Formwandelnde Bakterien: Neuer Verbreitungsmechanismus
Krankheitserreger wie Viren und Bakterien nutzen viele unterschiedliche Methoden, um die Zellen eines Wirts zu infizieren. Ein amerikanisches Forschungsteam entdeckte nun ein bislang unbekanntes Bakterium, das Zellen auf eine völlig neue Art und Weise infiziert. Dabei verändert das Bakterium seine Form und wächst auf das hundertfache der normalen Größe an.
Was die Forschenden der San Diego State University (USA) kürzlich im Rahmen einer aktuellen Studie beschreiben, klingt wie das Drehbuch eines Science Fiction Films. Das Team entdeckte eine neue Bakterienart, die sie Bordetella atropi tauften. Das Bakterium infiziert die Zellen des Wirts mit einer noch nie beobachteten Methode. Dabei verändert es die Form zu einem langen dünnen Faden, der rund 100 mal so groß werden kann, wie die übliche Größe des Bakteriums. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in dem renommierte Fachjournal „Nature Communications“ vorgestellt.
Benannt nach einer griechischen Schicksalsgöttin
Atropos ist in der griechischen Mythologie eine Tochter des Zeus. Als Schicksalsgöttin war es ihre Aufgabe, den Lebensfaden eines Menschen zu durchschneiden und die Art des Todes zu wählen. Die Arbeitsgruppe der San Diego State University wählte die mythologische Gestalt als Namensgeberin für das neu entdeckte Bakterium Bordetella atropi.
Das Team fand den Namen deshalb so treffend, da die Bakterien in der Lange sind, ihre Form und Größe innerhalb von 30 Stunden zu einem langen dünnen Faden zu verändern und dabei um das Hundertfache zu wachsen. Offenbar sucht das Bakterium in der kleinen Form eine nährstoffreiche Umgebung, nistet sich dort ein und beginnt dann, kontinuierlich zu wachsen, ohne sich dabei zu teilen.
Neue Art der Filamentierung
Ein ähnlicher Prozess in abgemilderter Form ist bereits von Bakterien wie Escherichia coli bekannt. Beispielsweise als Reaktion auf Antibiotika oder aufgrund DNA-Schäden verlängern die Bakterien ihre Form. In der länglichen Form können sich die Bakterien zwar nicht teilen, sind aber besser vor Feinden geschützt. Dieser Prozess wird als Filamentierung bezeichnet. Der Zustand ermöglicht es den Bakterien, durch Stress entstandene Schäden zu beheben. Das Bakterium Bordetella atropi nutzt die Filamentierung jedoch, um sich in einem lebenden Organismus von Zelle zu Zelle auszubreiten und nicht wie andere Bakterien als Stressreaktion.
Bakterium wurde in einem Fadenwurm entdeckt
Die Arbeitsgruppe entdeckte die neue Bakterienart in einem im Boden lebenden Fadenwurm. „Wir sind von der Entdeckung des Wurms im Boden über das Auffinden der Bakterien bis hin zum molekularen Mechanismus, wie die Bakterien den Wurm infizieren, vorgedrungen“, betont Biologieprofessor und Studienhauptautor Robert Luallen. Dabei konnte das Team noch nie zuvor beobachtete Prozesse dokumentieren.
Derzeit keine Gefahr für den Menschen
Die Forschenden heben hervor, dass derzeit keine Gefahr von dem neu entdeckten Bakterium ausgeht. Weder der Fadenwurm, noch das Bakterium selbst infizieren den Menschen. Dennoch stelle der Mechanismus eine bislang unbekannte Art der Verbreitung von Krankheitserregern dar, die theoretisch auch von Bakterien genutzt werden könnten, die den Menschen infizieren. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Tuan D. Tran, Davin Lee, Marie-Anne Félix & Robert J. Luallen, et al.: Bacterial filamentation as a mechanism for cell-to-cell spread within an animal host; in: Nature Communications, 2022., nature.com
- San Diego State University (USA): Thread spread - A never-before-seen way bacteria infect cells (veröffentlicht: 04.02.2022), eurekalert.org
Wichtiger Hinweis:
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