Innovativer Behandlungsansatz gegen Mittelohrentzündung
Mittelohrentzündungen sind insbesondere bei Kindern ein weit verbreitetes Beschwerdebild. Bisher werden meist Antibiotika zur Behandlung eingesetzt, mit unterschiedlichem Erfolg und stets mit dem Risiko wachsender Antibiotikaresistenzen verbunden. Jetzt haben Forschende jedoch ein Gerät entwickelt, das in das Ohr eingebracht werden kann und dort ein Mikroplasma erzeugt, das die ursächlichen Erreger der Mittelohrentzündung abtötet.
Mittels 3D-Druck hat das Forschungsteam der University of Illinois at Urbana-Champaign ein miniaturisiertes Gerät konstruiert, das ein Plasma aus geladenen Teilchen und reaktiven Molekülen erzeugt und zur Behandlung von Mittelohrentzündungen eingesetzt werden kann. In einer ersten Studie war der innovative Behandlungsansatz mit dem „Microplasma-Jet-Array“durchaus überzeugend. Veröffentlicht wurden die Studienergebnisse in dem Fachmagazin „npj Biofilms and Microbiomes“.
Nachteile von Antibiotika
Zur Behandlung einer Mittelohrentzündung sind Antibiotika bislang Standard, doch bestehen dabei laut Angaben der Forschenden zwei wesentliche Probleme: „Erstens sind Antibiotika bei mehr als 30 % der Patienten mit akuten Infektionen unwirksam. Zweitens kann ihr Einsatz zu einer erhöhten Antibiotikaresistenz führen, weil die Bakterien Biofilme bilden – Aggregate, die sich an der Oberfläche des Ohrs festsetzen.“
„Mittelohrentzündungen und die übermäßige Verschreibung von Antibiotika zu deren Behandlung sind große klinische Herausforderungen, die neue Behandlungstechnologien und Lösungen benötigen“, betont Professor Dr. Stephen Boppart von der University of Illinois at Urbana-Champaign.
Alternative Behandlungsansätze gesucht
Das Forschungsteam war daher auf der Suche nach alternativen Behandlungsoptionen und widmete sich dem sogenannten Mikroplasma, einem auf sehr engen Raum fokussierten Plasma, von dem bereits bekannt ist, dass hiermit verschiedene Krankheitserreger inaktiviert werden können. Dies war jedoch „das erste Mal, dass jemand versucht hat, Mittelohrentzündungen mit Hilfe der Plasmatechnologie zu behandeln“, so Studienautorin Jungeun Won von der University of Illinois at Urbana-Champaign.
„Biofilme sind sehr dicht, was es für die Antibiotika schwierig macht, einzudringen“, daher war „unsere Idee, dass wenn wir die Struktur des Biofilms stören könnten, die Penetration der Antibiotika erhöht werden kann“, ergänzt Professorin Dr, Thanh Huong Nguyen von der University of Illinois at Urbana-Champaign.
Mikroplasma soll Bakterien ausschalten
Mit Hilfe eines 3D-Druckers konstruierten die Forschenden ein miniaturisiertes Gerät zur Erzeugung eines Stroms aus Mikroplasma, um Pseudomonas aeruginosa zu inaktivieren, ein Bakterium, das oft für Mittelohrentzündungen verantwortlich ist. Das Team testete den Mikroplasma-Jet-Array in dem Modell eines Mittelohrs auf seine antimikrobielle Wirkung.
Erfolg nach 15 Minuten Behandlung
„Wir verwendeten verschiedene Behandlungszeiten und fanden heraus, dass 15 Minuten und länger die Bakterien effektiv inaktivierten”, berichtet Won. Bei der Überwachung des Gewebes seien zudem keine offensichtlichen physischen Schäden wie beispielsweise Löcher oder Risse feststellbar gewesen.
Weitere Studien erforderlich
„Wir denken, dass das Mikroplasma den Biofilm unterbricht, indem es die bakterielle Zellmembran stört”, erläutert Prof. Nguyen. Dies müsse nun jedoch in weiteren Studien eingehender untersucht werden
Zudem nutzten die Forschenden in ihrem Modell das Trommelfell einer Ratte, das rund 30 Prozent dünner ist als das des Menschen, so das noch überprüft werden muss, ob die Ergebnisse auf Menschen übertragbar sind. Bisher deute jedoch alles darauf hin, dass die Behandlung mit Mikroplasma gegen Mittelohrentzündungen eingesetzt werden kann, so das Team.
Derzeit entwickeln die Forschenden ein noch kleineres ohrstöpselförmiges Gerät für die Behandlung, das zudem längere Einwirkungszeiten ermöglichen soll. Die Geräte sollen anschließend auch in Tiermodellen mit Biofilmen von anderen Bakterien getestet werden, die Mittelohrentzündungen verursachen können, wie beispielsweise Haemophilus influenzae, Streptococcus pneumoniae und Moraxella catarrhalis.
Potenzial zur Therapie von Mittelohrentzündungen
Die bisherigen Ergebnisse verdeutlichen bereits das Potenzial von Mikroplasma als neue Behandlungsmethode bei Mittelohrentzündungen und das Risiko von Nebenwirkungen scheint eher gering. Dennoch gilt es in den kommenden Studien auch das Gewebe des Mittelohrs genau zu beobachten, „um sicherzustellen, dass es keine strukturellen und funktionellen Gewebeschäden durch die Plasmatechnologie gibt“, so das Forschungsteam. (fp)
Lesen Sie auch: Die besten Hausmittel bei Mittelohrentzündung
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- University of Illinois at Urbana-Champaign: Researchers develop a new technique to treat middle ear infections (veröffentlicht 28.06.2021), igb.illinois.edu
- Peter P. Sun, Jungeun Won, Gabrielle Choo-Kang, Shouyan Li, Wenyuan Chen, Guillermo L. Monroy, Eric J. Chaney, Stephen A. Boppart, J. Gary Eden, Thanh H. Nguyen: Inactivation and sensitization of Pseudomonas aeruginosa by microplasma jet array for treating otitis media; in: npj Biofilms and Microbiomes (veröffentlicht 02.06.2021), nature.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.