Handystrahlung: Kann Nutzung von Mobiltelefonen Hirntumorrisiko erhöhen?
Seit Jahren taucht immer wieder die Frage auf, ob die Nutzung von Mobiltelefonen das Risiko für Hirntumore erhöhen kann. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen haben sich seitdem mit diesem Thema beschäftigt. Nun kommt eine neue Studie zu dem Ergebnis, dass Handystrahlung das Hirntumorrisiko nicht erhöht.
Handys beziehungsweise Smartphones sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Es wird jedoch immer wieder diskutiert, ob die elektromagnetische Hochfrequenzstrahlung Risiken birgt. Die größte Sorge besteht hier hinsichtlich Hirntumoren. Nach aktueller Studienlage ist aber davon auszugehen, dass die Handynutzung das Hirntumorrisiko nicht erhöht. Darauf weist auch eine Analyse hin, die in der Fachzeitschrift „Journal of the National Cancer Institute“ veröffentlicht wurde.
Emission von elektromagnetischen Feldern
Wie die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN) in einer aktuellen Mitteilung schreibt, geht die kabellose Kommunikation über Mobiltelefone mit einer Emission von elektromagnetischen Feldern („radiofrequency electromagnetic fields“/RF-EMF) einher. RF-EMF gab es im Alltag schon vor dem Mobilfunk durch Radio und Fernsehen; dies sind aber keine Geräte, die in Kopfnähe verwendet wurden.
Die ausgesendete elektromagnetische Strahlung, die im hochfrequenten Spektrum zwischen FM-Radiowellen und Mikrowellen liegt, ist wie auch sichtbares Licht und Wärmestrahlung nicht-ionisierend – im Gegensatz zu ionisierenden Strahlen wie UV-, Röntgen-, und γ-Strahlung.
Die Energie der Handystrahlung reicht nicht aus, um die DNA in den Zellkernen direkt zu schädigen und somit Krebs auszulösen. Hohe Dosen von RF-Wellen können aber Zellen und Gewebe erwärmen; dabei gilt: je niedriger die Frequenz, desto tiefer dringen die Strahlen ein.
Innerhalb der vorgeschriebenen Grenzwerte reicht die Energie von Mobiltelefonen jedoch nicht aus, um zum Beispiel die Körpertemperatur zu erhöhen. Es wurde lange Zeit diskutiert, dass es auch unterhalb dieser Grenzwerte biologische Nebenwirkungen von Mobiltelefon-Nutzung geben könnte, möglicherweise durch andere Mechanismen als die Wärmeabgabe.
Zahlreiche Studien untersuchten die Assoziation zwischen Handynutzung und Hirntumoren – nach der aktuellen Evidenz erhöht eine normale Nutzung von Mobiltelefonen das Hirntumorrisiko nicht, wie das Scientific Committee on Emerging and Newly Identified Health Risks (SCENIHR) (PDF) berichtet.
Über 770.000 Frauen befragt
Ein im „Journal of the National Cancer Institute“ veröffentlichtes Update der „UK Million Women Study“ berichtet jetzt über die Follow-up-Phase (ab 2013) zur möglichen Assoziation zwischen Mobiltelefon-Nutzung und Hirntumoren.
Den Angaben zufolge begann die großangelegte, prospektive Studie 1996 in England und Schottland mit der Rekrutierung jeder vierten, zwischen 1935-1950 geborenen Frau in Großbritannien an 66 Brustkrebs-Screeningzentren des NHS (National Health Service).
Primär sollte die Assoziation von Brustkrebsrisiko und menopausalen Hormontherapien evaluiert werden – und anderer potenziell modifizierbarer Faktoren, die die Gesundheit von Frauen im späteren Leben beeinträchtigen könnten.
Bis 2001 wurden insgesamt 1,3 Millionen Frauen in die Studie eingeschlossen. Im Jahr 2001 wurden erstmals Fragen zur Nutzung von Mobiltelefonen gestellt und dann wieder 2011. Von 776.156 Frauen, die 2001 den Fragebogen vollständig beantwortet hatten, erkrankten im Follow-up über 14 Jahre hinweg 3.268 an einem Hirntumor.
Kein erhöhtes Hirntumorrisiko bei der Nutzung von Mobiltelefonen
Das adjustierte relative Risiko bei Handy-Nutzung („ever“) versus keine Handynutzung („never“) betrug laut der DGN für alle Arten von Hirntumoren 0,97; für Gliome 0,89 und für Meningeome, Hypophysentumoren und Akustikusneurinome jeweils 1,0. Daher besteht kein erhöhtes Hirntumorrisiko bei der Nutzung von Mobiltelefonen.
Verglichen mit Teilnehmerinnen, die angaben, nie Handys zu nutzen, gab es auch keine statistisch signifikanten Assoziationen für Hirntumoren beziehungsweise Tumor-Subtypen bei den Untergruppen mit „täglichem Gebrauch des Mobiltelefons“ oder mit „Gebrauch des Mobiltelefons seit mindestens zehn Jahren“.
Wenn die Handy-Nutzung von 2011 zugrunde gelegt wird, gab es gegenüber „Nie-Nutzerinnen“ auch keine statistisch signifikanten Assoziationen bei Teilnehmerinnen, die „mindestens eine Minute pro Woche“ oder „mindestens 20 Minuten pro Woche mobil telefonierten“ oder „seit mindestens zehn Jahren ein Mobiltelefon nutzten“.
Für alle Gruppen lag das relative Risiko für Gliome in den Gehirnbereichen, die potenziell der stärksten Handystrahlung ausgesetzt sind (Temporal- oder Parietallappen), demnach ungefähr bei 1,0.
Zudem kommt hinzu: Die Strahlungsemission hat mit immer neueren Handy-Generationen deutlich abgenommen, so dass Nutzende heute bei exzessiver Nutzung wahrscheinlich der gleichen Menge an RF-EMF-Exposition ausgesetzt sind wie bei moderater Nutzung von Mobiltelefonen der ersten Generation.
„Auch wenn in dieser Studie ausschließlich Daten zu Frauen erhoben wurden, unterstützen die Ergebnisse die zunehmende Evidenz, dass eine Mobiltelefon-Nutzung unter den üblichen Bedingungen Risiko und Inzidenz für Hirntumoren nicht erhöht“, kommentiert DGN-Pressesprecher Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.: Kein Hirntumorrisiko durch Handystrahlung, (Abruf: 31.05.2022), Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.
- Joachim Schüz, Kirstin Pirie, Gillian K Reeves, Sarah Floud, Valerie Beral, Million Women Study Collaborators: Cellular Telephone Use and the Risk of Brain Tumors: Update of the UK Million Women Study; in: Journal of the National Cancer Institute, (veröffentlicht: 09.05.2022), Journal of the National Cancer Institute
- Scientific Committee on Emerging and Newly Identified Health Risks (SCENIHR): Opinion on Potential Health Effects of Exposure to Electromagnetic Fields (EMF), (PDF), (Abruf: 31.05.2022), ec.europa.eu
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.