnahme.
Hier sei das Landgericht der Lärmbelästigung nicht ausreichend nachgegangen und habe damit das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt.
Bei wiederkehrenden Beeinträchtigungen sei es auch nicht erforderlich, dass Mieter ein detailliertes Lärmprotokoll vorlegen. Es reiche eine Beschreibung aus, zu welchen Tageszeiten, wie oft und über welche Zeitdauer der Lärm auftritt. Das Landgericht hätte hierfür Zeugen anhören und die Hellhörigkeit des Hauses prüfen können. Dies müsse es nun nachholen.
Dass Mieter wegen ständigen Lärms kein „Lärmtagebuch“ führen müssen, hatte der BGH bereits am 29. Februar 2012 ebenfalls entschieden (Az.: VIII ZR 155/11, JurAgentur-Meldung vom Urteilstag). Mieter müssten zwar gelegentliche Feiern oder mal lauten Streit in der Nachbarwohnung als „sozialadäquat“ hinnehmen, nicht aber ständigen Lärm und Dreck. Für eine Mietminderung reiche dann eine Beschreibung von Art, Dauer, Häufigkeit und Tageszeiten des Lärms aus. Die Vorlage eines „Protokolls“ könne der Vermieter nicht verlangen. fle/mwo
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