Schlechte Nachrichten werden mehrheitlich von Menschen ignoriert
10.10.2011
Menschen ignorieren im Normalfall weitestgehend schlechte Nachrichten. Für die Bewertung der eigenen Zukunftsperspektive und Gesundheit bedienen sich Menschen vor allem positiver Nachrichten. Negative Meldungen und Botschaften werden von den meisten Menschen meist ignoriert. Das fand eine psychosoziale Studie englischer Forscher der „University College“ in London im Rahmen einer Studienarbeit heraus.
Jeden Tag erhalten Menschen positive wie negative Nachrichten, die das eigene Sein beeinflussen können. Im Gegensatz zu positiven werden negative Nachrichten mehrheitlich verdrängt. Die unrealistische Sichtweise kann allerdings Folgen für die Gesundheit und das soziale Zusammenleben produzieren. Wie Sozialwissenschaftler der Londoner Universität College durch eine Studie belegten, führt die Beurteilung des eigenen persönlichen Profils zu einem belegbaren aber realitätsfernen Optimismus, wie das Forscherteam um Tali Sharot im Fachmagazin "Nature Neuroscience" schreiben.
Zwar haben die meisten Menschen Angst davor an Krebs, koronaren Herzkrankheiten oder Demenz zu erkranken, aber im täglichen Leben wird die Angst durch einen Überlebensoptimismus überdeckt. Im Verlauf der Studie wurden Probanden nach ihrer persönlichen Wahrscheinlichkeitsbewertung befragt. In insgesamt 80 Negativfragen wurden die Teilnehmer beispielsweise danach befragt, wie wahrscheinlich es ist, einmal selbst einen Autounfall zu erleiden, ausgeraubt zu werden, Alzheimer zu bekommen oder an einer unheilbaren Krebserkrankung zu sterben. Die Testpersonen mussten jeweils per Fragebogen einschätzen, wie hoch sie ihr eigenes Risiko einschätzen. Im Anschluss sagten die Sozialforscher den Studienteilnehmern die tatsächlichen Wahrscheinlichkeiten, die anhand statistischer Auswertungen und Persönlichkeitsprofilen errechnet wurden.
Negativnachrichten werden optimistisch betrachtet
In der zweiten Studienphase wurde den Probanden erneut der gleiche Fragebogen vorgelegt. Abermals mussten die Teilnehmer die selben Fragen beantworten. Die Wissenschaftler wollten so herausfinden, welchen Einfluss die Fakten auf die Bewertung des eigenen Risikos hatte. Während des Durchgangs wurden die Aktivitäten einzelner Hirnareale gemessen. Bei der Auswertung zeigte sich, dass 79 Prozent der Studienteilnehmer ihre Meinung änderten, wenn ihnen im Vorfeld durch Fakten widerlegt wurde, dass ihr Risiko in einzelnen Punkten geringer war, als zuvor selbst eingeschätzt. Hatten die Teilnehmer ihr Risikoprofil positiver bewertet, aber widerlegt bekommen, blieben die meisten bei ihrem Optimismus. "Unsere verhaltensbezogenen Ergebnisse zeigen eine feste Asymmetrie in der Meinungsänderung", erklärte Tali Sharot. "Teilnehmer haben mehr aus den Informationen gelernt, die eine Möglichkeit boten, optimistischere Haltungen anzunehmen."
Die Positionierung und Einschätzung der eigenen Zukunft kann demnach gesundheitliche Folgen produzieren, weil Menschen zum Beispiel rauchen und ihr Krebsrisiko entgegen der Tatsachen als gering einschätzen. „Aber auch gesellschaftliche Aspekte spielen eine große Rolle“, wie die Psychologen anmerken. Die unrealistische Selbsteinschätzung führt zu Fehleinschätzungen bei der Verhütung, der Rentenvorsorge und inadäquatem Verhalten im Straßenverkehr. „Mich selbst wird es nicht treffen.“
Optimismus gegen Stress und Angst
Ist also Optimismus, der durch Fakten widerlegt wird, in der Gänze nicht zuträglich für die Gesundheit? In der Naturheilkunde stehen seelisches und körperliches Wohlbefinden in Interaktion. Menschen, die schwer erkrankten und ihren Optimismus verloren, zeigten in zahlreichen Studien eine hohe Sterblichkeitsrate auf. Wird der Optimismus beispielsweise mit Hilfe der Salutogenese gestärkt, können körpereigene Abwehrreaktionen und Heilungsprozesse gestärkt oder gar aktiviert werden. Dem widersprechen auch die Londoner Forscher nicht, wenn sie abschließend schreiben: "Andererseits können optimistische Erwartungen Stress und Angst reduzieren und dadurch Gesundheit und Wohlbefinden fördern." Optimismus kann als eine Art Überlebensmechanismus verstanden werden, der verhindert, dass wir aufgrund eines überbewerteten Risikodenkens sozial isoliert leben, um potentielle Gefahren zu meiden. (sb)
Lesen Sie auch:
Glücklichsein verlängert das Leben
Stärkt Optimismus das Immunsystem?
Bild: Bernd Boscolo / pixelio.de
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.