Neues Bestrahlungsgerät für schnellere und präzisere Behandlung
06.02.2013
Am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) soll ein neues Bestrahlungsgerät helfen, Krebspatienten künftig noch schneller, genauer und individueller zu behandeln. Der so genannte „Linearbeschleuniger“, der in diesem Bereich als eines der modernsten Geräte weltweit gilt, wurde am Montag in Betrieb genommen und verfügt über eine neuartige Technik: So kreist er während der Behandlung um den Patienten und kann daher den Tumor aus unterschiedlichen Positionen mit variabler Intensität bestrahlen. Durch diese innovative Technik ist es den Medizinern im UKE nun möglich, noch wirksamer zu arbeiten, denn betroffenes Gewebe kann präziser als zuvor fokussiert und anschließend durch Röntgenstrahlen zerstört werden – ohne dass dabei gesundes Gewebe in Mitleidenschaft gerät.
Strahlenbehandlung häufig wesentlicher Bestandteil bei Krebstherapien
Strahlentherapien sind heutzutage bei vielen Krebsarten ein Teil des Behandlungsverfahrens – meist in Kombination mit anderen medizinischen Maßnahmen wie z.B. Operationen, Chemotherapie und Hormontherapie beim Brustkrebs. Ziel der Bestrahlung ist bei jeder Krebsart die Krebszellen durch ionisierenden Strahlen – wie zum Beispiel Röntgenstrahlung – soweit zu schädigen, dass diese sich nicht mehr ausbreiten können bzw. vernichtet werden.
Neues Gerät soll Risiken der Bestrahlung minimieren
Doch genau hier liegt auch das Risiko, welches das Verfahren mit sich bringt: Denn durch die Bestrahlung kann unter Umständen auch umliegendes gesundes Gewebe mit zerstört werden, weswegen ein präzises Vorgehen absolut wichtig ist. Hier soll nun das neue Bestrahlungsgerät im UKE einen neuen Standard setzen, denn im Gegensatz zu den bisherigen Geräten ist der Linearbeschleuniger mit zwei zusätzlichen Röntgenröhren am Boden ausgestattet, die auch diagonale Bilder vom Patienten schießen können und dadurch eine exaktere Vorgehensweise ermöglichen: „Inzwischen ist es möglich, den Behandlungsstrahl exakt der Größe, Form und Lage des Tumors anzupassen, sodass umliegendes gesundes Gewebe weitgehend verschont bleibt. Die Behandlungsqualität hat sich erheblich verbessert. Tumoren können heute so exakt wie nie zuvor bestrahlt werden“, erklärt Prof. Dr. Carsten Bokemeyer, der das Universitäre Cancer Center Hamburg am UKE leitet.
Hinzu kommen bei dem neuen Gerät weitere Vorteile – denn der Tisch, auf dem die Patienten während der Bestrahlung liegen, könne nun besser korrigiert und den Patienten-Bewegungen angepasst werden, darüber hinaus würden bei der neuen Technik auf dem Körper des Patienten angebrachte Positionskugeln für noch mehr Sicherheit sorgen: „Die Kombination mehrerer Systeme zur Bildgebung und Patientenpositionierung liefern alle erforderlichen Informationen zur optimalen Therapie. Dies ermöglicht eine millimetergenaue Positionierung des Patienten“, so Prof. Cordula Petersen, Direktorin der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am UKE.
Doch das neue Gerät arbeitet nicht nur exakter, sondern auch schneller – so könne nach Angaben des UKE die Strahlendosis von bisher drei bis fünf Gray pro Minute auf bis zu 24 Gray pro Minute gesteigert werden, was eine Verkürzung der Bestrahlungszeit von zuvor 30 Minuten auf drei bis fünf Minuten bedeuten würde.
Einsatz insbesondere bei Tumoren im Kopf- und Halsbereich
Der neue Linearbeschleuniger soll insbesondere bei der Therapie von Tumoren im Kopf- und Halsbereich eingesetzt werden, so die Mitteilung, denn „für den Patienten beinhaltet die Technik neue Chancen: Dank der großen Präzision können auch tiefer liegende Tumoren im Körper oder Gehirn, die bisher als kaum behandelbar galten, hoch dosiert bestrahlt werden. In solchen Fällen ersetzen die Röntgenstrahlen das Skalpell. Diese sogenannte Radiochirurgie kommt als Behandlung von außen ohne Schnitt oder Narben aus und bildet inzwischen häufig eine schonende Alternative zur Operation“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Jan Regelsberger, von der Klinik für Neurochirurgie am UKE.
