Stammzellen: Trotz intensiver Forschung keine erfolgreichen Therapien
26.04.2012
Die Forschung an embryonalen Stammzellen hat in den vergangenen Jahren zu heftigen Kontroversen geführt, die bis heute anhalten. Während die Befürworter der Stammzellenforschung die medizinischen Möglichkeiten betonen, sehen Kritiker ein ethisch nicht vertretbares Vorgehen bei der Gewinnung der Stammzellen. Denn diese erfordert die Zerstörung von frühen menschlichen Embryonen. Weniger umstritten ist hingegen die Forschung an sogenannten adulten Stammzellen, die zum Beispiel aus dem Knochenmark von Patienten gewonnen werden können.
Welche Grenzen bei der Forschung mit embryonalen Stammzellen bestehen, ist in Deutschland durch das Stammzellforschungsgesetz aus dem Jahr 2002 festgelegt. Hier wird Wissenschaftlern auch die Möglichkeit eingeräumt, trotz der ethischen Kontroverse unter bestimmten Bedingungen auf die embryonalen Stammzellen zurückzugreifen. Doch welchen medizinischen Nutzen hat die embryonale Stammzellenforschung bisher gebracht? Keinen, so der Standpunkt der Kritiker.
Adulte Stammzellen werden seit Jahrzehnten zur Behandlung eingesetzt
Blutbildende (adulte) Stammzellen werden seit über 40 Jahren bei der Behandlung von Patienten eingesetzt. Sie dienen vor allem der Regeneration des Organismus nach einer Chemotherapie bei Leukämie oder zum Ausgleich der Zellschädigungen durch bestimmte Krankheiten. Den Krebspatienten oder einem geeigneten Spender werden vor der Behandlung Stammzellen aus dem Knochenmark entnommen, die nach Abschluss der Chemotherapie wieder injiziert werden können. Hier helfen die blutbildenden Stammzellen beim (Wieder-)Aufbau der roten und weißen Blutkörperchen. Doch adulte Stammzellen wurden auch schon zu anderen Zwecken eingesetzt, wie zum Beispiel zur Behandlung von Parkinson oder Lähmungen durch Wirbelsäulenverletzungen. US-Forscher der Universität Louisville in Kentucky, und der Harvard Medical School in Boston haben außerdem im vergangenen Jahr Herzinfarkt-Patienten mit adulten Stammzellen behandelt, wobei durch die Injektion der herzeigenen Stammzellen eine Regeneration des abgestorbenen, vernarbten Herzmuskelgewebes erreicht werden konnte. Insgesamt bleiben die Einsatzmöglichkeiten der adulten Stammzellen jedoch stets begrenzt, da diese sich nicht in beliebige Körperzellen umwandeln können. Das heißt adulte Stammzellen des Herzmuskels sind nicht dazu in der Lage, sich in Zellen anderer Organe zu verwandeln.
Klinische Studien zu embryonale Stammzellen Mangelware
Embryonale Stammzellen sind hingegen pluripotent. Sie könne sich zu sämtlichen Zellen des Organismus entwickeln. Seit ihrer Entdeckung vor 14 Jahren wurde über zahlreiche Einsatzmöglichkeiten der embryonalen Stammzellen diskutiert und geforscht. In verschiedenen Studien ist die Umwandlung embryonaler Stammzellen in unterschiedlichste Gewebearten gelungen. Allerdings beschränkten sich die Forschungsarbeiten bisher überwiegend auf Laborversuche oder Studien an Tieren. Klinische Studien zum Einsatz embryonaler Stammzellen beim Menschen sind Mangelware – obwohl unmittelbar nach der Entdeckung über zahlreiche Einsatzmöglichkeiten fabuliert wurde. Die Befürworter sahen in den embryonalen Stammzellen eine regelrechte Wunderwaffe, die bei unzähligen Erkrankungen Heilung versprach. Der deutsche Forschungsstandort werde schwer beschädigt, wenn hierzulande keine Studien mit embryonalen Stammzellen möglich seien, argumentierten die Befürworter als vor rund zehn Jahren eine gesetzliche Regelung der Stammzellforschung anstand. So erlaubt das im Jahr 2002 erlassene Stammzellforschungsgesetz auch hierzulande die Forschung an embryonalen Stammzellen – allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen.
