Optimales Muskelwachstum dank dem richtigen Training
Mit einem neuen mathematischen Modell kann bestimmt werden kann, wie stark und wie lange ein Muskel bei einer bestimmten Belastung wächst. So ließe sich anhand von Angaben zur individuellen Physiologie ein optimaler Trainingsplan ableiten.
Titin beeinflusst Muskelwachstum
Die in dem englischsprachigen Fachblatt „Biophysical Journal“ veröffentlichten Ergebnisse eines Forschungsteams der University of Cambridge deuten darauf hin, dass mit Hilfe eines speziellen mathematischen Modells für jede Person und jedes Muskelwachstumsziel ein optimales Training berechnet werden kann.
Wann wachsen Muskeln?
Muskeln können nur für eine sehr kurze Zeit nahezu maximal belastet werden. Der Zellsignalweg, der zur Synthese neuer Muskelproteine führt, wird durch die Dauer und Intensität der Belastung aktiviert, erläutert das Team. Unterhalb eines bestimmten Wertes reiche die Belastung jedoch nicht mehr aus, um die Signalübertragung zu aktivieren.
Je höher die Belastung, die Anzahl der Wiederholungen oder die Häufigkeit des Trainings, desto größer sei die Zunahme der Muskelmasse. Auf den ganzen Muskel bezogen bleibe aber unklar, warum oder in welchem Umfang dies geschieht.
Erklärung für Muskelwachstum auf molekularer Ebene
Muskeln bestehen aus einzelnen Filamenten, welche kleiner als eine Muskelzelle sind. Dies sei der Grund, warum ein Teil der Erklärung für das Muskelwachstum auf molekularer Ebene liegen muss. „Die Wechselwirkungen zwischen den wichtigsten Strukturmolekülen im Muskel wurden erst vor etwa 50 Jahren aufgeklärt. Wie die kleineren, akzessorischen Proteine in das Bild passen, ist immer noch nicht ganz klar“, erläutert Studienautor Neil Ibata.
Daten zu diesem Thema seien schwer zu beschaffen. Menschen hätten starke Unterschiede in ihrer Physiologie und ihrem Verhalten, weshalb ein kontrolliertes Experiment zur Veränderung der Muskelgröße an echten Personen fast unmöglich ist, so das Team. Generell sei es sehr schwierig, alle wichtigen Faktoren zu diesem Thema zusammen zu betrachten.
Titin-Kinase-Domäne erzeugt Signal für Muskelwachstum
Das Team aus Cambridge hatte in früheren Studien bereits herausgefunden, dass der dritthäufigste Muskelbestandteil (Titin) für die Signalisierung von Veränderungen der aufgebrachten Kraft verantwortlich sein muss. Titin ist ein riesiges Protein, von dem ein großer Teil bei der Dehnung eines Muskels gestreckt wird, aber ein kleiner Teil des Moleküls steht auch bei der Muskelkontraktion unter Spannung. Dieser Teil enthält die Titin-Kinase-Domäne, die das chemische Signal erzeugt, welches das Muskelwachstum beeinflusst, erklären die Fachleute.
Wird das Molekül einer größeren Kraft ausgesetzt oder wird es länger durch die selbe Kraft belastet, erhöhe sich die Anzahl der aktivierten Signalmoleküle. Diese Moleküle regen dann die Synthese von mehr Boten-RNA an, was zur Produktion neuer Muskelproteine führt, und der Querschnitt der Muskelzelle nimmt zu, so das Team.
Optimierte Trainingseinheiten verbessern Ergebnisse
Durch die Vermeidung von Trainingsplänen mit geringer Produktivität lassen sich viel Zeit und Ressourcen sparen und gleichzeitig kann das Potenzial der Person mit regelmäßigen, höherwertigen Trainingseinheiten maximiert werden, erläutern die Forschenden.
Für ein einfaches Modell sei zunächst die kraftabhängige Wahrscheinlichkeit ermittelt worden, mit der sich eine Titin-Kinase-Einheit unter Krafteinwirkung öffnet oder schließt und ein Signalmolekül aktiviert. Das Model wurde komplexer, indem zusätzliche Informationen wie der metabolische Energieaustausch, die Wiederholungslänge und die Erholung einbezogen wurden. Dann wurde das Modell anhand früherer Langzeitstudien zur Muskelhypertrophie validiert.
„Es gibt zwar experimentelle Daten, die ein ähnliches Muskelwachstum bei Belastungen von nur 30 Prozent der Maximallast zeigen, aber unser Modell deutet darauf hin, dass Belastungen von 70 Prozent eine effizientere Methode zur Stimulierung des Wachstums sind”, berichtet Studienautor Professor Eugene Terentjev in einer Pressemitteilung.
Unterhalb dieses Wertes sinke die Öffnungsrate der Titinkinase rapide und verhindere, dass eine mechanosensitive Signalübertragung stattfinden kann. Darüber hinaus verhindere eine schnelle Erschöpfung ein gutes Ergebnis, fügt der Experte hinzu, und genau dies habe das Modell quantitativ vorhergesagt. Die Studie gebe Einblick in die potenziellen Mechanismen, wie Muskeln Belastung wahrnehmen und darauf reagieren.
Ab wann beginnt Muskelschwund?
Das Modell befasste sich auch mit Muskelschwund, welcher bei langer Bettruhe oder in Schwerelosigkeit auftritt. So zeigte sich, wie lange ein Muskel inaktiv bleiben kann, bevor er sich abbaut, und wie ein optimales Erholungsprogramm aussehen könnte, erläutern die Forschenden.
Das Team plant nun die Entwicklung einer benutzerfreundlichen, softwaregestützten Anwendung, die individuelle Trainingspläne für bestimmte Ziele erstellen kann. Zusätzlich sei geplant, durch eine Erweiterung der Analyse mit detaillierten Daten für Männer und Frauen das Modell zu verbessern. Denn bisher seien viele Studien zum Thema Training stark auf männliche Sportler ausgerichtet. (as)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- University of Cambridge: Mathematical model predicts best way to build muscle (veröffentlicht 23.08.2021), University of Cambridge
- Neil Ibata, Eugene M. Terentjev: Why exercise builds muscles: titin mechanosensing controls skeletal muscle growth under load; in: Biophysical Journal (veröffentlicht 10.08.2021), Biophysical Journal
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.