Knochenschwund erfährt zu wenig Aufmerksamkeit
Osteoporose gilt hierzulande als die häufigste Knochenerkrankung. Mehr als sechs Millionen Menschen sind laut dem Kuratorium für Knochengesundheit von der Erkrankung betroffen, die in den meisten Fällen eine massive Einschränkung der Lebensqualität bedeutet. Dennoch erfährt der so genannte „Knochenschwund“ relativ wenig Aufmerksamkeit und wird nach Ansicht von Experten nicht ausreichend gut therapiert. Der Welt-Osteoporose-Tag 2015 am 20. Oktober soll nun für mehr Aufklärung und Information sorgen.
Krankheit verursacht zu Beginn keine Beschwerden
Bei der Osteoporose (Knochenschwund) handelt es sich um eine chronische Erkrankung, in deren Verlauf die Knochensubstanz und -struktur übermäßig schnell abgebaut wird. In der Folge wird das Skelett zunehmend instabil und porös, wodurch das Risiko für Knochenbrüche steigt, welche ohne größere Gewalteinwirkung schon bei alltäglichen Belastungen auftreten können. Charakteristisch für Osteoporose ist, dass sie meist über lange Zeit keine Beschwerden verursacht. Treten im weiteren Verlauf jedoch Frakturen auf, können die Schmerzen so stark sein, dass eine weitere Bewegung unmöglich wird. Langfristig entstehen durch die Brüche dauerhafte Funktions- und Fähigkeitsstörungen, was für die Betroffenen oft einen starken Verlust an Lebensqualität und selbstbestimmter Lebensführung bis hin zur Pflegebedürftigkeit bedeutet.
Vor allem Frauen nach den Wechseljahren betroffen
Neben dem Geschlecht gilt das Alter als Hauptrisikofaktor für eine Osteoporose. Nach Angaben des Robert Koch Instituts (RKI) berichten rund 15% der Frauen ab einem Alter von 50 Jahren und 6% der Männer dieser Altersgruppe von einer diagnostizierten Osteoporose. Ab 65 Jahren steigt der Anteil bei den Frauen auf 21%, bei den Männern ist ein solcher Anstieg im Alter hingegen nicht zu beobachten, so das RKI weiter. Insgesamt gelten hierzulande bereits mehr als sechs Millionen Menschen als betroffen. Angesichts des demografischen Wandels wird sich diese Entwicklung jedoch in den nächsten Jahren verstärken, da die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung mit zunehmendem Alter steigt.
Daher müssten die Zahlen eigentlich schon heute aufschrecken. Doch Experten kritisieren, dass die Erkrankung aus weiterhin unterschätzt, unterdiagnostiziert und vor allem nicht ausreichend therapiert wird. Dies könne laut dem Orthopäden und Vorstandsmitglieds des Dachverbands Osteologie (DVO), Hermann Schwarz, daran liegen, dass die Krankheit noch vergleichsweise jung sei und oft nicht gleich erkannt werde. „Wir haben erst seit den 1980er-Jahren Therapiemöglichkeiten, bei vielen meiner Kollegen war Osteoporose in der Ausbildung kein Thema”, berichtet Schwarz der Nachrichtenagentur „dpa“.
Thema alte Knochen ist nicht „sexy“
Osteoporose sei trotz der starken Verbreitung für viele noch ein „Fremdwort“, sagt auch Irene Buddendick im Gespräch mit der Nachrichtenagentur. Die Leiterin einer Selbsthilfegruppe aus Münster hat sich selbst so frühzeitig ihrer Erkrankung angenommen, dass sie den Knochenabbau mittlerweile weitgehend stoppen und die Medikamente absetzen konnte. Doch nicht viele Betroffene gehen so offensiv mit ihrer Krankheit um, stattdessen stellt der Knochenschwund in der Öffentlichkeit oft noch ein Tabu-Thema dar. „Es ist nicht sexy, über alte Knochen zu sprechen”, so der Vorsitzende des Dachverbands Osteologie (DVO), Professor Andreas Kurth.
Schmerzen schränken das Leben massiv ein
Einige Teilnehmerinnen der Selbsthilfegruppe von Irene Buddendick haben bereits einige Knochenbrüche erlebt und dadurch erfahren, welches Ausmaß die Erkrankung annehmen kann: „Das sind Schmerzen, die das ganze Leben verändern. Man kann gar nicht mehr richtig teilnehmen”, berichtet eine Betroffene weiter. Die 48-jährige A. ist seit zehn Jahren erkrankt und mittlerweile soweit eingeschränkt, dass sie ihre berufliche Tätigkeit in einem Büro aufgeben musste. Dass sie in so jungen Jahren erkrankt ist, stellt jedoch eher eine Seltenheit dar. Denn in den meisten Fällen beginnt der Knochenschwund erst nach den Wechseljahren.
Die zunehmende Brüchigkeit der Knochen ist zwar nicht unmittelbar lebensbedrohend – doch wird sie nicht entsprechend behandelt, drohen massive Einschränkungen der Lebensqualität bis hin zu Invalidität mit Pflegebedürftigkeit. Ebenso besteht eine erhöhte Sterblichkeit infolge osteoporosebedingter Frakturen. Jeder Fünfte stirbt nach Angaben des Kuratoriums Knochengesundheit e.V. binnen eines halben Jahres nach einem hüftgelenksnahen Knochenbruch, mehr als 80% der Betroffenen sind noch ein Jahr später in ihrer Mobilität und Lebensqualität eingeschränkt.
Patienten sind auch selbst in der Pflicht
Doch oft gestaltet sich die Behandlung schwierig, denn selbst wenn eine Osteoporose diagnostiziert und der Therapieplan aufgestellt ist, würden viele Patienten diesen nicht einhalten und stattdessen die Medikamente schon früh wieder absetzen. Dabei sei Geduld wichtig, denn „es ist nicht wie bei einem Blutdruckmittel, dessen Erfolg man sofort sieht”, erklärt Professor Andreas Kurth. Der Patient sei dem Experten nach jedoch auch in der Pflicht und müsse sich durch regelmäßige Arzt-Besuche selbst über sein persönliches Osteoporose-Risiko informieren. Denn neben Alter und Geschlecht gelten unter anderem auch Medikamente wie z.B. Cortison, Rauchen, Untergewicht und eine bestimmte genetische Disposition als weitere Risikofaktoren.
Betroffene müssen auf knochengesunde Lebensweise achten
„Eines unserer wichtigen Ziele ist es, Patienten zu informieren und einer besseren und medizinisch adäquaten Behandlung zuzuführen. Wir wollen erreichen, dass Osteoporose-Betroffene in Eigenverantwortung mehr für ihre Knochengesundheit tun“, so Prof Dr. Dr. med. Christian Kasperk im Vorfeld des jährlichen Welt-Osteoporose-Tages am 20. Oktober. Dies bedeute zum einen eine regelmäßige ärztliche Kontrolle und die konsequente Einnahme der verordneten Medikamente. Zum anderen sei aber auch eine „knochengesunde Lebensweise mit einer ausgewogenen Ernährung und regelmäßiger Bewegung“ wichtig, resümiert Kasperk.
Schwierigkeiten bei der Behandlung kennen auch die Frauen der Münsteraner Selbsthilfegruppe. „Jeder Arzt sagt doch etwas anderes”, so eine Betroffene gegenüber der „dpa“. Dennoch würden sie nicht aufgeben und gegen die Krankheit und damit verbundene Einschränkungen kämpfen. „Ich tue alles, um einen weiteren Bruch zu vermeiden”, sagt die 48-jährige A. (nr)
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Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.