Ballaststoffarme Ernährung bedingt erhebliche Beeinträchtigungen der Darmflora
Die Vielfalt der nützlichen Darmbakterien kann durch die typische westliche Ernährung irreversiblen Schaden nehmen. Der niedrige Anteil an Ballaststoffen und Mikrobiota zugänglichen Kohlenhydraten in den Lebensmitteln moderner Industrienationen führt von Generation zu Generation zu einem steigenden Verlust der Darmbakterien, berichten US-Forscher der Stanford University School of Medicine. Hier ergeben sich entsprechende Beeinträchtigungen der Darmflora und weitreichende negative Folgen für den gesamt Organismus.
Das Team um Professor Justin Sonnenburg von der Stanford University School of Medicine konnte in seinen aktuellen Untersuchungen anhand von Mäusen nachweisen, dass die ballaststoffarme Ernährung direkten Einfluss auf die Darmflora hat und dabei über die verschiedenen Generationen der Tiere irreversible Veränderungen eintreten. Nach vier Generation mit ballaststoffarmer Ernährung waren laut Aussage der Forscher fast drei Viertel der nützlichen Darmbakterienarten verschwunden. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler in dem Fachmagazin „Nature“ veröffentlicht.
Tausende von verschiedenen Bakterienarten bewohnen den Dickdarm jedes gesunden Individuums und „wir hätten Schwierigkeiten, ohne sie zu leben“, betont Professor Sonnenburg. Laut Aussage des Mikrobiologen helfen die Darmbakterien „Krankheitserreger abzuwehren, sie schulen das Immunsystem und beeinflussen sogar die Entwicklung unserer Gewebe.“ Auch in Bezug auf die Verwertung von Nährstoffen spielen die Bakterien ein maßgebliche Rolle.
Beeinflusst wird die individuelle Darmbakterienpopulation durch verschiedene Faktoren, wobei den Darmbakterien der Familie und insbesondere der Mutter zunächst eine herausragende Bedeutung zukommt. Sie werden auf neugeborene Kinder und Babys übertragen.
Veränderungen der Darmflora im Lebensverlauf
Allerdings verändert sich die Darmflora während der Lebenszeit. Beispielsweise kann die Einnahme von Antibiotika erhebliche Beeinträchtigungen der Darmbakterien bedingen. „Zahlreiche Faktoren, einschließlich des weitverbreiteten Einsatzes von Antibiotika, der Zunahme von Kaiserschnitten und dem weniger häufigen Stillen“ haben zu einer Verarmung der Darmflora geführt, erläutert Erica Sonnenburg, Hauptautorin der Studie (und Ehefrau von Professor Justin Sonnenburg).
Die Ernährung ist hier ebenfalls von besonderer Relevanz für die Artenvielfalt der Darmbakterien. Die Wissenschaftler haben sich daher gefragt, welchen Einfluss der große Unterschied in der Ballaststoffzufuhr zwischen traditionellen und modernen Populationen auf die Darmbakterien hat.
Nur wenig Ballaststoffe in modernen Lebensmitteln
Die Verbreitung von nahezu ballaststofffreien, verarbeiteten Lebensmittelprodukten seit der Mitte des 20. Jahrhunderts hat in den Industriegesellschaften zu einem Rückgang der Aufnahme von Ballaststoffen auf rund 15 Gramm pro Tag geführt, berichten Professor Sonnenburg und Kollegen. Dies sei „weniger als ein Zehntel der Ballaststoffaufnahme von heutigen Gesellschaften der Jäger und Sammler oder ländlichen-agrarischen Bevölkerungen, deren Lebensbedingungen und Nahrungsaufnahme vermutlich am meisten denen unserer gemeinsamen menschlichen Vorfahren ähneln“, erläutert Professor Justin Sonnenburg.