Daher könne die neue Bestrahlungs-Technik in manchen Fällen, wie z.B. bei Tumoren an der Schädelbasis oder am Hörnerv als sinnvolle Alternative zur Operation eingesetzt werden, denn hier würden tief liegende und dadurch schwer erreichbare Tumore bzw. benachbarte lebenswichtige Hirn-Regionen immer wieder für Probleme sorgen. Denkbar sei es Dr. Jan Regelsberger nach auch, in einem solchen Problemfall das Risiko zu mindern, indem nur ein Teil des Tumors mittels Operation entfernt und der Rest durch Bestrahlung zerstört werden würde.
Weitere Anwendungsgebiete für den neuen Linearbeschleuniger seien den Angaben des UKE nach kindliche Hirntumoren oder gutartige Tumore der Hirnanhangdrüse, aber auch kleine Tumore oder Metastasen in der Lunge, welche operativ nicht behandelbar wären: „Mit dem neuen System legen wir die technologische Grundlage für eine größere Bandbreite an Indikationen in der Strahlentherapie. So können wir zukünftig auch Gefäßmissbildungen und Tumoren an empfindlichen Stellen präzise behandeln“, so Priv.-Doz. Dr. Andreas Krüll, Leiter des Bereichs Strahlentherapie im Ambulanzzentrum des UKE.
„Wunderwaffe“ des UKE hat ihren Preis
Doch die Inbetriebnahme der neuen „Wunderwaffe“ des UKE, welche es hierzulande vergleichbar nur im Universitätsklinikum Freiburg gäbe und von der bislang weltweit nur wenige installiert sind, bringt auch ordentlich Kosten mit sich: Insgesamt 5,5 Millionen Euro hat die Klinik laut eigenen Angaben in den Linearbeschleuniger sowie ein weiteres leistungsstarkes Bestrahlungssystem investiert. 60 Patienten könnten von nun an täglich mit der neuen Technik bestrahlt werden, wobei das Gerät sowohl ambulant als auch stationär zum Einsatz kommen soll – die Kosten hierfür würden die Krankenkassen übernehmen.
Strahlentherapie immer bedeutsamer im Kampf gegen Krebs
Ziel des UKE sei es nun, wissenschaftlich zu prüfen, welche Vorteile das neue Gerät sowohl für den einzelnen Betroffenen als auch für die Masse der Krebs-Patienten habe. Dabei sei laut Prof. Martin Zeitz, dem Ärztlichen Direktor des UKE, davon auszugehen, dass der Bestrahlung zukünftig mehr und mehr Beachtung zukäme: „So wird die Strahlentherapie durch die enormen technischen Verbesserungen künftig noch mehr Bedeutung bekommen – nicht nur in der Krebstherapie“, wobei dem Mediziner nach jedoch die interne Abstimmung unabdingbar sei: „Wesentlicher Baustein für eine optimale Therapie mit den hochmodernen Strahlentherapiegeräten ist allerdings die enge Zusammenarbeit von Experten unterschiedlicher Fachrichtungen. Der neue Linearbeschleuniger ermöglicht diese Zusammenarbeit: Die zuständigen Ärzte können UKE-weit auf CT-Bilder und Behandlungsabläufe zugreifen, sodass das Spezialisten-Team ortsunabhängig zusammenarbeiten kann.“
Auch Hamburgs Wissenschaftssenatorin Dr. Dorothee Stapelfeldt (SPD) sieht in dem neuen fortschrittlichen Gerät eine Bereicherung für die Medizin: So sei der Linearbeschleuniger ein anschauliches Beispiel dafür, wie physikalische Grundlagenforschung in moderne Behandlungsmethoden münden könne, denn das Gerät verbinde die Vorteile von moderner Bildgebung und innovativer Bestrahlungstechnologie. (sb)
Bild: Rainer Sturm / pixelio.de
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