Aktuelle Studienlage: Wirkung der Misteltherapie gegen Krebs nicht belegt
In der Vergangenheit galten Misteln als ein Symbol für Fruchtbarkeit. Zudem wurde der immergrünen Pflanze nachgesagt, dass sie vor Bösem schützen könne. Und auch heute noch wird ihre Heilwirkung geschätzt. Die Mistel wird unter anderem zur Blutdrucksenkung, bei Altersbeschwerden und Arteriosklerose eingesetzt. Sie soll auch gegen Krebs helfen. Ist dem aber wirklich so?
Laut dem „ONKO Internetportal“ der Deutschen Krebsgesellschaft ist die Misteltherapie „eines der in Deutschland bei Krebsbehandlungen bekanntesten am häufigsten angewendeten komplementären Verfahren zur Verbesserung der Lebensqualität und Verminderung der systemtherapeutisch bedingten Nebenwirkungen“. Dem Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) zufolge lässt die aktuelle Studienlage aber keine eindeutige Aussage zur Wirksamkeit von Mistelpräparaten zu.
Misteltherapie gegen Krebs schon seit mehr als hundert Jahren
Die Misteltherapie gegen Krebs gibt es laut dem Krebsinformationsdienst schon seit etwa hundert Jahren. Den Angaben zufolge stammt die Anwendung der Pflanzenextrakte ursprünglich aus der anthroposophischen Medizin. Vor allem komplexe Eiweißstoffe, die Lektine, sollen gegen den Tumor aktiv sein.
Viele Fachleute sehen die Anwendung von Mistelpräparaten in der Krebsbehandlung jedoch eher kritisch. Sie argumentieren damit, dass es bis heute keinen zweifelsfreien Beweis für die Wirksamkeit gegen Tumorerkrankungen gebe. Außerdem seien bei der Durchführung der vorliegenden klinischen Studien qualitative Mängel festzustellen – es lasse sich nicht immer nachvollziehen, wie die Ergebnisse im Einzelnen zustande gekommen sind.
Zudem werden zur Bewerbung der Misteltherapie manchmal auch Forschungsergebnisse herangezogen, die nicht, wie üblich, in Fachzeitschriften nach einer Überprüfung durch Fachleute veröffentlicht wurden. Zur vermeintlich verbesserten Lebensqualität unter Misteltherapie seien wissenschaftlich fundierte Belege noch Mangelware.
Aufgrund der Datenlage spielt die Mistelbehandlung in den derzeit gültigen Leitlinien zur Krebstherapie keine Rolle. Diese Leitlinien geben Empfehlungen für die jeweils bestmögliche Therapie – auf Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Nur als begleitende und unterstützende Behandlung
„Alle, auch anthroposophische Ärzte und die Hersteller von Mistelpräparaten in Deutschland, sind sich einig – die Misteltherapie stellt keine Alternative zu geprüften Standardverfahren, wie zum Beispiel einer Chemotherapie dar“, so Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdienstes am DKFZ.
„Sie kann allenfalls als eine begleitende und unterstützende Behandlung eingesetzt werden. Wir empfehlen Ratsuchenden, die Misteltherapie nicht ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt einzusetzen“, so die Expertin.
Positive Effekte
Für den Einsatz der Misteltherapie in der begleitenden Krebsbehandlung ergibt die derzeitige Studienlage aber laut Dr. Gunver Sophia Kienle vom Institut für Integrative Medizin (IfIM) der Fakultät für Gesundheit der Universität Witten/Herdecke insgesamt überwiegend positive Ergebnisse, über die wir vor kurzem hier berichteten.
Die Forschungsergebnisse, die in dem Fachjournal „Phytomedicine“ vorgestellt wurden, bescheinigen der Therapie Auswirkungen auf eine Verbesserung der Lebensqualität und einen „äußerst signifikanten Vorteil“ in Bezug auf das Überleben bei fortgeschrittenem Bauchspeicheldrüsenkrebs.
Die Ergebnisse einer weiteren – noch laufenden – Studie eines Forschungsteams um Christian Grah vom Forschungsinstitut Havelhöhe (FIH) weisen ebenfalls auf verschiedene positive Effekte der Misteltherapie zur Linderung von Symptomen bei Lungenkrebs hin: „Die Analyse zeigt keinen klinisch relevanten Anstieg der Nebenwirkungen, aber eine Verringerung der Symptombelastung“, berichten die Forschenden im Fachmagazin „Phytomedicine“.
Keine Option bei bestimmten Krebsarten
Wie der Krebsinformationsdienst des DKFZ erklärt, werden Mistelpräparate gespritzt – in der Regel in oder unter die Haut. Die meisten Patientinnen und Patienten vertragen die Behandlung gut. Die wahrscheinlichsten Nebenwirkungen sind Schmerzen und Entzündungen an der Injektionsstelle, Kopfschmerzen sowie grippeähnliche Beschwerden.
Ein Problem stellen jedoch Wechselwirkungen mit Krebsmedikamenten und allergische Reaktionen dar. Bei manchen Krebserkrankungen scheint zudem besondere Vorsicht geboten zu sein.
Beispielsweise raten Fachleute Patientinnen und Patienten mit Leukämien, Lymphomen, einem Nierenzellkarzinom oder schwarzem Hautkrebs (malignes Melanom) explizit von der Misteltherapie ab. Den DKFZ-Angaben zufolge gibt es Hinweise aus klinischen Studien, dass sich diese Krebserkrankungen unter einer Misteltherapie verschlechtern könnten.
Auch für Betroffene mit Hirntumoren und -metastasen ist die Misteltherapie keine Option. Denn es kann dabei zu Flüssigkeitseinlagerung rund um das Tumorgewebe kommen, wodurch bei diesen Patientinnen und Patienten das Risiko für ein Hirnödem steigt. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ): Mystische Misteln: Wirkung gegen Krebs nicht belegt, (Abruf: 10.12.2019), Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)
- Deutsche Krebsgesellschaft: DIE MISTELTHERAPIE: WIE WIRKSAM IST SIE?, (Abruf: 10.12.2019)
- Krebsinformationsdienst: Misteltherapie gegen Krebs, (Abruf: 10.12.2019), Krebsinformationsdienst
- Phytomedicine: Current developments of clinical research on mistletoe therapy in cancer care, (Abruf: 10.12.2019), Phytomedicine
- Phytomedicine: First prospective study of a combined immune therapy of checkpoint inhibitors ± CTX plus Viscum album L. in non-small cell lung cancer (NSCLC) in UICC stage III B-IV B, (Abruf: 10.12.2019), Phytomedicine
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.