Praktisch alle Gesundheitsexperten seien sich einig, dass derart ballaststoffarme Kost unter gesundheitlichen Aspekten nicht empfehlenswert sind. Auch weil die Ballaststoffe, welche nicht von menschlichen Enzymen verdaut werden können, die Hauptnahrungsquelle für die Darmbakterien bilden.
Darmbakterien-Profile an Mäusen untersucht
Anhand von Mäusen untersuchten die US-Wissenschaftler in ihrer Studie die Auswirkungen der ballaststoffarmen Ernährung auf die Darmbakterien. Junge Labormäusen, die speziell unter aseptischen Bedingungen gezüchtet wurden und daher Eingeweide ohne jegliche mikrobielle Besiedlung aufwiesen, erhielten Mikroben von einem menschlichen Spendern, so dass sie eine entsprechende Darmflora entwickelten.
Anschließend wurden die Mäuse in zwei Gruppen unterteilt, wobei eine Gruppe eine ballaststoffreiche Ernährung und die andere Gruppe eine Ernährung mit viel Eiweiß, Fett und Kalorien, aber praktisch ohne Ballaststoffe erhielt. Während der Experimente untersuchten die Forscher die Kotproben der Tiere und bestimmt so die Profile der Darmbakterien. In beiden Gruppen haben sich die Bakterien-Profile zunächst nicht unterschieden. Schon innerhalb von ein paar Wochen waren allerdings massive Veränderungen festzustellen, berichtet Professor Justin Sonnenburg.
Nach wenigen Wochen sind viel Bakterien bereits verschwunden
Die Mäuse in der ballaststoffarmen Gruppe zeigten laut Aussage der Forscher nach rund sechs Wochen deutlich weniger Bakterienarten im Darm als die Tiere in der Kontrollgruppe. Bei mehr als der Hälfte der Bakterienarten war das Vorkommen um über 75 Prozent zurückgegangen und viele Arten schienen völlig verschwunden, berichten Professor Sonnenburg und Kollegen. Nach sieben Wochen Versuchszeitraum sei die Nahrung der Mäuse für vier Wochen wieder auf eine ballaststoffreiche Ernährung umgestellt worden. Zwar konnten hierdurch die Darmbakterien-Profile teilweise zurückgewonnen werden, doch war diese Wiederherstellung laut Aussage der Wissenschaftler nur eingeschränkt möglich.
„Ein Drittel der ursprünglichen Arten kehrte nie vollständig zurück, trotz der ballaststoffreichen Ernährung“, so die US-Forscher in der Pressemitteilung der Stanford University School of Medicine.
Vielfalt der Darmbakterie sinkt mit jeder Generation
Die eigentliche Überraschung war laut Aussage der Wissenschaftler jedoch der Generationen übergreifende Effekt bei der Entwicklung der Darmflora. So habe die ballaststoffarme Ernährung bei jeder folgenden Generation Mäuse eine sinkende Vielfalt der Darmbakterien bedingt. In der vierten Generation war waren fast drei Viertel der ursprünglichen eingesetzten Bakterienarten bei den Versuchstieren verschwunden. Selbst wenn diese Mäuse auf eine ballaststoffreiche Diät gesetzt wurden, blieben mehr als zwei Drittel der Bakterienarten unwiederbringlich ausgelöscht. Dies komme einem Aussterben der Arten in der vierten Generation ballaststoffarmer Ernährung gleich.
Die Ernährungsgewohnheiten in den modernen Industrienationen könnten demnach eine irreversible Auslöschung zahlreicher nützlicher Darmbakterien bei kommenden Generationen mit sich bringen. Welche Folgen dies für die menschliche Gesundheit haben wird, lässt sich bislang allerdings nur schwer abschätzen. Experten gehen davon aus, dass Beschwerden wie ein Blähbauch oder dauernde Bauchschmerzen erste Anzeichen einer gestörten Darmflora sind. Auf lange Sicht werden die negativen Effekte über Generationen hinweg deutlich zunehmen, so die Vermutung der Forscher. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.