Mysteriöse Krankheit: Tausende Tote in Sri Lanka
19.01.2015
Bereits Tausende Menschen sind in Sri Lanka Opfer einer mysteriösen Nierenkrankheit geworden. Die Zahl der Betroffenen, die Spenderorgane suchen, steigt. Die Ursache für die schwere Erkrankung ist bislang nicht bekannt. Forscher vermuten, dass der intensive Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft verantwortlich sein könnte.
„Nieren dringend gesucht!“
„Nieren dringend gesucht!“ Solche Anzeigen von Nierenkranken und deren Angehörigen sind derzeit in den Zeitungen von Sri Lanka gehäuft zu finden. Die Betroffenen brauchen dringend Spenderorgane. Wie die Nachrichtenagentur AP berichtet, steigt die Zahl der Hilferufe, da auf der Tropeninsel einemysteriöse, tödliche Nierenkrankheit umgeht. Die 47-jährige Kalyani Samarasinghe sagte demnach vor dem Gesundheitszentrum von Rajanganaya im Norden Sri Lankas: „Sobald man Bauchschmerzen bekommt, fragt man sich: Sind es die Nieren?“
20.000 Tote in 20 Jahren
In den vergangenen 20 Jahren sind dem Nierenversagen rund 20.000 Menschen zum Opfer gefallen, bis zu 400.000 weitere könnten erkrankt sein. Auch bei Landwirten in Zentralamerika, Indien oder Ägypten gibt es den Angaben zufolge ähnliche Massenerkrankungen. In den sieben Bezirken Sri Lankas, in denen sich die Fälle häufen, hat sich der Ackerbau seit den 1960er-Jahren stark verändert. So kommt es in dieser trockenen Region unter anderem zu einem massiven Einsatz von Pestiziden und Dünger. Da in anderen Landesteilen noch keine Fälle des Nierenleidens bekannt wurden, scheint ein Zusammenhang plausibel. Doch die tatsächliche Ursache der Krankheit ist noch immer unklar.
Mehr Frauen als Männer betroffen
Vor zwei Jahren fand die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Urin von Betroffenen erhöhte Kadmium- und Pestizidrückstände. Erhöhte Kreatininwerte im Blut deuten auf eine Nierenerkrankung hin. In drei der untersuchten Bezirke waren 15 Prozent der Erwachsenen erkrankt. Auch wenn mehr Frauen betroffen waren, hatten Männer über 39 Jahren, schlimmer ausgeprägte Symptome. Die Experten nahmen an, dass die entdeckten Rückstände in Kombination mit anderen Giftstoffen wie beispielsweise Arsen über längere Zeit die Nieren entsprechend schwer schädigen könnten. Damals war zwar das Trinkwasser der Hauptverdächtige, doch die Proben waren dem Bericht zufolge in Ordnung. Die Autorin Shanthi Mendis von der WHO mahnte dennoch, der Wasserqualität neben der Regulierung von Chemikalien in der Landwirtschaft höchste Priorität zu geben.
Einsatz von gefährlichen Chemikalien ohne Schutzkleidung
Auch Anwohner haben Angst, dass gefährliche Bestandteile der Düngemittel ins Grundwasser durchsickern. Bauern tränken ihre Felder noch immer mit Chemikalien, oft vermengt mit Kerosin oder einem Mix von Insektengiften. Und das alles ohne Schutzkleidung. „Ohne die Chemikalien ist es schwierig, das Unkraut los zu werden“, meinte Ajith Welagedara.Er mischt wesentlich mehr Glyphosat, Hauptbestandteil des populärsten Pflanzenschutzmittels in Sri Lanka, in seiner Sprühflasche an, als es für den Einsatz in der Landwirtschaft empfohlen wird. Er macht sich zwar Sorgen, wie er gesteht: „Aber es gibt keine andere Möglichkeit.“
Keine ausreichende medizinische Versorgung
Es wurden seit dem Bericht der WHO zwar einige Chemikalien verboten, doch es mangelt an der Durchsetzung. Die Pestizide sind noch immer erhältlich. Das Gesundheitsministerium will jetzt erfassen, wie viele Menschen in der Region von dem chronischen Nierenleiden betroffen sind. Die Furcht treibt viele in Kliniken, wo sie ihr Blut und ihren Urin untersuchen lassen. Die Menschen hegen die Hoffnung, dass ein frühes Erkennen den Verlauf der Krankheit bremsen kann. Aus einem 1.000-Seelen-Dorf sind fast alle Bewohner zu dem Gesundheitsposten nach Rajanganaya gekommen. Viele von ihnen mussten den grausamen Tod von Angehörigen und Nachbarn miterleben. Wie es heißt, sind in den am stärksten betroffenen Orten wöchentliche Todesfälle Normalität. Erkrankte können kaum mit ausreichender medizinischer Versorgung rechnen. In dem 20 Millionen Einwohner zählenden Staat gibt es lediglich 183 Dialyse-Maschinen. Das sind definitiv zu wenig für die empfohlenen drei Blutwäschen pro Woche.
Frühzeitige Diagnose und Behandlung
Wie wichtig eine frühzeitige Diagnose und entsprechende Behandlung von Nierenerkrankungen ist, hat auch die Deutsche Diabetes-Hilfe im vergangenen Jahr anlässlich des damaligen Weltnierentages thematisiert. Demnach sind Nierenleiden bei frühzeitiger Diagnose oftmals noch relativ gut behandelbar. Eine besondere Rolle spielt dabei unter anderem die Behandlung von Bluthochdruck, da eine Nierenkrankheit sowohl Ursache als auch Folge eines Hochdrucks sein kann. Hierzulande beraten Mediziner Betroffene von Nierenerkrankungen zudem über eine angepaßte Lebensweise, Medikamente sowie Ernährung. Den Menschen in Sri Lanka wäre jedoch mit einem allgemein besseren Gesundheitssystem sicher mehr geholfen. (ad)
Bild: Dieter Schütz / pixelio.de
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