Vermeintlich neuentdeckte Kopfspeicheldrüsen lange bekannt
Es klang nach einer medizinischen Sensation: Niederländische Forschende berichteten im Oktober von der Entdeckung eines neuen Organs im Nasen-Rachen-Raum. In einer wissenschaftlichen Stellungnahme haben deutsche Forscher jetzt jedoch widersprochen und deutlich gemacht, dass die entdeckte Ansammlung von Speicheldrüsen seit langem bekannt sei.
„Renommierte Wissenschaftler aus Jena, Leipzig und Erlangen stellen eine niederländische Studie infrage, welche die Entdeckung eines neuen Organs von Kopfspeicheldrüsen behauptet“, so die aktuelle Mitteilung des Universitätsklinikums Jena. Tatsächlich handele es sich um um eine längst bekannte Anhäufung von kleinen Speicheldrüsen. Die entsprechende wissenschaftliche Stellungnahme wurde in dem Fachmagazin „Laryngo-Rhino-Otologie“ veröffentlicht.
Aus Standardlehrbüchern lange bekannt?
Im Oktober berichteten die niederländischen Forschende in dem Fachmagazin „Radiotherapy & Oncology“ von der Entdeckung eines unbekannten Paares an Speicheldrüsen im Nasen-Rachen-Raum. In positronen-emissionstomographischen (PET) Untersuchungen wurden diese an der sogenannten Tubenöffnung entdeckt. „Speicheldrüsen an dieser Stelle im Nasen-Rachen-Raum sind mir aus Standardlehrbüchern für Studierende der Humanmedizin bekannt“, betont Professor Dr. Ingo Bechmann, Direktor des Instituts für Anatomie der Universität Leipzig.
In einer gemeinsam mit Professor Dr. Friedrich Paulsen und Professor Dr. Lars Bräuer von der FAU Erlangen-Nürnberg, Professor Dr. Andreas Dietz vom Universitätsklinikum Leipzig, Professor Dr. Orlando Guntinas-Lichius vom Universitätsklinikum Jena und Professor Dr. Dr. h. c. Heinrich Irovom vom Uni-Klinikum Erlangen erarbeiteten Stellungnahme, weisen die Forschenden darauf hin, dass dieses „neue Organ“ als eine Ansammlung von Speicheldrüsen mindestens seit 1866 bekannt sei.
Schon von 150 Jahren beschrieben
„Neben den sechs großen Speicheldrüsen befinden sich Hunderte kleine Speicheldrüsen in der Schleimhaut von Mundraum, Lippen und Rachen. Dass es Ansammlungen von Speicheldrüsen auch im Nasenrachen und in der Nähe der Luftröhre gibt, wurde schon vor 150 Jahren beschrieben“, so Professor Dr. Orlando Guntinas-Lichius. Wiederholt seien diese auch in der wissenschaftlichen Literatur und in Lehrbüchern beschrieben.
Erst bei Erkrankungen sichtbar
Rund 800 bis 1.000 dieser kleinen Drüsen sind im und um das Gewebe der Schleimhaut von Lippen, Mundhöhle, Nase und dem Mittelohr in unterschiedlicher Dichte verteilt, erläutern die Forschenden weiter. In der Regel seien diese nicht sichtbar und auch eine konventionelle Bildgebung sei nicht in der Lage, diese Drüsen darzustellen. Erst bei einer Erkrankung wie beispielsweise bei Tumoren oder Zysten, die wiederum im Nasen-Rachen-Raum äußerst selten sind, fallen sie auf.
Grundsätzlich sei es wichtig, die Existenz dieser Drüsen bei der Bestrahlungsplanung zu berücksichtigen, was gegebenenfalls auch die Mundtrockenheit als Nebenwirkung einer Bestrahlung vermindern könne, so Professor Dr. Guntinas-Lichius. Hierzu seien nun weitere Untersuchungen notwendig. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Universitätsklinikum Jena: „Keine wissenschaftlichen Belege“ (veröffentlicht 08.12.2020), uniklinikum-jena.de
- Guntinas-Lichius O, Ihrler S, Freesmeyer M, Gühne F, et al. Gibt es eine neue Kopfspeicheldrüse? – Eher nicht!; in Laryngo-Rhino-Otologie (veröffentlicht 16.11.2020), thieme-connect.com
- Valstar MH, de Bakker BS, Steenbakkers R. et al. The tubarial salivary glands: A potential new organ at risk for radiotherapy; in: Radiotherapy & Oncology (veröffentlicht 23.09.2020), elsevier.com
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