Kann eine angeleitete Internet-basierte Selbsthilfe effektiv die Binge-Eating-Störung behandeln?
Eine sogenannte Binge-Eating-Störung ist geprägt durch krankhafte Heißhungerattacken und wird normalerweise in verhaltenstherapeutischen Einzelsitzungen behandelt. Forscher fanden jetzt allerdings heraus, dass eine angeleitete Internet-basierte Selbsthilfe eine gute Ergänzung zu bisherigen Behandlungen bilden oder diese sogar komplett ersetzen kann.
Die Wissenschaftler der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und der Universität Leipzig stellten bei ihrer Untersuchung fest, dass ein verhaltenstherapeutisches Selbsthilfeprogramm, welches nicht anonym ist und das Internet nutzt, hilfreich bei der Behandlung der Binge-Eating-Störung sein kann. Die Mediziner veröffentlichten die Ergebnisse ihrer Studie in der Fachzeitschrift „JAMA Psychiatry“.
Was ist eine Binge-Eating-Störung?
Wenn Menschen an einer Binge-Eating-Störung erkrankt sind, leiden sie unter unkontrollierten wiederkehrenden Essanfällen. Bei diesen verzehren sie eine große Menge von Lebensmitteln, was natürlich zu einem starkem Übergewicht führen kann.
Essanfälle werden häufig durch negative Gefühle ausgelöst
„Die Essanfälle werden meist durch negative Gefühle ausgelöst, die während des Essens unterbrochen werden. Mit Hilfe einer kognitiven Verhaltenstherapie lernen die Betroffenen, ihr Essverhalten zu normalisieren, weitere Gewichtszunahmen zu verhindern und mit ihren psychischen Problemen anders als durch Essen umzugehen“, erklärt Autorin Professor Dr. Martina de Zwaan, Direktorin der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH).
Neues Selbsthilfeprogramm kann unabhängig von Ort und Zeit durchgeführt werden
Therapieplätze für die Behandlung einer Binge-Eating-Störung gibt es nur sehr wenige. Aus diesem Grund wollten die Experten herausfinden, ob ein bestimmtes Selbsthilfeprogramm, welches auf der kognitiven Verhaltenstherapie aufbaut, bei der Behandlung helfen kann. Dieses Programm wurde zwar über das Internet durchgeführt, umfasste jedoch auch ein persönliches Erstgespräch, erklären die Wissenschaftler. Zusätzlich wurde der Kontakt während der Behandlung durch regelmäßige E-Mails aufrechterhalten. „Es kann schnell begonnen und unabhängig von Ort und Zeit durchgeführt werden. Darüber hinaus haben viele Patienten weniger Hemmungen, ein solches Programm durchzuarbeiten, als zu therapeutischen Sitzungen zu gehen“, erklärt die Autorin Professor de Zwaan.
Mediziner untersuchen 180 Probanden
Die Studie zu dem Thema wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt. Insgesamt nahmen sieben deutsche Zentren an der Untersuchung teil und etwa 180 Probanden wurden untersucht. Die Behandlung der Binge-Eating-Störung umfasste dabei zwanzig Kontakte zu Therapeuten pro Woche, mit einer Gesamtlaufzeit von über vier Monaten.
Selbsthilfeprogramm verringerte Essanfälle, depressive Verstimmungen und Sorgen um Gewichtsprobleme
Die Hälfte der Probanden nutze die verhaltenstherapeutischen Einzelsitzungen mit einem Therapeuten. Die zweite Hälfte der Teilnehmer nahm an dem Selbsthilfeprogramm mit Kontakt per E-Mail teil, erläutern die Forscher. Die Ergebnisse zeigen, dass sich bei allen Probanden die Essanfälle deutlich reduzierten. Außerdem verringerten sich auch verschiedene andere Faktoren, wie beispielsweise depressive Verstimmungen, Ängstlichkeit und die Sorge um das Gewicht, erklären die Wissenschaftler.
Eine persönliche Therapie erzielt die Wirkung schneller
Es gab den Unterschied, dass die persönliche Therapie schneller zu Erfolgen führte. Direkt nach der Behandlung wiesen diese Probanden deutlich weniger Essanfälle auf, verglichen mit der anderen Behandlungsgruppe. Dieser Effekt konnte auch noch sechs Monate nach der Behandlung festgestellt werden. Nach einem Zeitraum von 18 Monaten hatten sich die Effekte der verschiedenen Behandlungen allerdings ausgeglichen. Bei beiden Gruppen hatten sich zu diesem Zeitpunkt die Essanfälle verringert.
Internet-basierte Therapie ist eine gute Alternative
„Diese nicht-anonyme Internet-basierte Therapie stellt somit eine gute Alternative dar. Sie kann auch genutzt werden, um die Zeit bis zum Beginn einer persönlichen Therapie zu überbrücken. Deshalb sollte sie ins Gesundheitssystem integriert werden“, sagt Professorin de Zwaan in einer Pressemitteilung der Medizinischen Hochschule Hannover.
Persönliche Gesprächen besser zur Behandlung von Suizidalität und schweren psychischen Leiden
Es gibt allerdings weitere wichtige Punkte, welcher bei der Behandlung der Binge-Eating-Störung berücksichtigt werden müssen. denn die Erkrankung kann Suizidalität und andere schwere psychische Leiden hervorrufen, welche besser durch persönliche Gesprächen behandelt werden können, schränken die Forscher ein. (as)
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Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.