Was ist Naturheilkunde?
Medicus curat, natura sanat. “Der Arzt behandelt, die Natur heilt”
Dies ist ein alter Ausspruch, der von dem Arzt Hippokrates (ca. 460 v. Chr. Bis ca. 370 v. Chr. ) stammen soll und heute noch in der Naturheilkunde Gültigkeit hat.
Damals wie heute glaubt man an die Selbstheilungskräfte von und in der Natur. Der Behandler regt diese Kräfte an. Er bricht ihnen Bahn durch seine Behandlung, so dass sie wieder tätig werden können. Aber er ist sich dabei immer gewahr, dass er nicht selbst heilt.
Gesundheit und Krankheit werden in der Naturheilkunde als zwei Pole eines dynamischen Gleichgewichtes angesehen. Jeder Mensch wird im Laufe seines Lebens krank, z.B. mit einem grippalen Infekt. Aber normalerweise schafft es unser Körper von selbst, wieder in den Gesundheitszustand zu kommen. Schafft er dies nicht, meint die Naturheilkunde, so ist Hilfe von aussen notwendig in Form eines Arztes, Heilpraktikers oder Physiotherapeuten.
Da die Geschichte eines jeden Menschen individuell ist, wird dies natürlich in der Naturheilkunde berücksichtigt. Dabei ist dies aber nicht zu verwechseln mit dem Begriff des Ganzheitlichen, der auch gerne in einem Atemzug mit der Naturheilkunde genannt wird. Er wird von vielen Naturheilkundlern als reiner Modebegriff der letzten Jahrzehnte abgetan. Denn die Naturheilkunde erhebt keinen Anspruch darauf, alles über den Patienten oder mehr als der Behandelte selbst zu wissen. Dies ist die übliche Praxis in der derzeitigen Schulmedizin, in der der Arzt mehr weiss als der Behandelte.
“Kehrt man dieses Verhältnis wieder um, mit der Annahme, dass der Sprechende mehr weiß als der Hörende – und in der Krankheit „spricht“der Mensch -, dann bedeutet dies nicht weniger als einen Stilwandel in der Heilkunde im Sinn einer Solidarität, in der die Forschung wieder beiden obliegt, Arzt und Krankem”(Alexander Mitscherlich 1948).
Die Naturheilkunde versucht dabei in gegenseitiger körperlicher und verbaler Kommunikation mit dem Mitmenschen als Behandeltem Zusammenhänge herzustellen, erhebt aber keinen Anspruch auf sogenannte „Ganzheitlichkeit“.
Der Begriff der „Ganzheitlichkeit“ hat sich wohl als Gegenbewegung durch die heutige medizinische Praxis hin zum immer Analytischeren entwickelt. Das bedeutet, dass man sich immer einen Teil herausgreift. Sei es z.B. dass man chinesische jahrhundertalte Kräuter- Arzneien nun im Labor in ihre Bestandteile zerlegt, um sie einzeln in Tablettenform zu bringen und dabei übersieht, dass es evtl. ihre Gesamtheit, das Zusammenspiel aller Substanzen ist, die ihre Wirksamkeit ausmacht.
Die früheren Behandlungsansätze, so nimmt man seit kurzem an, waren noch nicht so von Logik geprägt wie unser gesamtes Denken heute. Damals erklärte sich die medizinische Realität aus der Erfahrung. Wir haben heute viele Modelle, wie z.B. ein neurologisches Modell, ein anatomisches Modell, etc… mit denen wir Krankheiten und Abläufe in unserem Körper erklären. Doch es bestehen eine Vielzahl von Symptomatiken, Erkrankungen und Behandlungen, die wir mit diesen Modellen nicht erklären können.
Konzept der Naturheilkunde wurde verdrängt, ist aber wieder auf dem Vormarsch
Der analytische naturwissenschaftliche Ansatz in der Medizin setzte sich etwa in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch. 1861 wurde die medizinische Studien- und Prüfungsordnung an den preußischen Universitäten geändert. Bis dahin mussten Medizinstudenten ein „Tentamen philosophicum„ vor dem Dekan der Philosophischen Fakultät ablegen. Sie hatten sich somit vor dem Klinikum einer philosophischen Prüfung über ihre Kenntnisse der Zusammenhänge der „Weltweisheit“ zu unterziehen. Ab 1861 wurde für Medizinstudenten das „Tentamen physicum“ mit rein naturwissenschaftlichen und materiellen Inhalten eingeführt. Dieses hat bis heutige Gültigkeit und jeder Medizinstudent muss es nach den ersten Studiensemestern absolvieren.
Trotz der langen Geschichte der Naturheilkunde wurde so nach und nach dieser Ansatz aus der gängigen Praxis des Medizinbetriebes verdrängt.
Zur Zeit besteht wieder ein erhöhter Bedarf an und eine vielfache Nachfrage nach naturheilkundlichen Modellen und Behandlungen. Denn Millionen von Menschen konfrontieren Mediziner heutzutage mit Beschwerden, die nicht auf einfache lokale Ursachen reduzierbar sind. Und eine große Gruppe weist Symptomatiken auf, die mit bildgebenden oder anderen modernen Verfahren der klinischen Technologie nicht nachweisbar, erklärbar und somit auch nicht therapiebar sind.
Hier offenbaren sich die Lücken in der rein naturwissenschaftlich geprägten Medizin, die auch schon früher angemerkt, aber nicht gehört wurden.
Der britische Sozialmediziner Professor Thomas McKeown hat schon 1979 den Rückgang der Infektionskrankheiten der letzten 200 Jahre nicht auf unsere medizinischen Errungenschaften zurückgeführt, sondern auf bessere Hygiene, Immunität und andere vollkommen unspezifische Maßnahmen.
Neueste Studien belegen, dass jeder Deutsche durchschnittlich 18 mal im Jahr zum Arzt geht. Und der Arzt sieht durchschnittlich 45 Patienten am Tag. Für jeden einzelnen Patienten hat er dann etwa 8 Minuten Zeit. Unser Medizinsystem befindet sich in einer bedenklichen Entwicklung. Natürlich muss berücksichtigt werden, dass der alltägliche Medizinbetrieb den gesamtgesellschaftlichen und globalen Veränderungen mit unterliegt und sich diesen anpassen muss.
Die Vernachlässigung jedoch vom Patienten als Mitmenschen, als individuelle Person, die verstanden werden will, verlangt nach Korrektur und anderen Ansätzen. Und hier gewinnt die Naturheilkunde, ein Modell, welches schon immer neben und auch schon vor unserer heutigen Medizin bestanden hat, wieder mehr an Bedeutung, nicht nur für Erkrankte. (tf)
Autoren- und Quelleninformationen
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Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.