Schwangerschaftstest führte womöglich zu Missbildungen bei Kindern
In den 1960er und 1970er Jahren wurden in Deutschland zahlreiche Kinder mit Missbildungen wie Spina bifida (Offener Rücken), Wasserkopf oder Herzfehlern geboren. Schon bald gab es Hinweise darauf, dass das Medikament Duogynon dafür verantwortlich sein könnte. Die Opfer des Pharmaskandals kämpfen bis heute für ihr Recht.
Schwere Missbildungen womöglich durch Hormon-Präparat
Bis Ende der 1970er Jahre wurde das Hormonpräparat Duogynon der Firma Schering bei Menstruationsbeschwerden und als Schwangerschaftstest eingesetzt. Das Präparat wurde aus Progesteron und Östradiol zusammengesetzt. Die Hormone schädigten wohl Ungeborene. Medienberichten zufolge haben etwa 1.000 Frauen in der Folgezeit Kinder mit schweren Behinderungen zur Welt gebracht. Die Frauen hätten das Mittel in der Frühschwangerschaft eingenommen. Zahlreiche Neugeborene wiesen Behinderungen wie einen Wasserkopf, offenen Rücken, offenen Bauch bis hin zu schweren Missbildungen der inneren Organe auf.
Pharmakonzern wusste schon damals Bescheid
Im Jahr 1980 wurde die Herstellung des Präparats eingestellt, das Mittel wurde vom Arzneimittelmarkt genommen.
Wie der Bayerische Rundfunk (BR) auf seiner Webseite schreibt, deutet vieles darauf hin, „dass es sich um einen der größten Pharma-Skandale der Bundesrepublik handelt“. Den Angaben zufolge sind nun Akten aufgetaucht, die zeigen: „Schering wusste, dass Duogynon möglicherweise zu Missbildungen führt. Doch der Konzern verdiente Millionen mit Duogynon und vertrieb das Präparat weiter“, so der BR.
Zusammenhang zwischen Duogynon und Missbildungen
Schon 1967 wiesen Studien auf einen Zusammenhang zwischen Duogynon und Missbildungen hin. Darauf hin wurde das Mittel in England als Schwangerschaftstest verboten. In Deutschland geschah allerdings nichts. Schering bekam laut BR Hilfe von einer Behörde, die damals eigentlich für Arzneimittelsicherheit zuständig war, das Bundesgesundheitsamt (BGA). Das haben Recherchen des BR-Politikmagazins Kontrovers nun gezeigt.
Bundesgesundheitsamt auf Seiten des Pharmaproduzenten
Dem Bericht zufolge bezeichnete sich ein Mitarbeiter aus dem Bundesgesundheitsamt sich selbst und das Amt im Fall Duogynon als „Advokaten der Firma Schering“. Dieser Mitarbeiter informierte die Schering AG demnach immer wieder über interne Abläufe im Amt und versuchte, die Entscheidungen des Amtes im Sinne Scherings herbeizuführen.
Zudem machte er klar, dass es dem BGA darum geht, zu verhindern, dass Duogynon vom Markt genommen wird.
Bayer stellt sich quer
Als 2010 in Berlin eine Klage gegen Bayer wegen Duogynon eingereicht wurde, ließ der Pharmahersteller verlautbaren: „Eine Kausalität zwischen den Missbildungen und dem Produkt konnte hierbei nicht festgestellt werden. An diesem Erkenntnisstand hat sich bis heute nichts geändert“.
Laut BR stellt sich der Konzern noch immer auf den Standpunkt, dass ein Zusammenhang zwischen der Einnahme von Duogynon und den Missbildungen niemals bewiesen wurde.
Geschädigte kämpfen für ihr Recht
Bis heute kämpft eine Gruppe Geschädigter darum, als Pharmaopfer anerkannt zu werden. Die Interessengemeinschaft fordert von den Verantwortlichen neben einer Entschuldigung auch einen Geschädigtenfonds nach dem Vorbild des Contergan-Fonds. Auf der Webseite „www.duogynonopfer.de“ wird über das Thema aufgeklärt. Außerdem werden dort Geschädigte aufgefordert, ihre Geschichte bekannt zu machen.: „Jede Lebensgeschichte diesbezüglich ist anders… und jede einzelne Geschichte verdient Aufmerksamkeit. Bitte schreiben Sie uns und melden Ihren „Fall“!“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.