Ist die Milch fremder Mütter riskant?
06.02.2014
Stillen gilt unter den meisten Experten als das Beste für das Baby. Da jedoch nicht alle Mütter ihren Kindern die eigene Milch geben können, gibt es nun im Internet die erste deutsche Muttermilch-Börse. Mediziner warnen jedoch vor Risiken.
Mindestens sechs Monate stillen
Wissenschaftler und Hebammen sind sich meist einig, wenn es um der Ernährung von Babys geht: Stillen ist das Beste für die Kleinen. Selbst die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät Müttern dazu, ihr Kind mindestens sechs Monate zu stillen. Doch manche Frauen können ihrem Kind aus unterschiedlichen Gründen keine eigene Milch geben. Andere Frauen wiederum haben zu viel Milch und sind bereit, diese abzugeben. Diese Umstände führten zur ersten deutschen Muttermilch-Börse im Internet. Seit Januar lassen sich über die Tauschbörse Angebot und Nachfrage regeln.
Muttermilch schützt vor Krankheiten
Die Nationale Stillkommission am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatte bereits vor Jahren die Zusammensetzung von Muttermilch im Vergleich zu industriell hergestellter Säuglingsnahrung verglichen und die Wirkungen von verschiedenen Säuglingsnahrungen im Vergleich zu Muttermilch auf die Gesundheit von Säuglingen bewertet. Muttermilch enthält zahlreiche Substanzen, die in Säuglingsanfangs- und Folgenahrung nicht enthalten sind. Diese Substanzen führen zu einer geringeren Erkrankungswahrscheinlichkeit bei gestillten Säuglingen. Ausschließliches Stillen in den ersten 4 bis 6 Monaten reduziert die Anzahl von Infektionen im Säuglingsalter um 40 bis 70 % und vermindert Krankenhausaufnahmen der Säuglinge im ersten Lebensjahr um mehr als 50 Prozent. Beispielsweise wird das Risiko für Infekte der unteren Atemwege bei Säuglingen durch Stillen um über 70 Prozent gesenkt. Weitere Krankheiten, die bei gestillten Kindern weniger häufig auftreten, sind Mittelohrentzündungen, Magen-Darm-Infektionen, sowie möglicherweise späteres Übergewicht und Diabetes.
Idee entstand aus persönlichen Erfahrungen
Gegründet wurde die Muttermilch-Börse von der zweifachen Mutter Tanja Müller aus Hamburg. Die Idee dazu ergab sich aus ihren eigenen persönlichen Erfahrungen. „Beim ersten Kind wollte es zunächst partout nicht mit dem Stillen klappen und beim zweiten produzierte ich viel zu viel Muttermilch“, so die Hamburgerin. Sie habe versucht, in beiden Fällen mit anderen Müttern in Kontakt zu treten, allerdings vergeblich. Mit der neuen Tauschbörse sei dies nun möglich.
Experte warnt vor Tauschbörse
Auch wenn Frauen, die ihre Angebote auf die Webseite gestellt haben, darauf hinweisen, nicht an bestimmten Krankheiten zu leiden oder nicht zu rauchen, gebe es für die Gesundheit der Spenderin keine Garantie. Deshalb rät der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte ausdrücklich davon ab, Muttermilch über derartige Tauschbörsen einzukaufen. Dr. Wolfram Hartmann, Präsident des Berufsverbandes erklärte zwar: „Muttermilch ist das Beste für einen Säugling, sie enthält alle Nährstoffe in optimaler Zusammensetzung, sie beugt der Entwicklung von Allergien und Infektionskrankheiten vor und sorgt für eine gesunde Entwicklung.“ Doch der Mediziner warnt davor, Muttermilch zu beziehen, die nicht durch eine amtliche Gesundheitskontrolle getestet wurde.
Mütter haben keine Kontrollmöglichkeit
Der Arzt gibt weiterhin zu bedenken: „Spenderinnen können Medikamente oder Drogen nehmen, ansteckende Krankheiten wie AIDS oder Hepatitis haben.“ Wird die Muttermilch über solche Börsen bezogen, könnten Mütter nicht kontrollieren, ob die fremde Muttermilch für das eigene Kind unbedenklich ist. Zudem könnte auch der Transport die Qualität der Muttermilch stark beeinträchtigen und ungenießbar machen. Beim Handel mit Muttermilch gebe es, anders als bei Lebensmitteln, die im Laden erhältlich sind, keine amtlichen Kontrollen.
Milchbanken um schwerkranke Frühchen zu ernähren
Banken mit Muttermilch sind keine komplett neue Idee. In Kinderkliniken waren sie bis in die 1970er Jahre recht weit verbreitet, doch mit der Aids-Epidemie und dem Wissen, dass das HI-Virus durch Muttermilch übertragen werden kann, wurde der Betrieb der sogenannten „Frauenmilchbanken“ europaweit fast flächendeckend eingestellt. Nun gibt es solche Banken jedoch wieder, bundesweit sind es derzeit elf. Die dort gelagerte Muttermilch, die ebenso streng wie eine Blutspende kontrolliert wird, wird dafür gebraucht, um schwerkranke Frühchen zu ernähren.
Es bleibt immer ein Restrisiko
Müttern von gesunden Babys wird geraten, gut abzuwägen, ob sie das Risiko eingehen wollen, nicht getestete und möglicherweise nicht sterile Milch zu verfüttern. „Frauen, die nicht stillen können, raten wir zu industriell hergestellter Säuglingsmilch. Diese kann ohne Bedenken gefüttert werden“, erläuterte der Berufsverband der Kinder-und Jugendärzte. Und Professor Klaus Vetter, Sprecher der Nationalen Stillkommission am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) meinte: „Milch ist eine Körperflüssigkeit, und da kann immer etwas drin sein, was nicht drin sein soll.“ Man könne nie sicher sein, ob in der Milch nicht auch unerwünschten Viren wie der HI-Virus oder ein Syphiliserreger enthalten sind. „Selbst wenn Frauen auf der Seite angeben, dass sie in der Schwangerschaft getestet wurden, bleibt ein Restrisiko“, so Vetter. (ag)
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