Traumatisierte Frauen können Phobien „vererben“
29.07.2014
Erleben Frauen im Laufe ihres Lebens eine traumatisierende Situation, geben sie die daraus entstandenen Ängste später häufig an ihre Kinder weiter. Wie Forscher der University of Michigan in Ann Arbor nun herausgefunden haben, müssten für diese „Vererbung“ die Mütter nicht ein mal präsent sein – stattdessen sei für das Kind bereits der Geruch ihres Angstschweißes ausreichend, um eine dauerhafte Phobie zu entwickeln.
US-amerikanische Forscher untersuchen Weitergabe von Ängsten bei Ratten
Ob Angst vor Spinnen, engen Räumen (Klaustrophobie) oder dem Zahnarzt (Dentophobie): Leiden Frauen aufgrund eines traumatischen Erlebnisses an einer Phobie, treten bei ihren späteren Kinder häufig ganz ähnliche Ängste auf. Dieses Phänomen ist schon länger bekannt – ungeklärt war bislang nur, wie die „Vererbung“ der Angst vor bestimmten Dingen von Generation zu Generation weitergegeben wird. Nun konnten jedoch US-amerikanische Forscher der University of Michigan in Ann Arbor durch die Untersuchung von Ratten neue Erkenntnisse gewinnen.
Geruch des Angstschweißes reicht aus, damit Kinder eine ähnliche Angst entwickeln
Demnach müsse eine Mutter, die unter Ängsten leidet, nicht einmal anwesend sein, stattdessen reiche offenbar schon der Geruch des Angstschweißes, damit Kinder eine ähnliche Angst entwickeln. Auch wenn sie selbst gar keine traumatisierende Erfahrung gemacht haben. Die Forscher hatten für ihre Studie zunächst bei nicht-trächtigen Ratten-Weibchen den Duft von Pfefferminze mit leichten elektrischen Stromstößen verknüpft. Als die Tiere Nachwuchs geworfen hatten, wurden sie erneut dem Geruch der Minze ausgesetzt – jedoch ohne dabei einen leichten Stromstoß zu bekommen. Doch auch ohne diesen Reiz übertrug sich die Angst auf die erst wenige Tage alten Jungtiere. „Während der ersten Tage sind kleine Ratten immun gegen Informationen zu Umweltgefahren“, so der Forscher Jacek Debiec von der University of Michigan in einer Pressemitteilung seiner Universität. „Aber wenn ihre Mutter die Quelle der bedrohlichen Information ist, können sie von ihr lernen und dauerhafte Erinnerungen bilden.”
Muttertier muss nicht einmal anwesend sein
Dies bestätigte sich sodann in einem weiteren Versuch, in dem das Muttertier nicht einmal mehr präsent war. Stattdessen funktionierte die Angst-“Vererbung“ bereits durch die Konfrontation der Jungtiere mit dem Geruch des mütterlichen Angstschweißes, den die Wissenschaftler mit Pfefferminz-Geruch verknüpften. Dies könne erklären, wie die Fortführung von Phobien innerhalb von Generationen funktioniere, schreiben Jacek Debiec und Regina Marie Sullivan von der University of Michigan in den “Proceedings” der US-nationalen Akademie der Wissenschaften (“PNAS”). Die mütterliche Angst wirkte dabei den Forschern nach überraschend stark, denn bereits eine einzige Konfrontation mit dem Schweiß im Alter von 13 Tagen hatte für eine 30 Tage anhaltende Furcht gesorgt. Dies sei den Forschen offenbar nach auf eine verstärkte Aktivierung der Hirnregion Amygdala zurückzuführen, welche maßgeblich an der Entstehung von Angst beteiligt ist – denn erhielt der Nachwuchs ein Amygdala-Blocker, wurde die Angst nicht übertragen.
Kleinkinder lernen schon sehr früh von mütterlichen Angstbekundungen
Die Ergebnisse seine den Experten nach auch auf den Menschen übertragbar, denn auch wir könnten Phobien leicht an unsere Nachkommen weitergeben: „Unsere Studie zeigt, dass Kleinkinder schon sehr früh im Leben von mütterlichen Angstbekundungen lernen können“, so Jacek Debiec weiter. „Bevor sie ihre eigenen Erfahrungen machen können, erwerben sie im Grunde bereits die Erfahrungen ihrer Mütter. Am wichtigsten ist, dass diese maternal übertragen Erinnerungen langlebig sind, während andere Arten des Lernens bei Säuglingen schnell wieder untergehen, sofern diese nicht wiederholt werden“, erklärt der Experte weiter. Die Forscher hoffen nun, dass ihre Arbeit auch zu einem besseren Verständnis beitrage, „warum nicht alle Kinder von traumatisierten Müttern oder von Müttern mit krankhaften Phobien, anderen Angststörungen oder Depressionen, die gleichen Auswirkungen erfahren.“ (nr)
Bild: Helene Souza / pixelio.de
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.