Lebensmittelkonzerne drängen mit ungesunden Nahrungsmitteln auf neue Absatzmärkte in armen Ländern
27.06.2012
Die großen Lebensmittelkonzerne drängen mit Macht in die Märkte der Entwicklungs- und Schwellenländer. Die Folge ist eine massive Zunahme des Konsums ungesunder Lebensmittel, wie Soft Drinks oder stark salzhaltiger, fettiger und zuckerhaltiger Produkte, in den Ländern mit niedrigem und mittlerem Durchschnittseinkommen.
Entsprechend deutlich steige die Verbreitung von Fettleibigkeit, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den Entwicklungs- und Schwellenländern, berichtet das Forscherteam um David Stuckler vom Institut für Soziologie an der Universität Cambridge in dem Fachmagazin „PLoS Medicine“. Bislang galt vor allem das steigende Einkommen der Bevölkerung als wesentlicher Faktor für den Konsum ungesunder Lebensmittel, doch die Studie des internationalen Forscherteams um David Stuckler verdeutlicht, dass die Vertriebsstrategien der Lebensmittelkonzerne hier eine wesentlich größere Rolle spielen.
Verzehr ungesunder Lebensmittel anhand der Verkaufsdaten überprüft
Anhand der vorliegenden Verkaufsdaten aus den Jahren 1997 bis 2010 zu den ungesunden Lebensmitteln, Getränken und Tabak ermittelten die britischen, indischen und US-amerikanischen Forscher die Verbreitung der potenziell gesundheitsschädigenden Produkte. „Die Daten umfassen sowohl die Pro-Kopf-Volumen für verpackte Lebensmittel, inklusive Snacks, Imbisse, Eis, Öle und Fette, verarbeitete tiefgefrorene Lebensmittel, getrocknete verarbeitete Lebensmittel, Konserven, alkoholfreie Getränke, Heißgetränke und Fertiggerichte“, erläuterten die Wissenschaftler in dem „PLoS Medicine“-Artikel. Außerdem wurden laut Angaben der Forscher die Daten zu den Einzelhandelsverkäufen von Alkohol und Tabak berücksichtigt. Auch für die Zukunft konnte anhand der Absatzprognosen bis 2016 ein Ausblick auf die Entwicklung gezeigt werden.
Multinationale Konzerne drängen in die Lebensmittelmärkte der Entwicklungsländer
Bei der Auswertung der Daten stellten die Forscher fest, dass der Verkauf ungesunder Lebensmittel in den Ländern mit niedrigem beziehungsweise mittlerem Pro-Kopf-Einkommen weit stärker steigt, als in den Industrienationen. Die Zuwachsraten beim Konsum ungesunder Lebensmittel liegen laut Aussage der Forscher oftmals sogar deutlich höher, als dies früher in den Industrienationen der Fall war. Doch nicht der wachsende Wohlstand ist Ursache dieser Entwicklung, sondern die Strategie der großen Lebensmittelkonzerne. „Multinationale Unternehmen haben nun eine Durchdringung von Lebensmittelmärkten in Ländern mit mittlerem Einkommen“ erreicht, die ähnlich wie in den Ländern mit hohem Einkommen ausfällt, schreiben Stuckler und Kollegen. Mit dem massiven Absatz der ungesunden Lebensmittel steige auch das Risiko von Fettleibigkeit und chronischen Erkrankungen wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Beschwerden, berichten die Forscher. Auch sei eine starke Korrelation zwischen dem Verzehr von ungesunden Lebensmitteln und dem Tabak- beziehungsweise Alkoholkonsum festzustellen, „was auf eine Reihe gemeinsamer Taktiken“ der Produzenten ungesunder Produkte schließen lasse, so das internationale Forscherteam weiter. Bei den großen Lebensmittelkonzernen wie Nestlé, Unilever, Kraft, Pepsi oder Danone sei vor allem die massive Präsenz vor Ort entscheidend für den Absatzanstieg. Das Einkommen der Bevölkerung spiele hier nur eine untergeordnete Rolle, erläuterten Stuckler und Kollegen.
Steigender Verzehr ungesunder Lebensmittel nicht Folge des Wirtschaftswachstums
Das die Einkommensentwicklung und der Verzehr ungesunder Lebensmittel nicht in direktem Zusammenhang stehen, belegten die Forscher am Beispiel von Mexiko und Venezuela. In Mexiko ist nach dem Abschluss eines Freihandelsabkommens mit den USA in den 1990er Jahren der Konsum zuckerhaltiger Soft Drinks massiv gestiegen und liegt heute bei 300 Litern pro Kopf und Jahr. Damit verbunden war ein erheblicher Anstieg der Gewichtsprobleme bei der Bevölkerung und heute ist Mexiko laut Aussage der Forscher das Entwicklungsland mit dem höchsten Anteil übergewichtiger Kinder. Venezuela hat hingegen kein entsprechendes Freihandelsabkommen abgeschlossen und der Konsum ungesunder Soft Drinks blieb seit den 1990er Jahren konstant, obwohl das Land eine vergleichbare Einkommensentwicklung wie Mexiko aufzuweisen hat. Mit anderen Worten: Werden die Grenzen für die großen Lebensmittelkonzerne geöffnet, drängen diese in den Markt und der Konsum ungesunder Lebensmittel steigt. Zwar wurde der Verbrauch ungesunder Produkte bisher stets im Zusammenhang mit der Einkommensentwicklung gesehen, doch sei dieser tatsächlich viel mehr mit den „ausländischen Direktinvestitionen und Freihandelsabkommen verbunden“, schreiben Stuckler und Kollegen. Das Wirtschaftswachstum führe indes nicht zwangsläufig zu einem höheren Konsum ungesunder Lebensmittel.
Lebensmittelkonzerne zu verantwortungsbewusstem Handeln aufgefordert
Für die Gesundheit der Bevölkerung in den Entwicklungs- und Schwellenländern birgt die Strategie der großen Lebensmittelkonzerne ein erhebliches Risiko, zumal die Informationen zu den negativen Folgen des Verzehrs besonders fettiger, salziger oder süßer Produkte hier weit weniger bekannt sind, als in den Industrienationen. Hier seien die Konzerne zu verantwortungsbewusstem Handeln aufgefordert und sollten den Salz-, Zucker- und Fettgehalt ihrer Produkte deutlich reduzieren, so die Forderung der Experten. Zwar zeigen sich die Unternehmen zu derartigen Schritten durchaus bereit, doch werden diese in den Entwicklungs- und Schwellenländern meist nicht umgesetzt, bemängelten Stuckler und Kollegen. (fp)
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