Forscherteam identifiziert die Auslöser der seltenen Schlafkrankheit
Bei der seltenen Schlafkrankheit Narkolepsie leiden Betroffene an ausgeprägter Tagesschläfrigkeit und neigen zum plötzlichen Einschlafen. Die chronische Erkrankung wurde bereits im Jahr 1877 dokumentiert, aber bis heute waren die Ursachen der Krankheit ein Rätsel. Nun brachte eine Schweizer Studie Licht ins Dunkel. Forschende konnten die Auslöser der Narkolepsie entschlüsseln.
Plötzliche Schlafattacken, gestörter Nachtschlaf, Halluzinationen, Verlust der Muskelkontrolle – die Narkolepsie ist für Betroffene ein harter Einschnitt in die Lebensqualität. Das plötzliche Einschlafen ist zusätzlich mit Unfallgefahren verbunden. Patienten mit der chronischen Schlafkrankheit wussten bislang nicht, warum sie unter dieser Erkrankung leiden. Ein Schweizer Forscherteam mit der Beteiligung des Universitären Schlaf-Wach-Epilepsie-Zentrums Bern (SWEZ) fand nun die Ursachen der seltenen Narkolepsie. Ihre Studienergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „Nature“ publiziert.
Narkolepsie – ein seltenes und rätselhaftes Leiden
Nur rund 0,05 Prozent der Bevölkerung leidet unter der chronischen Schlafkrankheit, berichten die Forschenden. Die zugrundeliegenden Mechanismen blieben seit der Entdeckung der Krankheit weitgehend ein Mysterium. Das Team um Professor Federica Sallusto am Institut für Forschung in Biomedizin in Bellinzona (IRB) und Professor Claudio L.A. Bassetti vom Universitären Schlaf-Wach-Epilepsie-Zentrum (SWEZ) der Universitätsklinik für Neurologie am Inselspital in Bern schaffte den Durchbruch, identifizierte die Auslöser und bietet nun neue Möglichkeiten zur Diagnose und Therapie.
Was bereits bekannt war
Aus vorherigen Forschungen war bereits bekannt, dass Narkolepsie durch den stetigen Verlust eines Proteins im Gehirn verursacht wird. Die Abnahme des Proteins Hypokretin ist nach Angaben der Schweizer Forschergruppe genetisch bedingt und tritt in der Regel bei bestimmten Personen auf, die eine genetische Anfälligkeit dafür vorweisen. Warum es zu dem andauernden Verlust des Proteins kommt, galt bislang als nicht ausreichend verstanden.
Immunreaktionen lösen die Schlafkrankheit aus
Die Schweizer Forschenden zeigten in ihrer Studie erstmals, dass Immunreaktionen für den Verlust des Proteins Hypokretin verantwortlich sind. Das Team identifizierte sogenannte autoreaktive T-Lymphozyten, die eine Immunantwort herbeiführen, die den Verlust bedingt. Lymphozyten gehören zu den weißen Blutkörperchen und sind natürliche Bestandteile des Blutes. Zu ihren Aufgaben zählt die Erkennung und Vernichtung von Fremdstoffen wie Viren und Bakterien. Bei Narkolepsie-Patienten vernichten die autoreaktiven T-Lymphozyten bestimmte Neuronen im Gehirn, die für die Produktion von Hypokretin zuständig sind.
Neue Therapiemöglichkeit
„Mit neuen sensitiven Methoden konnten wir autoreaktive T-Zellen als Verursacher dieser Krankheit identifizieren“, resümiert Professor Federica Sallusto die Studienergebnisse in einer Pressemitteilung des Universitätsspitals Bern. Diese Lymphozyten könnten eine Entzündung hervorrufen, die zu neuronalen Schäden führe oder sogar hypokretinproduzierende Neuronen zerstöre. „Wenn wir autoreaktive T-Zellen in frühen Stadien blockieren, können wir möglicherweise den neuronalen Verlust begrenzen und das Fortschreiten der Krankheit verhindern“, erläutert Sallusto.
Narkolepsie wird oft zu spät erkannt
„Diese Studie wird das Bewusstsein für Narkolepsie schärfen, die in der Allgemeinbevölkerung wenig bekannt ist und von Ärztinnen und Ärzten oft nicht oder zu spät diagnostiziert wird“, ergänzt Professor Claudio Bassetti. Die neuen Erkenntnisse würden sowohl neue Möglichkeiten einer frühzeitigen Diagnose als auch neue Behandlungsansätze eröffnen.
Welche Aufgaben hat das Protein Hypokretin
Wie bereits erwähnt führt der Verlust von Hypokretin zu den typischen Symptomen der Schlafkrankheit wie chronischer Müdigkeit, Schlafstörungen, Schlafattacken, Bewusstseinsstörungen und Muskelkontrollverlusten. Das Protein Hypokretin wird in der Hirnregion Hypothalamus produziert und reguliert das Schlaf-Wach-Verhalten sowie das Emotions- und Ernährungsverhalten. Bei 95 Prozent der Narkolepsie-Patienten liegt ein bestimmter genetischer Marker vor (HLA-Allel DQB1*0602). Aus diesem Grund gehen Mediziner davon aus, dass es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt.
Narkolepsie tritt häufig nach Infektionskrankheiten auf
Wie die Forschenden berichten, tritt die Narkolepsie häufig infolge von Infektionskrankheiten wie nach einer Grippe (Influenza) auf. Dies deute auf eine mögliche Rolle von Umweltfaktoren als Auslöser des Autoimmunprozesses hin. Die genauen Mechanismen, warum die T-Lymphozyten die Neuronen im Gehirn angreifen, bleiben jedoch weiterhin ungeklärt. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.