Farbstoff aus Flechte gibt neue Hoffnung für Alzheimer-Patienten
22.11.2011
Forscher des Max-Delbrück-Centrums (MDC) und der Charité in Berlin fanden einen neuen Wirkstoff, der Alzheimerpatienten neue Hoffnung geben könnte. Der rote Farbstoff der Flechte Roccella tinctoria soll laut Wissenschaftlern giftige Ablagerungen, die typischerweise bei Alzheimer-Kranken vorhanden sind, unschädlich machen.
Berechnungen der Deutschen Alzheimer Gesellschaft zufolge ist die Zahl der an Alzheimer erkrankten Personen in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gestiegen. Dieser Trend wird sich in den nächsten Jahren fortsetzen, sofern keine wirksame Therapie entwickelt wird. Bis zum Jahr 2050 soll sich die Zahl der Betroffenen verdoppelt haben.
Naturfarbstoff Orcein und der blaue Farbstoff O4 machen Ablagerungen unschädlich
Als Ursache der Alzheimer-Krankheit gelten Fehlfaltungen von körpereigenen Proteinen, die in einem mehrstufigen Prozess entstehen. Sie bilden über verschiedene Vorstufen die sogenannten Plaques (große schädliche Ablagerungen), die laut der Wissenschaftler für die Nervenzellen giftig sind und zu ihrem Absterben führen. Dr. Jan Bieschke (MDC), Dr. Martin Herbst (Charité) und Prof. Erich Wanker (MDC) fanden heraus, dass der rote Farbstoff Orcein und der engverwandte blaue Farbstoff O4 dagegen wirken können.
Die Flechte Roccella tinctoria, aus der der Farbstoff Orcein gewonnen wird, ist unter anderem auf den Kanarischen Inseln beheimatet und wird seit Jahrhunderten für die Lebensmittel- und Textilfärbung eingesetzt. Orcein besteht aus 14 Molekülen, die unterschiedliche biologische Wirkungen haben könnten. Deshalb suchte das Forscherteam nach einem reinen Stoff und fand den blauen Farbstoff O4, der einem Molekül des Orceins sehr ähnlich ist.
Wie wirken die Farbstoffe?
Die Forscher in Berlin fanden heraus, dass Orcein und der blaue Farbstoff O4 die Entstehung der gefährlichen Vorstufen durch die beschleunigte Ablagerung großer Plaques verringert, wie sie im Reagenzglas und anhand von Zellkulturen zeigen konnten. Prof. Wanker vom MDC berichtet: „Das ist ein neuer Wirkmechanismus. Bisher galt es als sehr schwer, die Bildung der gefährlichen Vorstufen zu stoppen. Wenn unsere Theorie stimmt, wonach die Vorstufen der Eiweißplaques für die Nervenzellen tödlich sind, so hätten wir mit O4 einen neuen Mechanismus, um dort anzugreifen.“ Ähnlich scheint sich der künstliche Farbstoff Methylenblau auszuwirken, während andere Therapien, die sich auf den Abbau der Eiweißplaques konzentrieren, bisher keine Erfolge zeigten.
Weitere Untersuchungen erforderlich
Da bisher nicht bekannt ist, ob der Farbstoff O4 auch bei an Alzheimer erkrankten Menschen wirkt, muss weiter geforscht werden. „Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse die Forschungsaktivität in diese Richtung besonders in der Wirkstoffforschung stimulieren“, erklärt Prof. Wanker. Quelle: Small-molecule conversion of toxic oligomers to nontoxic b-sheet–rich amyloid fibrils Jan Bieschke et al.; Nature Chemical Biology, doi:10.1038/nchembio.719; 2011)
Vorbeugen gegen Alzheimer mit natürlichen Wirkstoffen
Wissenschaftler des „Neurodegeneration Research Lab“ (NRL) der Universität Rostock fanden kürzlich heraus, dass das „griechische (nicht das deutsche) Eisenkraut“ bei „genmanipulierten Mäusen die geistige Leistungsfähigkeit verbessert und die Menge der Alzheimer-Peptide um 80 Prozent gesenkt wurde,“ erklärt Jens Pahnke vom NRL.
Mediziner der Universität Pittburg fanden in einer weiteren Studie heraus, dass Spazierengehen gegen Alzheimer vorbeugend wirkt. Bereits zehn Kilometer wöchentliches Spazierengehen reiche laut der Wissenschaftler aus, um die geistigen Fähigkeiten länger zu erhalten. Bei bereits Betroffenen würde das Spazierengehen ein verlangsamtes Fortschreiten der Krankheit zur Folge haben. Der Studienautor Cyrus Raji berichtet: „Spazierengehen ist kein Heilmittel gegen Alzheimer, aber es kann den Widerstand des Gehirns gegen eine Erkrankung stärken.“ (ag)
Bild: Uschi Dreiucker / pixelio.de
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