Forscher entwickeln neue Biowaffe gegen resistente Keime in Kliniken
17.08.2011
Im Kampf gegen resistente Krankenhauskeime können Mediziner möglicherweise schon bald auf eine neue Waffe zurückgreifen. Forscher der Nanyang Technological University in Singapur haben ein Killerbakterium konstruiert, dass die resistenten Erreger angreift und zerstört.
Die Wissenschaftler nutzten ein Darmbakterium und veränderten dies genetisch zu einer Biowaffe gegen resistente Krankenhauskeime. Wie Matthew Wook Chang von der Nanyang Technological University in Singapur und Kollegen im Fachjournal „Molecular Systems Biology“ berichten, erwiesen sich die Killerbakterien in den bisherigen Untersuchungen als äußerst effektiv bei der Bekämpfung von Antibiotika resistenten Bakterien der Gattung Pseudomonas aeruginosa.
Biowaffe gegen resistente Krankenhauskeime
Die Wissenschaftler um Matthew Wook Chang haben eine harmlose Variante der Escherichia coli-Bakterien mit Hilfe genetischer Methoden der sogenannten synthetischen Biologie zu einer Biowaffe umfunktioniert, die bei der Bekämpfung gefährlicher Krankenhauskeime helfen soll. Den Forschern zufolge spürten die „veränderten Escherichia coli-Bakterien die in Lösung schwimmenden Pseudomonas-Keime auf und töteten sie.“ Dabei sei eine „Reduktion der lebensfähigen Zellen um 99 Prozent“ zu beobachten gewesen, berichten Wook Chang und Kollegen. Zudem lasse sich mit Hilfe der genetisch veränderten Bakterien auch die Entstehung von sogenannten Biofilmen verhindern, die das Überleben der Pseudomonas-Keime außerhalb des Organismus – zum Beispiel auf Geräten oder glatten Oberflächen im Krankenhaus – ermöglichen, so die Darstellung der Forscher in dem Fachjournal „Molecular Systems Biology“. Demnach zeigten sich die neu entwickelten Bakterien bei Laborversuchen auch in solchen Biofilmen der Pseudomonas aeruginosa als äußerst wirksame Waffe und reduzierten die Biofilm-Bildung um rund 90 Prozent. Die Bildung der Biofilme gilt laut Aussage der Experten als Hauptursache für die Übertragung der lebensbedrohlichen Krankenhauskeime, da die schützende Schleimschicht dazu beiträgt, das die Pseudomonas aeruginosa Bakterien relativ lang außerhalb des Organismus überleben können.
Synthetische Biologie ermöglicht neuartige Behandlungsmethoden
Die Wissenschaftler der Nanyang Technological University in Singapur haben die Escherichia coli mit Verfahren der synthetischen Biologie zu regelrechten Killerbakterien aufgerüstet. Wook Chang und Kollegen nutzten verschiedene genetische Bauteile biologischer Strukturen, um diese gezielt für die Bekämpfung der Krankenhauskeime zu kombinieren. Mit Hilfe eines eingebauten biologischen Sensors, der die chemischen Botenstoffe, welche Pseudomonas-Keime zur Kommunikation nutzen, registriert, können die Killerbakterien die Krankenhauskeime orten. Anschließend löst ein weiterer künstlich implementiertet Mechanismus eine erhöhte Giftproduktion in dem modifizierten Escherichia coli-Bakterium aus, woraufhin das Trägerbakterium zerplatzt und ein speziell für Mikroben tödliches Gift freisetzt. Die in der Nähe befindlichen Krankenhauskeime werden bei Kontakt mit dem Gift umgehend abgetötet.
Weitere Untersuchungen erforderlich
Insgesamt zeigte sich die neuartige Methode zur Bekämpfung resistenter Krankenhauskeime mit Hilfe genetisch veränderter Escherichia coli Bakterien bisher als äußerst effizient, sie muss jedoch in weiteren Studien überprüft werden, berichten die Forscher. Der Ansatz mit technisierten Escherichia coli Bakterien gegen Pseudomonas aeruginosa vorzugehen, biete jedoch eine neuartige, auf der synthetischen Biologie basierte, antimikrobielle Strategie zur Beseitigung von infektiösen Erregern, die auch auf andere resistente Keime übertragen werden könnte, so die Einschätzung der Forscher. Da bisher keine Untersuchungen am lebenden Organismus stattgefunden haben, lässt sich jedoch nur schwer vorhersagen, welche Wirkung die neuartige Biowaffe im Körper möglicherweise noch entfalten könnte. Dies soll nach den Plänen der Forscher in kommenden Untersuchungen mit infizierten Mäusen genauer untersucht werden, bei denen die manipulierten Bakterien auch im lebenden Organismus ihre Effizienz unter Beweis stellen können.
Resistente Erreger auf dem Vormarsch – Forschung hinkt hinterher
Für die Forscher um Matthew Wook Chang besteht bei der Forschung im Bereich der multiresistenten Erreger wie Pseudomonas aeruginosa dringender Nachholbedarf. Obwohl immer mehr Keime mittlerweile Resistenzen gegen Antibiotika entwickelt haben und Antibiotika als bisherige Allzweckwaffe zur Behandlung bakterieller Infektionen zusehends seine Wirkung verliert, hinke die Forschung hinterher. Bei den resistenten Krankenhauskeimen zählt das sogenannte Stäbchenbakterium der Gattung Pseudomonas aeruginosa neben den relativ weit verbreiteten multiresistenten Staphylokokken (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus, MRSA) als häufigste Ursache für schwerwiegender Krankenhausinfektionen. Laut Aussage der Forscher um Wook Chang besiedeln Pseudomonas aeruginosa vorzugsweise die Atemwege und den Magen-Darm-Trakt. Die gegen sämtliche gängigen Antibiotika resistenten Bakterien können hier gefährliche Infektionen verursachen, die bei ohnehin geschwächten Personen wie beispielsweise Patienten der Intensivstation, Mukoviszidose- und Krebspatienten durchaus tödlich verlaufen können, berichten die Wissenschaftler. Den Experten zufolge drohen Wundinfektionen, Infektionen der Atem- und Harnwegen, Lungenentzündungen sowie unter Umständen sogar Blutvergiftungen oder Herzerkrankungen. Da die Pseudomonas aeruginosa gegenüber den meisten Antibiotika resistent sind, haben die Mediziner oftmals erhebliche Schwierigkeiten den betroffenen Patienten zu helfen, so die Aussage der Wissenschaftler. Eine neue Methode zur Behandlung der resistenten Krankenhauskeime könnte dazu beitragen, zahlreiche Menschenleben zu retten. (fp)
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Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
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