Wirkung von Sport könnte bei Multiple Sklerose vielversprechend sein
26.03.2015
Multiple Sklerose (MS) ist die häufigste neurologische Erkrankung bei jungen Erwachsenen. Meist wird sie im Alter zwischen 20 und 40 Jahren festgestellt. Die Krankheit kann sich aber auch schon im Kindes- und Jugendalter bemerkbar machen. Die Betroffenen leiden zunächst meist an MS-Schüben, die mit Gefühlsstörungen, Lähmungen und Kraftlosigkeit einhergehen und in unterschiedlicher Intensität auftreten. Eine Heilmittel gibt es bisher nicht, jedoch macht die Forschung vielversprechende Fortschritte bei der Entwicklung neuer Medikamente. Wenig Beachtung hat dagegen bisher Sport in der MS-Therapie gefunden. Der Leiter einer Tagesklinik setzt bei seinen Patienten mit individualisierten Sportprogrammen gezielt auf körperliche Betätigung.
Multiple Sklerose verläuft sehr unterschiedlich
Meist tritt Multiple Sklerose (MS) in den ersten Jahren in Schüben auf. Im weiteren Verlauf geht die neurologische Erkrankung aber häufig in eine dauerhaft fortschreitende Form über. Zu den typischen Symptomen von MS gehören neurologische Ausfallerscheinungen wie Gefühlsstörungen (Kribbeln und Taubheitsgefühl), Lähmungen, Kraftlosigkeit, Müdigkeit, Sehstörungen, Störungen der Blasenfunktion sowie weitere motorische Störungen und spastische Tonuserhöhungen.
„Multiple Sklerose bedeutet nicht, dass man morgen im Rollstuhl sitzt. Das ist ein Trugschluss, der leider das öffentliche Bild der MS beherrscht und es in Richtung der schweren Verläufe verzerrt", betont Professor Reinhard Hohlfeld vom Institut für Klinische Neuroimmunologie der Uniklinik München im Gespräch mit der Nachrichtenagentur „dpa“. Der Verlauf sei sehr individuell. „Vielen Menschen, die eine milde oder eine gut behandelte Form der MS haben, sieht man ihre Erkrankung gar nicht an", so Mediziner. „Die MS kann sehr viele verschiedene Symptome hervorrufen, je nachdem welche Orte im Nervensystem betroffen sind.“
Bei Multiple Sklerose handelt es sich um eine entzündliche Erkrankung des Nervensystems, bei der die Myelinhülle der Nervenfasern, die aus Fett- und Eiweißsubstanzen aufgebaut ist, angegriffen wird. Ist diese Hülle beschädigt, können die Signale nicht mehr reibungslos übertragen werden. In der Folge kommt es bei den Betroffenen zu neurologischen Ausfallerscheinungen.
Der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) zufolge sind weltweit rund 2,5 Millionen Menschen an MS erkrankt. In Deutschland sind es rund 130.000. Frauen sind etwa doppelt so häufig wie Männer betroffen.
Arzneien gegen Multiple Sklerose haben häufig starke Nebenwirkungen
Bei der Behandlung von MS stehen drei Bereiche im Fokus: Zum einen erfolgt die Therapie des akuten Krankheitsschubs, zum anderen die Therapie der jeweils auftretenden Symptome. Zudem soll der langfristige Krankheitsverlauf durch gezielte Therapiemaßnahmen günstig beeinflusst werden, so dass weitere Schübe möglichst verhindert werden. „Insgesamt ist das Spektrum der Medikamente zur Behandlung der schubförmigen MS inzwischen so groß, dass man für die meisten Patienten etwas Passendes findet", erläutert Hohlfeld. „Allerdings sind die verfügbaren Substanzen sehr teuer, und sie müssen zumeist über viele Jahre oder sogar lebenslang eingesetzt werden." Zudem führen sie nicht zur Heilung des Patienten. Trotz der Erfolge der letzten Jahre in der MS-Therapie habe man leider festgestellt, dass das Risiko von Nebenwirkungen für den Betroffenen umso größer sei, je potenter die antientzündliche Therapie sei, berichtet Professor Christoph Heesen von der Neurologischen Poliklinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) gegenüber der Nachrichtenagentur. „Und je weiter die Erkrankung fortgeschritten ist, desto weniger bringen diese Wirkstoffe."
Hat das Krankheitsstadium bereits die chronisch fortschreitende Phase erreicht, zeigen sich bei einer MS Ähnlichkeiten zu Parkinson oder Alzheimer. Die degenerative Vorgänge, bei denen die Nervenzellen ohne eine Entzündung geschädigt werden, sind dann das wesentliche Krankheitsmerkmal. Die antientzündlichen Medikamente, die in der schubförmigen Phase meist gut funktionieren, wirken in diesem Stadium nicht mehr. „Und eine medikamentöse Therapie, mit denen man diese Verbindungen wieder aufbauen kann, gibt es zurzeit nicht", erläutert Heesen.
Neue Arzneien und Sport könnten den Krankheitsverlauf von Multipler Sklerose günstig beeinflussen
Der Ärztliche Leiter einer Multiple-Sklerose-Tagesklinik berichtet von einem vielversprechenden Wirkstoff, dem monoklonalen Antikörper Anti-LINGO, der in einer Phase-II-Studie erfolgreich getestet worden sei. Auch der Cholesterinsenker Simvastatin habe in Studien gute Ergebnisse bei MS erzielt. In einer Phase-II-Studie sei durch das Mittel, das bisher nur zur Kontrolle der Blutfettwerte zugelassen ist, der allmähliche Verlust der Hirnsubstanz (Hirnatrophie) verlangsamt worden. Ob beide Mittel tatsächlich zur Behandlung von MS zugelassen werden, ist jedoch noch nicht absehbar.
Heesen hat für MS-Patienten aber einen sofort umsetzbaren Tipp: „Auch wenn die medizinische Beweislage noch nicht überwältigend ist: Wir raten unseren Patienten, Sport zu treiben und bieten ihnen ein individualisiertes Sportprogramm an." Der Effekt von Sport auf die Neurodegeneration werde bislang zu wenig beachtet und erforscht. Eine eigene Studie im vergangenen Jahr, an der 40 Betroffene teilnahmen, habe aber vielversprechende Ergebnisse geliefert. Bereits nach acht Wochen regelmäßigen Trainings auf dem Ergometer seien bei den Patienten Verbesserungen beim Laufen und auch hinsichtlich der Gedächtnisleistungen und Konzentrationsfähigkeit zu beobachten gewesen. (ag)
>Bild. Rodja / pixelio.de
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