Europäische Arzneimittelagentur überprüft Risiken moderner Antibabypillen
04.02.2013
Seit langem ist bekannt, dass Antibabypillen eine erhöhte Thrombosegefahr bedingen. Das Risiko einer lebensbedrohlichen Thrombose ist jedoch bei den einzelnen Präparaten äußerst unterschiedlich. Um hier eine Einschätzung des Risikos für die Verbraucherinnen zu ermöglichen, hat die europäische Arzneimittelagentur (EMA) nun eine Überprüfung der Verhütungspillen angekündigt.
Nach Aufforderung durch die französische Arzneimittelüberwachungsbehörde hat sich die EMA dazu entschieden, die Antibabypillen der dritten und vierten Generation einer Prüfung zu unterziehen, „um festzustellen, ob Änderungen der Zulassung notwendig sind“, so die offizielle Mitteilung. Kritiker fordern seit langem, den Verkauf der umstrittenen Präparate einzuschränken. Die europäische Arzneimittelagentur erwägt eine Beschränkung der Verschreibung auf Frauen, denen nicht mit anderen „kombinierten oralen Kontrazeptiva“ geholfen werden kann. Die gängige Praxis einer Anwendung der Antibabypillen gegen Akne scheint vor dem Hintergrund der aktuellen Kritik ebenfalls fragwürdig.
Erhöhtes Risiko einer Lungenembolie
Millionen Frauen in Deutschland nutzen die Antibabypille zur Verhütung. Dass sie sich damit einem erhöhten Thrombose-Risiko aussetzen, ist seit langem bekannt. Doch die modernen Pillen der dritten und vierten Generation scheinen hier deutlich gefährlicher zu sein als herkömmliche Präparate. Offenbar ist die Gefahr eines Blutgerinnsels mit anschließender Thrombose, Lungenembolie oder einem Schlaganfall bei den neueren Antibabypillen weit höher als bei den Pillen der ersten und zweiten Generation. Laut Mitteilung der EMA liegt das Risiko einer venösen Thromboembolie durch Einnahme der Antibabypille insgesamt bei zwanzig bis 40 Fällen je 100.000 Anwenderinnen. Die Kontrazeptiva der dritten und vierten Generation seien hier jedoch mit einem rund doppelt so hohen Risiko verbunden, wie die Antibabypillen der ersten und zweiten Generation.
Europäische Arzneimittelagentur um Überprüfung gebeten
Aufgekommen war die erneute Debatte über die Risiken der modernen Antibabypillen, nachdem in Frankreich eine Frau gegen den Pharmakonzern Bayer geklagt hatte, weil sie ihrer Ansicht nach durch die Einnahme der Pille Meliane im Jahr 2006 einen Schlaganfall erlitten hatte und seither schwerbehindert ist. Nun sollen alle Antibabypillen der dritten und vierten Generation auf den Prüfstand. Dies betrifft unter anderem Präparate wie Yasmin, Yaz oder Petibelle aber auch das Akne-Medikament Diane 35, welches auf einem ähnlichen Wirkprinzip beruht. Die französische Arzneimittelaufsicht hat bereits angekündigt Diane 35 vom Markt zu nehmen, nachdem in Frankreich vier Todesfälle durch Thrombosen in Verbindung mit dem Präparat gebracht wurden. Im Anschluss an die nun geplante Überprüfung „der dritten und vierten Generation kombinierter oraler Kontrazeptiva“, werde die EMA entscheiden, „ob die aktuell verfügbaren Produktinformationen die bestmöglichen Informationen für Patienten und Ärzte bieten“, so die offizielle Mitteilung. Dies sei das erste Mal, „dass die Mitgliedstaaten die Agentur zu einer EU-weiten Empfehlung für diese Medikamente im Rahmen der neuen Pharmakovigilanz-Gesetzgebung (Gesetze zur Arzneimittelüberwachung) gebeten haben.“
Antibabypillen der zweiten Generation bevorzugt
Mögliche Risiken durch die modernen Antibabypillen finden auch in der Empfehlung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu dieser Verhütungsmethode Berücksichtigung. Das BfArM rät insbesondere bei Erstanwenderinnen zu Pillen der zweiten Generation, um das Thrombose-Risiko nicht unnötig zu erhöhen. Zu einer vergleichbaren Einschätzung kommt die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, welche bei Frauen unter 30 Jahren generell zu einem Verzicht auf die Pillen der dritten und vierten Generation rät. Zwar würden aus kosmetischen Gründen beziehungsweise zur parallelen Behandlung von Akne oftmals die modernen Pillen mit dem Wirkstoff Drospirenon bevorzugt, doch das hiermit verbundene Thrombose-Risiko dürfe nicht unterschätzt werden. Die kombinierten oralen Kontrazeptiva sind laut Angaben der EMA allerdings „unter strenger Überwachung durch die nationalen Arzneimittelüberwachungssysteme“, so dass kein Grund für die Frauen bestehe, die Einnahme ihrer Verhütungsmittel abrupt zu beenden oder das Präparat zu wechseln. Haben Frauen Bedenken, sollten „sie dies mit ihrem Arzt besprechen“, empfiehlt die EMA. Da der Umstieg auf ein anderes Präparat zunächst ebenfalls mit einem erhöhten Thrombose-Risiko verbunden sein kann, wird hier generell zur Rücksprache mit dem Arzt geraten.
Moderne Antibabypillen mit mehr Nebenwirkungen?
Die von der Europäischen Arzneimittelagentur angeordnete Überprüfung der modernen Antibabypillen wirkt wie Wasser auf die Mühlen der Kritiker, die seit langem vor dem Gesundheitsrisiko der beliebten Kontrazeptiva warnen. Bemerkenswert bis irritierend scheint, dass die Präparate der dritten und vierten Generation mit schwerwiegenderen Nebenwirkungen in Verbindung gebracht werden, als die älteren Arzneien. Normalerweise sollte die Reduzierung bestehender Nebenwirkungen bei vermeintlichen Verbesserungen von Medikamenten stets ein wesentlicher Faktor sein. Das maßgebliche Risiko der Antibabypillen bildet die Gefahr einer Thrombose mit Folgen wie einer Lungenembolie oder einem Schlaganfall. Dieses Risiko ist jedoch offenbar mit Einführung neuer Präparate deutlich gestiegen, anstatt zu sinken. (fp)
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