Forschungsarbeiten auf dem Gebiet embryonaler Stammzellen
Heute arbeiten in Deutschland 54 Forschungsteams mit menschlichen embryonalen Stammzellen. Dem Antrag auf Einfuhr und Verwendung embryonaler Stammzellen wird dabei laut Stammzellforschungsgesetz nur stattgegeben, wenn „die Stammzellen hochrangigen wissenschaftlichen Zwecken dienen, für welche tierische Stammzellen nicht als Forschungsobjekte ausreichen“. Außerdem müssen die Stammzellen vor dem ersten Mai 2007 (ursprünglicher Stichtag 10. Oktober 2002) „zur Bewirkung einer Schwangerschaft erzeugt worden sein und unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden“, so der Gesetzestext. Die Genehmigung entsprechend begründeter Anträge obliegt dem Robert-Koch-Institut (RKI). Insgesamt 72 Anträge wurden beim RKI bislang eingereicht, 70 Forschungsprojekte wurden genehmigt, zwei abgelehnt. Insgesamt erlaubt die deutsche Gesetzgebung zwar die Forschung an embryonalen Stammzellen, doch im internationalen Vergleich gelten hierzulande relativ restriktive Vorschrift.
Erst zwei Heilversuche auf Basis der Stammzellen
Rückblickend hat dies dem Forschungsstandort Deutschland jedoch kaum geschadet und es darf bezweifelt werden, ob sich die hohen Erwartungen, die einige Forscher an die embryonalen Stammzellen richten, überhaupt erfüllen werden. So fanden weltweit bislang erst zwei klinische Studie statt, bei den mit Hilfe der embryonalen Stammzellen eine Heilung erreicht werden sollte. Im Rahmen der ersten klinischen Studie hatten Forscher des US-Biotechunternehmens Geron im Oktober 2010 einem querschnittsgelähmten Patienten aus Stammzellen gewonnene Zellen ins Rückenmark injiziert. Insgesamt sollten im Rahmen der Studie zehn Patienten mit dieser Methode behandelt werden, allerdings wurde die Versuchsreihe laut Angaben von Geron aus finanziellen Gründen abgebrochen. Dieses Vorgehen weckte auch Zweifel an den Erfolgschancen des Behandlungsansatzes. Im Jahr 2011 testeten US-forscher außerdem den Einsatz von Stammzellen bei der Behandlung der Augenkrankheiten von zwei Patientinnen. Das Sehvermögen der beiden Frauen mit Makuladegeneration habe sich nach der Behandlung deutlich verbessert, so das Ergebnis der Untersuchung. Doch bei einer Studie mit lediglich zwei Teilnehmerinnen, darf die Aussagekraft durchaus bezweifelt werden.
Stammzellenforschung bleibt hinter den Erwartungen zurück
Möglicherweise verlieren die embryonalen Stammzellen jedoch in den nächsten Jahren ohnehin ihre Bedeutung für die Forschung, da heute viele Wissenschaftlern auch aufgrund der ethischen Problematik, den Einsatz von sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS) favorisieren. Diese werden in der Regel durch die Reprogrammierung von Körperzellen erwachsener Menschen gewonnen und können ähnlich vielfältig eingesetzt werden wie die embryonalen Stammzellen. Da zur Gewinnung nicht auf abgestorbene Föten zurückgegriffen werden muss, gelten die iPS generell als weniger umstritten. Allerdings haben Forscher der Universität von Kalifornien in San Diego und des Scripps Research Institute in La Jolla (Kalifornien) zuletzt in umfassenden Studien nachgewiesen, dass in den embryonalen und den induzierten pluripotenten Stammzelllinien vermehrt schwere genetische Veränderungen auftraten. Damit verbunden war zum Beispiel ein deutlich erhöhtes Krebsrisiko. So könnten die möglichen medizinischen Erfolge der pluripotenten Stammzellen schnell ins Gegenteil verkehrt werden. Bislang bleibt die Stammzellforschung in jedem Fall weit hinter den Erwartungen zurück, die ursprünglich von den Befürwortern in sie gesetzt wurden. (fp)
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Bildnachweis: Martin Gapa / pixelio.de
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