Wettbewerbszentrale kämpft gegen irreführende Lebensmittelwerbung
13.07.2012
„Monsterbacke“-Früchtequark für Kinder „So wichtig wie das tägliche Glas Milch“ – Wegen dieses ihrer Ansicht nach irreführenden Werbeversprechens verklagt die Wettbewerbszentrale die Molkerei Ehrmann. In ihrer über 100-jährigen Geschichte hat die Wettbewerbszentrale rund 300.000 Mal eine förmliche Beanstandung von Geschäftspraktiken ausgesprochen, mehr als 25.000 Fälle landeten vor Gericht.
Vielversprechende Werbeaussage, die angesichts der tatsächlichen Eigenschaften der Produkte keineswegs zu rechtfertige sind, erfreuen sich bis heute großer Beliebtheit. So bewirbt beispielsweise Ferrero seine „Milch-Schnitte“ mit dem Slogan „Schmeckt leicht. Belastet nicht. Ideal für zwischendurch“, obwohl diese zu circa 60 Prozent aus Fett und Zucker besteht. Bei den besonders dreisten Werbelügen schaltet sich die Wettbewerbszentrale ein und zieht im Zweifelsfall auch vor Gericht. Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. sieht sich als Organ der wirtschaftlichen Selbstkontrolle und geht bei Verstößen im Zweifelsfall auch gegen Mitglieder des eigenen Verbandes vor.„Nur durch dieses Selbstverständnis unserer Mitglieder ist die Selbstkontrolle wirksam und glaubwürdig“, betonte Dr. Reiner Münker, Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied der Wettbewerbszentrale bei deren hundertjährigem Jubiläum im Mai.
Wettbewerbszentrale zieht gegen Werbelügen vor Gericht
Zu den Unternehmen die von der Wettbewerbszentrale bereits gerügt wurden, zählen zahlreiche große, namhafte Konzerne aber auch kleine und mittelständische Gewerbetreibende.So wurde beispielsweise gegen einen hessischen Filialbäcker mit Erfolg Klage beim Oberlandesgericht(OLG) Schleswig eingereicht, da dieser sein „Eiweiß-Abendbrot“ mit der Aussage bewarb: „Schlank im Schlaf“. Das Brot könne keine Gewichtsabnahme bewirken, die Werbeaussage sei daher nicht zulässig, so das Urteil des OLG. In den 1980er Jahren hatte die Wettbewerbszentrale einen heftigen Rechtsstreit wegen des damals berühmten „Cola-Tests“ in der Fernsehwerbung geführt. Aber auch gegen Krombacher ging die Wettbewerbszentrale vor, als die Brauerei im Jahr 2002 mit der Aussage, dass je gekauftem Kasten Krombacher ein Quadratmeter Regenwald nachhaltig geschützt werde, versuchte den Verkauf anzukurbeln. Eine Kaffeerösterei, die mit dem Slogan warb: „Behutsame Röstung über offenem Feuer“, wurde auf Betreiben der Wettbewerbszentrale vom pfälzische OLG Zweibrücken zur Einstellung, der unzutreffenden Werbeaussage aufgefordert, da der Kaffee nicht über offenem Feuer, sondern in einem gasbetriebenen Trommelröster geröstet werde.
„Monsterbacke“-Früchtequark kein Ersatz für ein Glas Milch
Mit der Molkerei Ehrmann befindet sich die Wettbewerbszentrale derzeit ebenfalls im Rechtsstreit, wegen deren „Monsterbacke“-Früchtequark. Die Molkerei bewirbt diesen mit der Aussage: „So wichtig wie das tägliche Glas Milch.“ Für die Wettbewerbshüter ein eindeutig irreführender Slogan. Denn sowohl Eltern als auch Kindern werde suggeriert, dass sich ein Glas Milch durch einen Früchtequark ersetzen lasse. Dies sei jedoch keineswegs der Fall, auch wenn eine Portion „Monsterbacke“ tatsächlich die gleiche Menge Kalzium enthält, wie ein Glas Milch. Außerdem finde sich in dem Früchtequark ein beachtlicher Zuckergehalt und ein relativ hoher Anteil an Zusatzstoffe und Aromen, so die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs weiter. In erster Instanz hatte sich die Wettbewerbszentrale vor dem OLG Stuttgart durchgesetzt, doch die Molkerei wollte sich nicht so schnell geschlagen geben und ging daher in Revision. Nun muss der Bundesgerichtshof entscheiden, ob der Früchtequark weiterhin mit dem Slogan beworben werden darf.
Wahrheitsgemäße Werbeaussagen gefordert
Im Bereich der Lebensmittel setzten sie auch Organisationen wie „Foodwatch“ oder der „aid infodienst“ für wahrheitsgemäße Werbeaussage ein. Sie prangern die dreistesten Werbelügen an, präsentieren diese auf ihren Internetseiten und fordern die Hersteller auf, ihre irreführende Werbung einzustellen. Außerdem erarbeiten die Experten von „Foodwatch“ auch Gesetzesvorschläge, um im Sinne der Verbraucher eine wahrheitsgemäße Deklarierung der Lebensmittel zu erreichen und die Politik unter Zugzwang zu setzen. Zu den Lebensmitteln die von „Foodwatch“ massiv kritisiert werden, zählen zum Beispiel der probiotische Joghurt „Activia“ von Danone mit seiner angeblich verdauungsregulierenden Funktion, die vitaminisierten „Ferdi Fuchs“ Mini-Würstchen für Kinder von Stockmeyer mit ihrem vermeintlichen „täglichen Beitrag für die gesunde Ernährung“ und die „Nimm2“ Bonbons von Storck, welche Kindern suggerieren, sie könnten ihren Vitaminbedarf auch mit Bonbons decken.
Dreistesten Werbelügen werden mit dem Goldenen Windbeutel prämiert
Auch Milch-Schnitte wird wegen des Werbeversprechens „Schmeckt leicht. Belastet nicht.“ von „Foodwatch“ harsch kritisiert. Schließlich enthalte die vorzugsweise mit Unterstützung von Spitzensportlern beworbene Milch-Schnitte 60 Prozent Fett und Zucker und damit prozentual mehr Zucker und Fett als so manches Stück Schoko-Sahnetorte, erläuterte „Foodwatch“. Als dreisteste Werbelüge haben zehntausende Verbraucher dieses Jahr die Instant-Früchtetees ab dem 12. Monat von Hipp mit dem „Goldenen Windbeutel“ ausgezeichnet. Der Hersteller Hipp versuche „Zuckergranulat-Tees als empfehlenswert für Kleinkinder zu verkaufen“, so der Vorwurf von „Foodwatch“.
EU-Kommission überprüft Werbeaussagen
Nicht nur die Verbraucherschutzorganisationen und die Wettbewerbszentrale setzen sich gegen die irreführenden Werbeversprechen ein, auch die EU-Kommission geht gegen die pseudowissenschaftlichen Werbeaussagen vor. Bestimmte „Health Claims“ wurden verboten, und die Europäische Lebensmittelagentur EFSA in Parma hatte knapp 4.000 Anträge auf Zulassung von Werbeaussagen auf ihre wissenschaftliche Fundierung überprüft. Rund 1.600 Slogans, wie beispielsweise „Stärkt das Immunsystem“ oder „für gesunde Knochen und Gelenke“ wurden als wissenschaftlich nicht haltbar abgelehnt, 2.000 weitere werden derzeit noch bewertet. Für die durchgefallenen Werbeslogans gilt noch eine Übergangszeit bis Dezember, anschließend dürfen sie nicht mehr angewandt werden. (fp)
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